# taz.de -- TAZ-SERIE "ZURÜCK AUF STAAT" (1): Das dreifache Stadtwerk | |
> SPD, Grüne und der Wirtschaftssenator warten mit Ideen für ein neues | |
> Stadtwerk in Berlin auf. Dabei verfolgen die einzelnen Parteien | |
> unterschiedliche Ziele. Und nicht alle Vorschläge sind wirklich | |
> ausgereift. | |
Bild: Mehr Zellen aufs Dach: SPD, Linke und Grüne wollen irgendwie was gutes t… | |
Sie sollen Berlin grün machen. Nachhaltig. Der Stadt neue Einnahmen | |
bringen. Und den Service für die Bürger verbessern. Kurzum: Neue Stadtwerke | |
sollen einen guten Teil der Probleme lösen, die die Stadt derzeit hat. | |
Zumindest, wenn es nach dem Willen von SPD, Grünen und dem | |
Wirtschaftssenator der Linkspartei geht. Sie alle haben in den vergangenen | |
Wochen Konzepte für neue Stadtwerke vorgelegt. | |
"Stadtwerke Berlin" hat die SPD über ihren Vorschlag geschrieben, "Berlin | |
Energie" nannten die Grünen sowie Wirtschaftssenator Harald Wolf ihre | |
Ideen. Doch so ähnlich die Namen sind, so unterschiedlich sind die Inhalte. | |
Sie reichen vom virtuellen Stadtwerk, das Kapazitäten bündelt, bis zum | |
Stadtwerk nach traditionellem Vorbild, das von Stromversorgung bis | |
Schwimmbäder alles vereint. | |
Früher, als die Kommunen noch nicht dauerpleite und die Daseinsvorsorge | |
noch staatlich war, war das Konzept der Stadtwerke gang und gäbe. Sie | |
kümmerten sich um die Energieversorgung, teilweise auch um den Nahverkehr | |
und manchmal um die Schwimmbäder. Auch in Berlin versorgten landeseigene | |
Betriebe die Einwohner mit Strom und Gas. Doch im Laufe der Jahrzehnte | |
wurden sie nach und nach verkauft. Die Hälfte der Wasserbetriebe hier, | |
schrittweise die Gasag da. Dafür gab es schnelles Geld für die Landeskasse. | |
An die langfristigen Einnahmen dachte man weniger. | |
"Wir glauben, dass die öffentliche Hand mit der Privatisierung ein | |
schlechtes Geschäft gemacht hat", sagt daher Daniel Buchholz. Buchholz ist | |
umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Zu viele | |
Gestaltungsmöglichkeiten habe man mit den Verkäufen aus der Hand gegeben | |
und Einnahmequellen gleich mit dazu. In Zukunft soll das wieder anders | |
werden: mit einem Unternehmen ganz nach dem Konzept der guten alten | |
Stadtwerke. | |
"Vorbild sind die Münchner Stadtwerke", sagt Buchholz. Von ihnen können | |
Kunden nicht nur Strom, Gas und Fernwärme beziehen, sondern auch Wasser und | |
Dienstleistungen wie Energieausweise. Auch Schwimmbäder betreibt das | |
Unternehmen. Schritt für Schritt, so will es die SPD, soll Berlin sich dem | |
süddeutschen Vorbild nähern: Energie, Wasser, Versorgungsnetze, Nahverkehr, | |
Bäder - alles soll in kommunale Hände. | |
Wer mit einem Grünen über die Vision der SPD spricht, erntet Kopfschütteln. | |
"Uns ist es nicht vor allem wichtig, ein Stadtwerk zu haben, sondern | |
Probleme zu lösen", sagt Michael Schäfer, umweltpolitischer Sprecher der | |
Fraktion. Die Probleme, das sind aus Sicht der Grünen vor allem ein | |
geringer Anteil an sanierten Gebäuden im öffentlichen Bereich und folglich | |
ein hohes Potenzial zum Energiesparen, das nicht genutzt wird. | |
Ein Stadtwerk als "kommunales Klimaschutz-Unternehmen", so die Idee der | |
Grünen, soll das ändern. Es soll dafür sorgen, dass öffentliche Gebäude | |
