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# taz.de -- Fußballer mit Hakenkreuz-Tattoo: „So etwas geht nur in Sachsen“
> Ein Betreuer von Roter Stern Leipzig engagierte sich gegen einen
> Fußballer mit Hakenkreuz-Tattoo. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft –
> gegen ihn.
Bild: „Unübersehbar“ sei die Hakenkreuz-Tätowierung auf dem rechten Arm g…
Vermutlich hat sich Mike L. nichts dabei gedacht, als er nach dem Spiel
seiner Mannschaft vom [1][SV Lipsia Eutritzsch] gegen die Ü32-Spieler von
[2][Roter Stern Leipzig] sein Trikot auszog und sich am Rande des
Spielfelds erst mal eine Zigarette ansteckte. Heiß war es an diesem Tag im
August 2011 und die Anzahl der Duschen in den Katakomben des Sportplatzes
im Leipziger Norden begrenzt.
Und so saß der Hobbykicker in kleiner Runde in der Nachmittagssonne und
machte sich wahrscheinlich mehr Gedanken über die 0:7-Niederlage seines
Teams, als darüber, negativ aufzufallen. Doch für Carsten G., Betreuer der
Altherren-Mannschaft des links-alternativen Klubs Roter Stern, tat er genau
das.
„Unübersehbar“ sei die Hakenkreuz-Tätowierung auf seinem rechten Arm
gewesen, sagt G., dazu in Frakturschrift die Buchstaben W und P – in
rechten Kreisen als Abkürzung für White Power, als Bekenntnis zur
Vorherschaft der „weißen Rasse“ bekannt.
Carsten G., der für die Mannschaft des Roten Sterns auch eine Internetseite
mit Spielberichten und Bildern betreibt, hielt die Szene mit seiner Kamera
fest und veröffentlichte das Bild im Netz, „aus Empörung über den Spieler
sowie über dessen Mitspieler, die sich augenscheinlich nicht an diesem
Bekenntnis stören“, wie G. sagt, und dass, „obwohl sie ihn sicherlich nicht
zum ersten Mal so gesehen haben, sondern sich ständig zusammen umziehen
oder unter der Dusche stehen“.
## Rechtsextreme Durchdringung des Amateursports
Weil an diesem Tag in Leipzig eine Demonstration von Nazis stattfinden
sollte, die im Vorfeld verboten wurde, schrieb G. unter das Bild: „Während
die Polizei in der ganzen Stadt Faschisten suchte, haben wir in Eutritzsch
einen gefunden.“ Der Fund wäre womöglich ein weiterer folgenloser Beweis
für die rechtsextreme Durchdringung des Amateursports geblieben, hätte der
Rote Stern nicht vorm Rückspiel im März vergangenen Jahres beim
[3][Leipziger Fußballverband] und beim SV Lipsia interveniert.
Ein bekennender Nazi sei auf ihrem Platz unerwünscht, schrieb der Verein,
dessen Spieler und Fans immer wieder von Neonazis attackiert werden, so wie
vor zwei Jahren, als fünfzig Nazi-Hooligans in der sächsischen Kleinstadt
Brandis Jagd auf Spieler der ersten Mannschaft und deren Anhänger gemacht
hatten.
Erst durch das Schreiben entstand Aufmerksamkeit für das bis dahin
unbeachtet gebliebene Bild. Während das Sportgericht „keine rechtliche
Handhabe“ gegen Mike L. sah, reagierte der SV Lipsia und legte ihm den
Vereinsaustritt nahe. L. ist heute nicht mehr im Verein aktiv, wie ein
Vereinssprecher auf Nachfrage bestätigte.
Unterstützung fand der Neonazi von ganz anderer, unerwarteter Seite.
