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# taz.de -- Roter-Stern-Sprecher zu Gewalt im Fußball: "Wir sind die kreativen…
> Roter Stern Leipzig ist nach dem Aufstieg in die Bezirksklasse noch mehr
> zum Ziel von Rechten geworden. Vereinssprecher Adam Bednarsky sagt: "Wir
> stehen für all das, wogegen die kämpfen."
Bild: Auch die RSL-Fans sind nicht unkreativ.
taz: Herr Bednarsky, herzlichen Glückwunsch, der Rote Stern wurde Anfang
des Monats mit dem Sächsischen Förderpreis für Demokratie ausgezeichnet.
Adam Bednarsky: Nachdem wir uns jahrelang anhören mussten, wir seien
Störenfriede und Nestbeschmutzer, freut uns das natürlich. Bei der Laudatio
in der Dresdner Frauenkirche waren wir immerhin schon die "kreativen
Störenfriede". Es ist also durchaus eine Entwicklung festzustellen.
Offenbar sieht man mittlerweile auch, warum wir nerven. Andererseits werden
wir in den Gremien noch oft als Krawalltouristen aus Leipzig-Connewitz
diffamiert.
Zu Unrecht?
Es gibt einfach Menschen, die ihre klassischen Freund-Feind-Schemata
benötigen. Und in dem sind wir eben die brandschatzenden Autonomen. Fakt
ist, dass wir mit der klassischen Hooligan- und Gewaltkultur im Leipziger
Fußball gebrochen haben. Insofern sollte sich mancher wirklich davor hüten,
mit dem Finger auf uns zu zeigen. Andere Vereine reden davon, dass sie
Familienverein sein wollen. Wir sind es. Hier herrscht eben nicht diese
klassische Bier- und Bratwurstmentalität - auch deshalb springen bei
unseren Spielen mittlerweile so viele Kinder rum.
Beim Spiel in Brandis ist der Verein nicht zum ersten Mal angegriffen
worden.
Bisher waren in dieser Saison bei fast allen Auswärtsspielen mindestens 10
bis15 Nazis da, die versucht haben, an uns heranzukommen. Seit wir in
diesem Sommer aufgestiegen sind, müssen wir auch im Umland antreten. Und
auf dem Land gibt es zum Teil Neonazistrukturen, die sich seit Anfang der
90er etabliert haben. Da sind wir als Roter Stern mit unseren Inhalten der
absolute Exot, der Feind in der vermeintlich national befreiten Zone. Wir
stehen eben für all das, wogegen die kämpfen.
Und dann kam der Tag, an dem 60 Rechtsextreme Ihren Block überfallen haben.
Da hat auch die Polizei sofort von einem politischen Hintergrund
gesprochen.
Das ging auch gar nicht anders. Aufseiten der Neonazis waren das ja zum
Teil die gleichen Leute, die immer zu unseren Spielen gekommen sind. In
Brandis waren das in der Mehrzahl keine Dorfjugendlichen, sondern Rechte,
die extra wegen des Spiels angereist sind.
Wenige Stunden nach dem Überfall hatten Antifa-Aktivisten die ersten
Nazikader und Schläger identifiziert, die Polizei tut sich aber immer noch
schwer, obwohl es über 200 Fotos von den Vorfällen gibt.
Noch bin ich zuversichtlich, dass die Polizei vernünftig ermittelt. Sie hat
im Vorfeld nicht gut agiert, währenddessen auch nicht. Man kann aber
hoffen, dass sie die Nachbereitung auf die Reihe bekommt. Bei unseren
Spielen zeigt die Polizei seit Brandis massiv Präsenz.
Bei politischen Auseinandersetzungen im Leipziger Fußball klagte die
Polizei bislang oft, dass sie nicht an die nötigen Informationen kommt.
Kann man der Polizei mangelnde Fahndungserfolge vorhalten, wenn die Opfer
nicht sagen, was sie wissen.
Nicht wenige der Betroffenen wollen lieber anonym bleiben. Besonders auf
dem Land. Wenn dort die Nazis in ihrer Gemeinde agitieren, wissen sie ja,
dass sie Gegner und Zeugen einschüchtern können. Mit dem neuen
Zeugenschutzprogramm ist zumindest gewährleistet, dass die Adressen
Aussagewilliger nicht bekannt werden.
Trotzdem zögern viele?
Verständlicherweise, denn die Adressen werden trotzdem noch oft genug
publik. Auf dem Land greift das Zeugenschutzprogramm eh nicht: Rechte und
Linke kennen in der Regel ihre Adressen. Wenn im Nachgang von Brandis jetzt
der ein oder andere Rechte verurteilt wird, kann man nur hoffen, dass die
Nazi-Szene vor Ort ein wenig geschwächt wird.
Wie bereitet ihr euch auf Auswärtsspiele vor?
Wir fahren geschlossen hin und geschlossen zurück, um über die pure Masse
Angreifer abzuschrecken. Wobei uns bewusst ist, dass das der Strategie der
Nazis zupass kommt, uns in eine Gewaltspirale zu ziehen.
Ist ostdeutsche Provinz wirklich so rechts?
Unsinn. Es gibt auch viele Gegenden mit einer vielfältigen Jugendkultur.
Selbst in Wurzen, das in den 90ern als Negativbeispiel durch die Medien
waberte, hat sich viel getan. Aber es gibt natürlich Landkreise, in denen
man nur noch auf diese krude, deutschtümelnde NPD-affine Jugendkultur
trifft. Wenn du da nicht ins Bild der Rechten passt, lebst du gefährlich.
Wie muss man sich das vorstellen?
Da steht man am Obststand und plötzlich sagt dir ein Passant: Du hältst
hier mal besser die Füße still. Schon das erzeugt ein Gefühl der Bedrohung.
Bekennende Antifas werden persönlich bedroht, zu Hause angegriffen. Und die
Polizei steht dem machtlos gegenüber. Du kannst ja nicht neben jeden
demokratischen Bürger einen Beamten stellen. Die Rechten sind allerdings
auch dort eine Minderheit. Aber weil die Mehrheit schweigt, werden sie zur
Gefahr.
Warum schweigt die Mehrheit der Bevölkerung?
Weil viele, die anders ticken, aus diesem Klima wegziehen, sobald sie
können. Die machen Abitur und schwupps sind sie in der Großstadt. Wer
bleibt, ist der schlecht ausgebildete junge Mann. Ein paar platte Parolen,
etwas, das die Gewaltfaszination bedient, viel Sozialdarwinismus, damit
sind viele ja intellektuell schon zufrieden. Wenn so einem dann ein
rhetorisch geschulter Kameradschaftsaktivist die Welt erklärt, erscheint
ihm das vielleicht sogar schlüssig.
19 Nov 2009
## AUTOREN
Christoph Ruf
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