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# taz.de -- Teilprivatisierung der Wasserbetriebe: Verträge sind wasserlöslich
> Ein bisher geheimes Gutachten zeigt, dass das Land den umstrittenen
> Verkauf der Wasserbetriebe rückabwickeln könnte. Das Gutachten hat die
> SPD beauftragt. Doch die rot-rote Koalition zweifelt am Ergebnis.
Bild: Ein Gutachten zeigt, wie das Wasser wieder Berlin gehören könnte - ohne…
Die SPD-Fraktion hat einen Weg ausgekundschaftet, wie die Wasserbetriebe
möglichst günstig wieder vollständig in Landeseigentum kommen können: Das
Land Berlin könnte die Wasserverträge vor Gericht anfechten. Denn die
Verträge, mit denen im Jahr 1999 die damalige Koalition aus CDU und SPD
knapp die Hälfte der Wasserbetriebe an mehrere Konzerne verkaufte,
verstoßen gegen die Verfassung. Zu diesem Ergebnis kommt ein bislang
geheimes Rechtsgutachten, das die SPD in Auftrag gegeben hat und das der
taz jetzt vorliegt.
Das Gutachten hatte der Anwalt Matthias Zieger bereits 2003 erstellt. In
diesem Jahr vertrat Zieger die Grünen-Abgeordnete Heidi Kosche bei ihrer
erfolgreichen Klage auf Einsicht in die Wasserakten.
Die SPD hatte Ziegers Expertise bisher unter Verschluss gehalten. Denn die
Sozialdemokraten wollen die Verträge nicht vor Gericht anfechten - dafür
ist ihnen die Erfolgswahrscheinlichkeit zu gering. Stattdessen wollen sie
die Wasserbetriebe zurückkaufen. Das wäre allerdings deutlich teurer und
würde den Steuerzahler und die Wasserkunden viel stärker belasten.
Laut dem Gutachten ist es die umstrittene Gewinngarantie, die die
Wasserverträge verfassungswidrig macht. Das Land Berlin hatte den privaten
Anteilseignern versprochen: Falls die Formel zur Berechnung der
Wassertarife für verfassungswidrig erklärt wird, muss das Land den
Konzernen die entgangenen Gewinne ersetzen. Solch eine Sicherheit darf das
Land allerdings nur auf Grundlage eines Gesetzes geben - so schreibt es die
Landesverfassung in Artikel 87 vor, betont Zieger in seinem Gutachten. Doch
eine Gesetzesgrundlage für die Sicherheit gab es nicht.
Die Konsequenz daraus laut dem Gutachten: Der Vertrag ist ungültig. Denn im
Bürgerlichen Gesetzbuch heißt es in Paragraf 134: "Ein Rechtsgeschäft, das
gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig."
Die Gewinngarantie hat den privaten Anteilseignern RWE und Veolia in den
vergangenen zehn Jahren rund 300 Millionen Euro gebracht. Eine
Neuverhandlung des Vertrages dürfte daher an ihnen scheitern. Dann "wäre
der Vertrag rückabzuwickeln nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten
Bereicherung", heißt es in dem Gutachten. Das Geschäft müsste komplett
rückgängig gemacht werden. Die Konzerne würden also etwa den Kaufpreis von
1,7 Milliarden Euro zurückerhalten, im Gegenzug müssten sie die 1,3
Milliarden Euro zurückzahlen, die sie als Gewinn aus den Wasserbetrieben
erhalten haben. Unterm Strich müsste das Land also nur wenige hundert
Millionen Euro zahlen und wäre wieder alleiniger Eigentümer des
Unternehmens. Billiger geht es nicht.
Doch die rot-rote Koalition ist nicht vor Gericht gezogen. Die Verwaltung
von Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) verweist darauf, es habe sich
lediglich um ein Kurzgutachten gehandelt. Zieger habe zwar eine bestimmte
Ansicht vertreten, jedoch auch deutlich gemacht, dass er keine Urteile oder
Fachliteratur zu dieser konkreten Frage gefunden habe. Die
Wirtschaftsverwaltung habe die Frage "unter Berücksichtigung weiterer
Rechtsgutachten renommierter Anwaltskanzleien geprüft", so Wolfs Sprecher
Stephan Schulz.
Diese Gegengutachter seien zu einem anderen Schluss gekommen: Die
Gewinngarantie in dem Vertrag könne schon deshalb nicht gegen die
Verfassung verstoßen, weil sie "nicht den Hauptzweck des
Konsortialvertrages darstellt", so Schulz. Das Verbot aus der Verfassung
gelte zudem nur für die "Übernahme einer Haftung für bestimmte Risiken
Dritter" - und darum handele es sich nach Ansicht der zusätzlichen
Gutachter nicht. Ihrer Ansicht nach könnte ein Verfassungsverstoß den
Vertrag auch nicht ungültig machen: Die Vorgabe aus der Verfassung gelte
nur für das Verhältnis zwischen Regierung und Parlament. Sie habe
"keinerlei Auswirkungen auf den Bestand eines privatrechtlichen Vertrages".
SPD-Fraktionssprecher Thorsten Metter erklärt: Die Koalitionsfraktionen
seien "dieser Rechtsauffassung gefolgt". Sie haben also gar nicht erst
versucht, die strittigen rechtlichen Fragen von den zuständigen Gerichten
klären zu lassen.
20 Nov 2010
## AUTOREN
Sebastian Heiser
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