# taz.de -- Diskussion über Rekommunalisierung: Staat aus der Steckdose | |
> Nach der Veröffentlichung der Wasserverträge reden alle über | |
> Kommunalisierung. Passend dazu will der Wirtschaftssenator auch im | |
> Energiebereich mehr Einfluss. | |
Bild: wirtschaftssenator Harald Wolf wille eine Berliner Energieagentur | |
Es ist ein erster kleiner Schritt, mit dem Wirtschaftssenator Harald Wolf | |
(Linkspartei) dem Land Berlin mehr Einfluss auf dem Energiemarkt | |
verschaffen will: Am Mittwoch haben Wolf sowie Vorstandsvorsitzende und | |
Geschäftsführer von BSR, Berliner Energieagentur und Berliner | |
Wasserbetrieben eine "Vereinbarung zur Gründung einer Entwicklungsplattform | |
Berlin Energie" unterzeichnet. | |
Hinter der Vereinbarung steckt die Idee des Wirtschaftssenators, in Berlin | |
eine Art Stadtwerk aufzubauen - mit einem Schwerpunkt auf erneuerbare | |
Energien und dezentraler Versorgung. Wenn es nach Wolf geht, soll sich das | |
Stadtwerk nicht nur auf die Erzeugung von Energie beschränken, sondern | |
gleichzeitig an den Netzen beteiligt sein, und zwar bei Strom, Gas und | |
Fernwärme. "Wir brauchen eine Berliner Netzgesellschaft, die alle Netze | |
umfasst", sagte Wolf vor der Unterzeichnung. | |
Die Vorstellung von Wolfs Idee fällt in eine Diskussion über staatliche und | |
private Macht in Fragen der Daseinsvorsorge. Anstoß gab eine Initiative, | |
die die Offenlegung der Verträge über die Teilprivatisierung der Berliner | |
Wasserbetriebe forderte. Zum Zeitpunkt des Teilverkaufs vor elf Jahren | |
herrschte ein privatisierungsfreundlicher Wind: Man war der Meinung, dass | |
Private Aufgaben der Daseinsvorsorge besser und effizienter lösen können | |
als der Staat. | |
Mittlerweile hat sich die Tendenz geändert: Der Vertrag über die | |
Teilprivatisierung der Wasserbetriebe ist zwar frühestens 2028 kündbar, | |
doch angesichts hoher Wasserpreise diskutieren Politiker | |
fraktionsübergreifend über Möglichkeiten, die Wasserbetriebe wieder ganz in | |
kommunales Eigentum zu überführen. Dabei gibt es unterschiedliche Modelle: | |
Einige halten eine juristische Anfechtung der Verträge für denkbar, andere | |
wollen eine mittels Kredit finanzierte Rekommunalisierung. Auch die Idee | |
einer "Berliner Volksaktie" steht im Raum. | |
Die nun von Wolf initiierte Vereinbarung zum Stadtwerk ist in erster Linie | |
eine Absichtserklärung, in der die Parteien vereinbaren, ein Grundkonzept | |
zu entwickeln. Ein konkreter Zeitplan oder Finanzierungsideen fehlen. In | |
der Vereinbarung stehen nur Eckpunkte: Das neue Stadtwerk soll "maßgeblich" | |
von Berlin geführt sein, sich auf Energieeffizienz und erneuerbare Energien | |
konzentrieren und zwischen verschiedenen Akteuren sowie Netz und Erzeugung | |
koordinieren. Private Akteure sind ausdrücklich mit einbezogen. Vattenfall | |
und die Gasag haben bereits Interesse signalisiert. | |
Als "grundsätzlich richtige Zielrichtung" bezeichnet Daniel Buchholz, | |
umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, das Vorhaben. Noch bleibe aber | |
zu viel im Dunkeln. Er sei sich bewusst, sagte Wolf im Vorfeld der | |
Unterzeichnung, dass in knapp einem Jahr Wahlen zum Abgeordnetenhaus | |
anstehen. Und dass sich damit das politische Blatt wenden könne. | |
Dem Konzept muss das nicht unbedingt schaden: Auf ihrer Klausurtagung Ende | |
August hatten die Grünen ein eigenes Konzept eines Klimastadtwerks | |
vorgestellt. Im Gegensatz zu Wolf befürworten sie jedoch eine Konzentration | |
auf Energieerzeugung und Energieeffizienz, um die Kosten für die Umsetzung | |
niedrig zu halten. Sie haben schon einmal durchgerechnet, was die | |
Einrichtung eines solchen Stadtwerkes kosten würde - und kamen auf 500 | |
Millionen Euro. | |
12 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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