Nachdem er wegen Veröffentlichung seines Bildes Anzeige erstattet hatte,
kam ihm ein Staatsanwalt als williger Vollstrecker zur Hilfe. Er ermittelt
seitdem nicht nur wegen des Vorwurfs der Persönlichkeitsrechtsverletzung,
sondern auch wegen des „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger
Organisationen“ (Paragraf 86a), denn G. habe mit dem Foto ja das verbotene
Hakenkreuzsymbol verbreitet.
## BGH-Entscheidung
Eine „Überraschung“ sei das Verfahren gegen seinen Mandanten, sagt Jürgen
Kasek, Rechtsanwalt von Carsten G., mit aller Vorsicht. „Ich dachte, über
die Phase der Ermittlungen gegen Gegner solcher Symbole sind wir hinaus“,
sagt der Anwalt und verweist auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs
(BGH) aus dem Jahr 2007.
Im Verfahren gegen den linken Versand Nix-Gut, der Aufnäher mit
durchgestrichenen Hakenkreuzen verkaufte, hatte der BGH entschieden: Die
Verwendung von verfassungswidrigen Symbolen, in der die offene Gegnerschaft
zum Ausdruck gebracht wird, ist nicht strafbar.
In der Leipziger Staatsanwaltschaft sieht man das offenbar anders. Während
die Ermittlungen gegen G. mit mehreren Vorladungen hartnäckig geführt
wurden, ist ein eingeleitetes Verfahren gegen den Träger der Tätowierung
nach kurzer Zeit eingestellt worden.
Anwalt Kasek berichtet von einem Gespräch mit dem Staatsanwalt, in dem
dieser ihm mitgeteilt habe, es sei nicht ersichtlich, dass viele Personen
das Hakenkreuz gesehen hätten, schließlich seien auf dem Foto nur drei
weitere Personen abgebildet.
## „Es geht um das Prinzip“
Dabei spielt das für die Öffentlichkeit, in der L. das verbotene Symbol
präsentierte, „überhaupt keine Rolle“, wie Kasek argumentiert. Dass der
Staatsanwalt die Ermittlungen gegen Mike L. inzwischen wieder aufnehmen
musste, ist einzig zwei Spielern des Roten Sterns zu verdanken, die eine
Einstellung des Verfahrens nicht akzeptieren wollten und nun ebenfalls
bezeugten, L. gesehen zu haben.
Gegen Zahlung von 250 Euro wäre auch das Verfahren gegen Carsten G.
eingestellt worden, doch das wäre für ihn wie ein Schuldeingeständnis
gewesen. „Es geht nicht um das Geld, bei über zwanzig Spielern hätte jeder
nur einen Zehner gezahlt, es geht um das Prinzip“, sagt er, der sich als
„Verteidiger der Demokratie“ sieht.
Ob der Eifer des Leipziger Staatsanwalts in seinem Fall und die Untätigkeit
in Bezug auf den offensichtlichen Nazi L. politisch motiviert sei, möchte
G. nicht beurteilen, doch er ist überzeugt: „So etwas geht nur in Sachsen.“
So habe man ja nach den Demonstrationen gegen die Naziaufmärsche in Dresden
der vergangenen Jahre sowie den jüngsten Urteilen gesehen, „dass eher gegen
links als gegen rechts ermittelt wurde“.
Sein Anwalt pflichtet ihm bei: „In Sachsen wird schon immer mit einer
gewissen Unnachgiebigkeit gegen Gegner des Neonazismus ermittelt.“ Dass der
Staatsanwalt es auf ein Gerichtsverfahren ankommen lassen will, kann Kasek
zwar nicht nachvollziehen, aber es motiviert ihn auch: „Ich gehe schon mit
einem gewissen sportlichen Ehrgeiz in die Verhandlung.“
24 Jan 2013
## LINKS
[1] http://www.sv-lipsia.de/startseite/
[2] http://rsl-alteherren.de/Heim.html
[3] http://www.fussballverband-stadt-leipzig.de
## AUTOREN
Erik Peter
Erik Peter
## TAGS
Staatsanwalt
Bodo Ramelow
Tottenham Hotspur
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