eine vernünftige Dämmung und eine neue Heizanlage bekommen, dass | |
Solarkollektoren auf alle möglichen Dächer montiert werden und mit | |
zahlreichen Blockheizkraftwerken ein Nahwärmenetz aufgebaut wird. Erzeugte | |
Wärme soll selbst genutzt, erzeugter Strom ins Netz eingespeist werden - | |
als zusätzliche Einnahmequelle. | |
Virtuelle Kraftwerke schlagen die Grünen daher vor. Bei einem virtuellen | |
Kraftwerk werden viele kleine Erzeuger so koordiniert, dass sie große | |
Kraftwerke ersetzen. Dieses dezentrale Konzept hat den Vorteil, dass bei | |
großer oder geringer Nachfrage flexibler einzelne Mini-Kraftwerke zu- oder | |
abgeschaltet werden können. Was der Aufbau eines solchen Unternehmens | |
kosten soll, rechnen die Grünen ebenfalls vor: 500 Millionen Euro seien | |
laut Schäfer einzuplanen. Die Mittel dafür sollen aus der baulichen | |
Unterhaltung im Landeshaushalt und aus der energetischen Sanierung kommen. | |
Während die SPD also eine Art Rundumschlag plant und gerne viele einst | |
teilweise oder komplett privatisierte Unternehmen wieder in staatliche | |
Hände bekommen will, kommt der Vorschlag der Grünen eher schlank daher. Das | |
Konzept sieht dem traditionellen Stadtwerk, wie es München hat, wenig | |
ähnlich. Es wirkt eher wie eine Agentur, die Energieeffizienz und | |
erneuerbare Energien befördert, Dienstleistungen anbietet und kleinteilige | |
Infrastruktur schafft. | |
Ihr Konzept haben die Grünen auf ihrem Landesparteitag Anfang November | |
verabschiedet. Es ist verhältnismäßig ausgereift: Die Finanzierung steht, | |
zumindest auf dem Papier; konkrete Maßnahmen wie Wärmedämmung und der | |
Austausch von Heizungsanlagen sind klar; auch einen Zeitrahmen haben sich | |
die Autoren überlegt. Wer die verschiedenen Fassungen liest, merkt, dass | |
sie sich Gedanken gemacht haben - wenn das auch dazu geführt hat, dass | |
einzelne Punkte rausgeflogen sind. | |
Viele lange Sätze | |
In der Überarbeitungsphase ist der Vorschlag von Senator Wolf noch lange | |
nicht. Mitte November hat er sein Papier präsentiert. Bislang existiert er | |
in Form eines dreiseitigen Konzepts. "Weiterentwicklung der | |
energiewirtschaftlichen Strukturen des Landes Berlin" steht darüber. Darin | |
stehen viele lange Sätze, die erklären, dass Dezentralisierung wichtig ist, | |
dass die Politik einen Rahmen setzen muss, dass die Privaten dabei sein | |
sollen. | |
Wirtschaftlich soll das Unternehmen arbeiten, betonte Wolf bei der | |
Vorstellung und erläuterte: "Das Unternehmen soll ein kooperativer | |
Netzwerkmanager in öffentlicher Hand sein." Das heißt, es soll Ressourcen | |
unterschiedlicher Anbieter bündeln. Daher sind bei der Planungsgruppe die | |
Wasserbetriebe und die BSR dabei. Beide erzeugen schon jetzt Energie, die | |
Wasserbetriebe etwa aus Klärschlamm. Auch wenn das noch nicht auf einen | |
explizit ökologischen Ansatz schließen lässt, betont Wolf in seinem Papier, | |
dass das Unternehmen einen Fokus auf "Energie-Effizienz und erneuerbare | |
Energien" legen soll. Konkrete Schritte zur Umsetzung oder ein | |
Finanzierungskonzept gibt es bislang nicht. | |
Überhaupt die Finanzierung. Wirtschaftlichkeit wünschen sich alle. Niemand | |
