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# taz.de -- Facebook führt Gesichtserkennung ein: Frau Aigner? Ach, schon ausg…
> Wir leben in einem Land, in dem Politiker stolz darauf sind, vom Netz
> keine Ahnung zu haben. Die Gesichtserkennung könnte da zu großen
> Problemen führen.
Bild: Gesichtserkennungsforschung am Karlsruher KIT beim Institut für Anthropo…
Die Erfahrung meiner Bekannten K mit dem Netz ist eine spezielle: Vor
Jahren wurde sie von einem Voyeur nackt am Strand fotografiert, der Spanner
lud die Bilder auf einer bekannten Seite für Voyeuristen hoch und
vermutlich hätte niemand je Kenntnis davon erlangt, hätte K nicht wenig
später eine Rolle in einer Daily Soap bekommen. Ein findiger Fan fügte den
Bildern den Namen hinzu und so findet man bis heute, wenn man K googelt,
als erstes jene alten Bilder vom Strand.
Der von Netzaffinen gern ins Spiel gebrachte Begriff [1][Streisand-Effekt,]
der zur Folge hat, dass Mächtige, Reiche, mächtig Reiche oder reichlich
Mächtige Informationen nicht mehr unterdrücken können, ist gar nicht mehr
komisch, wenn er jemanden betrifft, der nicht ein Heer von Anwälten
beschäftigen kann.
Nun führt also Facebook die automatische Gesichtserkennung ein. Gesichter
werden auf Bildern, die der Nutzer hochlädt, erkannt, so dass der Prozess
des Taggens abgekürzt wird. Das klingt nach Minority Report, soll aber
tatsächlich funktionieren. Zukunftsmusik läuft längst schon im Radio.
Muss ich jetzt meinen nächsten FKK-Urlaub absagen? Hilft die
Bundesregierung? Man kann sich die Hysterie in einem Land, das wochenlang
über Bilder von Häusern debattiert, lebhaft vorstellen. Politiker, die es
gewohnt sind, in den Wahlkämpfen Zukunft zu versprechen, tun sich schwer
mit der Erkenntnis, dass Zukunft einfach so stattfindet. Manchmal wird sie
gar von Unternehmen, deren Sitz in einem befriendeten Land ist, gestaltet.
Was machen sie also? Sie regen sich auf. Ilse Aigner,
Verbraucherschutzministern und gelernte Elektrotechnikerin, sah sich schon
zu Jahresbeginn gezwungen, [2][aus Facebook auszutreten.]
So bekommt sie die neueste Entwicklung vermutlich nicht einmal mit. Der
Bundesregierung geht es mit dem Netz so wie es einem Diplom-Forstwirt mit
dem Amazonas-Dschungel erginge: "Ist ja ganz nett, aber ist das nicht alles
ein bisschen viel und unübersichtlich? Hat das Faultier eine
Rumhänggenehmigung, verstößt die Vogelspinne nicht gegen das Netzbauverbot
und wie können wir das Schlingpflanzenänderungsgesetz in Einklang bringen
mit der Lianenverlängerungsverordnung?"
Wer zu spät kommt, den bestraft der Dschungel, und Amazonien oder das
Großreich Facebook sind vergleichsweise eingehegte Bereiche. Was passiert,
wenn die CSU merkt, dass es [3][4chan] gibt?
Es bräuchte eine hochkompetente Netzpolitik, die Ministerien müssten mehr
wissen über die technischen Entwicklungen als ich oder der Blogger von
nebenan, sie werden aber nicht bloß überrascht, sie merken es erst, wenn
meine Oma es in der Zeitung gelesen hat und ihren lokalen
Bundestagsabgeordneten darauf anspricht, der in prompter Reaktion einen
Brief an das nächste nicht zuständige Ministerium schreibt.
Die Alternative zum demonstrativen Austritt ist das Selber-Schuld-Prinzip.
Nutzer seien doch selber Schuld, wenn sie Twitter, Facebook oder die
Angeber-Anwendung [4][Blippy] nutzen, bei der man seine
Kreditkartenabrechnung online stellen kann.
Und überhaupt! Wie kann man etwas gegen Netzsperren und
Vorratsdatenspeicherung haben, wenn man doch ein Blog betreibt und alle
Leute wissen können, wie man das neue Scooter-Album findet? Ganz einfach:
Deutschland kann man nicht nicht nutzen, man ist User vom ersten Tag an.
Die Facebook-Mitgliedschaft ist freiwillig. Und Mark Zuckerberg hat keine
Wasserwerfer.
Wir leben in einem Land, in dem Politiker stolz darauf sind, vom Netz keine
Ahnung zu haben. Die Forschungsetats, die es in Deutschland für das
Internet gibt, würden gerade mal reichen, um in der Facebook-Kantine für
eine Woche Bio-Schawarma anzubieten.
Nicht Angst, Kompetenz ist die Lösung. Damit Sie auch morgen noch fröhlich
nackt baden können.
17 Dec 2010
## LINKS
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Streisand-Effekt
[2] http://www.seheichmichgezwungen.de/
[3] http://www.4chan.org/
[4] http://blippy.com/
## AUTOREN
Malte Welding
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
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