# taz.de -- Verkauf der Wasserbetriebe: Verträge reif für den Abfluss | |
> Der Teilverkauf der Berliner Wasserbetriebe könnte nichtig sein - weil | |
> das Vergabeverfahren nicht korrekt war, sagt ein Jurist der Humboldt-Uni. | |
> Jetzt müsste sich jemand finden, der klagt. | |
Bild: Pumpwerk der Berliner Wasserbetriebe | |
Die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe vor elf Jahren ist nach | |
Ansicht des Wirtschafts- und Europarechtlers Hans-Peter Schwintowski | |
womöglich nichtig. Der HU-Professor sieht ein Verfahrensproblem bei der | |
Vergabe: "Ein förmliches Ausschreibungsverfahren hat es damals nicht | |
gegeben." Das habe ihm Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) | |
mitgeteilt. | |
Der Senat hatte 1999 knapp die Hälfte der Wasserbetriebe an die Unternehmen | |
RWE und Veolia verkauft - die zugehörigen Verträge wurden über Jahre geheim | |
gehalten. In die Kritik geriet die Teilprivatisierung vor allem angesichts | |
steigender Wasserpreise. Mit einem Volksbegehren, das die Offenlegung der | |
Verträge forderte, kam in diesem Jahr eine breite Debatte über Preise, | |
Privatisierung und Daseinsvorsorge in Gang. | |
Den Gesetzesentwurf der Initiative hatten der Senat und kurz darauf das | |
Abgeordnetenhaus in der vergangenen Woche abgelehnt - damit kommt es im | |
Februar zum Volksentscheid. Der Grund für die Ablehnung: Eine der in dem | |
Entwurf enthaltenen Klauseln sei verfassungswidrig. Es handelt sich dabei | |
ausgerechnet um eine Klausel, die die Nichtigkeit von Verträgen vorsieht, | |
wenn sie nicht im Sinne des Gesetzes offengelegt werden. Doch Nichtigkeit | |
droht laut Schwintowski von einer anderen Seite: Demnach sieht das | |
europäische Recht für solche Vergaben eine Ausschreibung vor. Es habe aber | |
lediglich eine "europaweite Suche" gegeben. | |
"Ich halte den Standpunkt für logisch, dass Verträge, die | |
vergaberechtswidrig zustande gekommen sind, nichtig sind", sagt | |
Schwintowski. Das hätte zur Folge, dass die Wasserbetriebe wieder zu 100 | |
Prozent Berlin gehören würden und die geflossenen Gelder zurücktransferiert | |
werden müssten. In der Praxis würden wohl der Kaufpreis, rund 3,3 | |
Milliarden Mark, gegen die geflossenen Zinsen aufgerechnet. | |
Wirtschaftssenator Wolf bestätigte am Montag die Prämisse Schwintowskis: | |
Ein förmliches Ausschreibungsverfahren habe es tatsächlich nicht gegeben, | |
teilte seine Verwaltung mit. Stattdessen habe "ein offener Bieterwettbewerb | |
in einem diskriminierungsfreien Verfahren" stattgefunden, der durch | |
"umfängliche internationale Presseberichterstattung" europaweit bekannt | |
gewesen sei. Bei einer Suche können die Kriterien für den Vertrag | |
verhandelt werden, bei einer Ausschreibung stehen diese vorher fest. | |
Abgesehen davon vertritt die Verwaltung die Auffassung, dass keine | |
Konzessionen für Dienstleistungen vergeben worden seien. Daher sei eine | |
förmliche Ausschreibung nicht erforderlich gewesen. | |
Dazu kommt: Solange niemand versucht, gegen die Verträge zu klagen, bleiben | |
sie in jedem Fall bestehen. Laut Schwintowski wären Anfechtungen von vier | |
Seiten vorstellbar: Zunächst könnte die Europäische Kommission selbst ein | |
Vertragsverletzungsverfahren anstrengen. Darüber hinaus könnten | |
Wettbewerber, also andere Anbieter von Wasserdienstleistungen, klagen. Auch | |
Berlin selbst könne dagegen vorgehen. Rein theoretisch sei außerdem | |
denkbar, dass die Privaten selbst vor Gericht ziehen - die | |
unwahrscheinlichste Variante angesichts der jüngsten Äußerungen von RWE und | |
Veolia. "Veolia hat nicht vor, sich von seinen Anteilen zu trennen", | |
bekräftigte Sprecher Matthias Kolbeck bei einer Veranstaltung am Freitag. | |
Kolbeck zeigte sich skeptisch, dass eine Anfechtung Erfolg haben könnte - | |
schließlich sei das Vertragswerk bereits im Vorfeld umfassend juristisch | |
geprüft worden. | |
Die Hände gebunden sind laut Schwintowski den Verbrauchern. "Die Bürger | |
können höchstens versuchen, Wettbewerber anzustacheln, eine Vergabeklage zu | |
erheben." Sollten allerdings Gerichte entscheiden, dass die Wasserverträge | |
nichtig seien, könnten Verbraucher eventuell Geld zurückfordern, weil die | |
Geschäftsgrundlage gestört sei. | |
Die Initiative Wassertisch bewertet die Thesen Schwintowskis vorsichtig: | |
Man wolle die Kräfte dort bündeln, wo man gute Chancen sehe, sagt Sprecher | |
Thomas Rudek. Über die Verbraucherzentrale, die das Anliegen unterstützt, | |
gebe es Kontakte zur Europäischen Kommission. Daher sei es derzeit nicht | |
geplant, Wettbewerber zum Klagen zu bewegen. | |
13 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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