will den Fehler früherer Jahrzehnte wiederholen, als staatliche Betriebe | |
häufig ineffiziente Wasserköpfe an Personal mitschleppten. Effizient soll | |
ein neues Stadtwerk sein, modern, flexibel. Und trotzdem kommunal. | |
Heutzutage müsse das kein Widerspruch sein, so der Tenor. Buchholz von der | |
SPD rechnet ein Beispiel vor: Auch kommunale Unternehmen dürfen Gewinn | |
erwirtschaften. Die Bundesnetzagentur erlaubt einem kommunalen | |
Netzbetreiber beispielsweise 6 Prozent Rendite. Vor einem Kauf müsste | |
Berlin aber erst Kredite aufnehmen. Ein solcher Kommunalkredit ist deutlich | |
günstiger als ein Kredit auf dem freien Markt. 1 bis 2 Prozent müssen | |
Kommunen nur zahlen. "Da kommt eine schwarze Zahl bei raus", sagt daher | |
Buchholz über einen Rückkauf. Doch wenn das so einfach wäre: Warum braucht | |
man dann ein kommunales Unternehmen? | |
Die Eigenkapitalrendite werde niedrig sein, daher sei der Betrieb für ein | |
gewinnorientiert arbeitendes Unternehmen uninteressant, erklärt Schäfer. | |
SPD und Linkspartei sehen es grundsätzlicher: Bei ihnen steht die Idee der | |
Einflussnahme, der kommunalen Strukturen, des Wieder-mehr-Staat-Gedankens | |
im Mittelpunkt. Nur in einem Punkt wollen alle das Gleiche: Berliner sollen | |
sich an dem Unternehmen beteiligen können. Die SPD schlägt daher eine | |
Genossenschaftsstruktur vor. | |
Vor allem in den Konzepten von SPD und Grünen zeigt sich, dass die Parteien | |
an ihre Klientel denken: So spricht der Vorschlag der Grünen vor allem eine | |
ökologisch orientierte Zielgruppe an. Dagegen bemüht sich die SPD um | |
soziale Komponenten wie einen Sozialtarif für die Grundversorgung, der | |
energiesparendes Verhalten belohnen soll. Damit am Ende nicht nur | |
subventionierte Wenigverbraucher bei den Stadtwerken landen und die | |
Vielverbraucher einen anderen Versorger wählen, will die SPD alle Anbieter | |
dazu verpflichten - wenn sich das rechtlich umsetzen lässt. | |
Die rechtliche Umsetzung ist dann auch ein Knackpunkt der Konzepte. Bei der | |
SPD ist es unter anderem der Sozialtarif, bei den Grünen die | |
Gesellschaftsform. Schließlich sollen Aufträge auch direkt an das Stadtwerk | |
vergeben werden können - und das darf keine Probleme geben. | |
Langfristige Ziele | |
Klar ist: Kein Konzept lässt sich von heute auf morgen umsetzen. Zwar | |
scheint eine Unternehmensgründung, wie beispielsweise bei den Grünen | |
angedacht, gerade noch in einer Legislaturperiode machbar. Und auch die | |
Weichen für eine Übernahme der Versorgungsnetze müssen in den nächsten | |
Jahren gestellt werden. Doch spätestens wenn, wie bei der SPD, Unternehmen | |
zurückgekauft werden sollen, geht das nicht auf einen Schlag. Das weiß auch | |
Buchholz: "Wir müssen jetzt konkrete Umsetzungsschritte vereinbaren", sagt | |
er. | |
Und das heißt: überlegen, wie viel Geld man in die Hand nehmen kann. Denn | |
auch wenn sich ein Rückkauf irgendwann rentiert, muss Berlin zuerst | |
Schulden machen. Vor allem das Konzept der SPD ist sehr weit in die Zukunft | |
gerichtet. Wenn es denn dazu kommt. Denn wie das neue Stadtwerk letztlich | |
aussehen könnte, entscheiden im September erst mal die Wähler. | |
25 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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