# taz.de -- Streit um Bahn-Projekt "Stuttgart21": Ein bisschen Frieden | |
> Nach weiterer Eskalation gibt sich die Landesregierung im | |
> "Stuttgart21"-Streit gesprächsbereit: Sie stoppt den Südflügel-Abriss | |
> vorerst. Doch offenbar war er eh erst 2011 geplant. | |
Bild: Darf noch ein bisschen bleiben: Südflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofe… | |
Eine Volksabstimmung zum umstrittenen Bahnprojekt Stuttgart 21 ist nach | |
einem von der baden-württembergischen Landesregierung in Auftrag gegebenen | |
Rechtsgutachten nicht möglich. "Die Landesregierung wird den von der SPD | |
geforderten Gesetzentwurf deshalb nicht einbringen", sagte | |
Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) am Dienstag bei der Vorstellung des | |
Gutachtens. Er habe den Vorschlag von vornherein "sehr skeptisch" gesehen. | |
SPD-Landeschef Nils Schmid reagierte umgehend auf die Präsentation des | |
Gutachtens. Es sei deutlich geworden, dass es eine juristische | |
Meinungsverschiedenheit über die Möglichkeit eines Volksentscheids gebe. | |
"Letztlich ist es aber eine politische Entscheidung, ob Herr Mappus | |
weiterhin auf Eskalation setzen will", sagte Schmid. | |
Mappus kündigte am Dienstag an, dass der Südflügel des Stuttgarter Bahnhofs | |
"zurzeit nicht angegangen" werde. Er wollte diese Ankündigung als klares | |
Signal verstanden wissen. Zudem werde es "in dieser vegetationsfreien Zeit | |
keine weiteren Baumfällungen im Schlossgarten geben", sagte Mappus weiter. | |
Vieles deutet jedoch darauf hin, dass die Bauplanung den Abriss ohnehin | |
erst nach den Landtagswahlen im März 2011 vorsah. Auf taz-Nachfrage | |
widersprach Mappus dem nicht, sondern sagte lediglich: "Nehmen Sie es als | |
ein klares Signal." Der Abriss des Südflügels ist zudem bisher noch nicht | |
öffentlich ausgeschrieben worden. In den spärlichen Angaben der Bahn zu den | |
Planungen des Projektes ist für 2011 lediglich der Umbau eines | |
Abwasserkanals vorgesehen. | |
Entsprechend unterschiedlich fielen die Reaktionen aus: Der Spitzenkandidat | |
der baden-württembergischen Grünen, Winfried Kretschmann, hatte bereits am | |
Morgen einen Vergabe- und Baustopp gefordert. Er sei sich nicht sicher, ob | |
seine Partei Stuttgart 21 im Falle eines Siegs bei den Landtagswahlen am | |
27. März noch verhindern kann. "Wir können nicht garantieren, dass das in | |
acht Monaten noch möglich ist", sagte Kretschmann. Auch die Fraktionschefin | |
der Grünen im Bundestag, Renate Künast, forderte, für ein echtes | |
Gesprächsangebot die Arbeiten an dem Projekt tatsächlich und auch rechtlich | |
zu unterbrechen. Gerhard Pfeifer, Sprecher der Projektgegner und | |
Geschäftsführer des BUND in der Region, glaubt ebenfalls nicht an die | |
"große Kehrtwende". "Wir sehen das sehr skeptisch und fordern eine Zusage | |
der Bahn als Bauherr", sagte er. Auch die Zusage der Regierung, es würden | |
vorerst keine Bäume mehr im Schlossgarten gefällt, hält er für | |
vorgeschoben: An anderer Stelle sollen wie geplant bis Februar 80 Bäume | |
fallen. | |
Mappus verwies weiter auf die für Mittwoch angesetzte Regierungserklärung | |
im Landtag. Dort wolle er ein "Maßnahmenbündel" vorschlagen. Er sprach von | |
einem im Vergleich zum bisherigen Gesprächsangebot "qualitativ anderen | |
Vorschlag", den man seiner Meinung nach "nicht ablehnen kann". | |
Zu dem massiven Polizeieinsatz am vergangenen Donnerstag, als die Polizei | |
im Schlossgarten mit Wasserwerfern, Pfefferspray und Schlagstöcken gegen | |
Demonstranten vorgegangen war, um einen Teil des Parks für Baumfällungen | |
abzusperren, sagte Mappus, dass ihm keine Erkenntnisse vorlägen, dass der | |
Einsatz unverhältnismäßig gewesen wäre. Es dürfe aber gar nicht erst so | |
weit kommen, dass so ein Polizeieinsatz überhaupt noch einmal nötig sei. | |
"Ich will politisch alles dafür tun." | |
Auch die Polizei versuchte am Dienstag noch einmal, Zweifel an der | |
Verhältnismäßigkeit des Einsatzes auszuräumen. Sie beschuldigte erneut die | |
Demonstranten, dass von ihnen derart massiver Widerstand ausgegangen sei, | |
dass die Polizisten nicht anders hätten handeln können. Auch den Einsatz | |
von Schlagstöcken hält die Polizei deshalb für vertretbar. Noch am | |
Donnerstag hatte sie den Einsatz von Schlagstöcken gegenüber der taz | |
dementiert. | |
Angesichts der Kritik, dass der Einsatz parallel zu einer angemeldeten | |
Schülerdemo stattfand, erklärte Stuttgarts Polizeipräsident Siegfried | |
Stumpf, der Einsatz sei zunächst für 15 Uhr angesetzt gewesen, habe aber | |
vorgezogen werden müssen, nachdem dies im Internet bekannt geworden war. | |
Die Polizei habe innerhalb einer Stunde die Absperrgitter aufstellen | |
wollen. Dabei sei der Fehler gewesen, dass die Polizei nicht schnell genug | |
zum Einsatzort gelangt sei. | |
Doch nach wie vor äußern sich die Polizeiverantwortlichen widersprüchlich. | |
So habe sie mit einer starken Emotionalisierung rechnen müssen. | |
Gleichzeitig sagte Stumpf: "Wir haben nicht mit Blockadeaktionen gerechnet | |
- nicht zu diesem Zeitpunkt und nicht in diesem Umfang." Stumpf übernahm | |
die alleinige Verantwortung für den Einsatz. Gegen ihn wurde inzwischen von | |
Rechtsanwalt Rolf Gutmann Strafanzeige wegen Körperverletzung im Amt | |
gestellt. | |
Mitarbeit Ingo Arzt | |
5 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
Nadine Michel | |
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