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# taz.de -- Aigner stellt Dioxin-Aktionsplan vor: "Hausaufgaben nicht gemacht"
> Schärfe Kontrollen, Positivlisten und härtete Strafen. Das sind einige
> der Auflagen, mit denen die Verbraucherministerin dioxinverseuchte
> Lebensmittel verhindern will.
Bild: In die Schweineställe soll nur noch geprüftes Futter kommen.
BERLIN/DÜSSELDORF dpa/afp/dapd | Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner
(CSU) hat ihr Krisenmanagement im Dioxin-Skandal gegen Kritik der
Opposition verteidigt. Am Freitag stellte Sie ihren schon länger erwarteten
[1]["Aktionsplan"] der Öffentlichkeit vor. Futtermittel für Masttiere
sollen künftig besser kontrolliert werden. Unter anderem soll künftig genau
vorgeschrieben und überprüft werden, welche Zutaten in das Tierfutter
kommen.
Die Bundesregierung will sich auch auf EU-Ebene für eine sogenannte
Positivliste für Futtermittel einsetzen - also einen umfassenden Katalog,
der genau festschreibt, welche Zutaten in Futtermittel ausschließlich
erlaubt sind. Berichte, wonach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
unzufrieden mit ihr sei, wies sie zurück. "Das stimmt nicht", sagte Aigner.
Vielmehr habe die Kanzlerin ihren Aktionsplan zur Bewältigung der Krise
ausdrücklich gebilligt.
Kritik kommt von ihrem Amtskollegen Johannes Remmel (Grüne) in
Nordrhein-Westfalen (NRW) Mit ihrem Krisenmanagement im Dioxin-Skandal
mache sich die Bundesverbraucherschutzministerin überflüssig. Die am
Freitag von der Ministerin vorgestellten Maßnahmen enthielten im Vergleich
zu dem vor einer Woche präsentierten Zehn-Punkte-Plan der Landesregierung
in Düsseldorf wenig Neues, sagte Remmel. Er sprach von Ideenklau: "Wenn das
alles ist, brauchen wir keine Bundesverbraucherschutzministerin. Das
schaffen die Länder auch alleine", hieß es in einer von ihm verbreiteten
Mitteilung.
Nach Aigners Vorstellungen sollen die Futtermittelhersteller künftig zur
Prüfung der Zutaten verpflichtet werden und die Ergebnisse melden. Geplant
ist neben der Zulassungspflicht auch eine vorgeschriebene
Haftpflichtversicherung. Schon bei Fahrlässigkeit sollen Strafen fällig
werden. Den Bundesländern will die Bundesministerin schlagkräftigere
Kontrollen vorgeben.
Die Behörden müssen nach den Aigner-Plänen künftig überhöhte Grenzwerte
zwingend im Internet auflisten. Außerdem sollen Privatlabors bedenkliche
Mengen melden müssen. Die Herstellung von Futterfett und technischem Fett
soll EU-weit getrennt werden. Auch ein Frühwarnsystem und eine Liste von
Futtermitteln sind geplant.
"Wir müssen die Sicherheitsstandards erhöhen", sagte Aigner. "Die Pflicht
der Futtermittelunternehmer zur Kontrolle ihrer Produkte wird deutlich
verschärft." Die Wirtschaft müsse sich an die Regeln halten. Aber auch die
Länderkontrollen müssten besser werden. "Das wird wohl auch zu einer
Verschärfung und zu einer Ausweitung der Kontrollen führen müssen."
Sicherheit dürfe keine Kostenfrage sein. Sie betonte: "Wir brauchen einen
Wettbewerb um die beste Kontrolle."
Im aktuellen Dioxin-Skandal sind mehr als ein Viertel der bisher getesteten
Eier mit dem Gift belastet. Das gab der Leiter für Lebensmittelsicherheit
im Bundesverbraucherministerium, Bernhard Kühnle, bekannt. Von 83 Proben
lägen 23 oberhalb des Höchstwertes. Bei Schweinefleisch sei von 33 Proben
eine über dem Dioxin- Höchstgehalt und eine am Höchstgehalt registriert
worden. Bundesweit sind noch 396 Betriebe gesperrt und werden auf
Dioxinbelastung untersucht. Aigner sieht weiterhin keine Gesundheitsgefahr.
Dioxinverdächtiges Schweinefleisch aus Sachsen-Anhalt ist auch nach
Tschechien und Polen gelangt, sagte der Abteilungsleiter. Es gebe aber
keine Chargen mehr, die zurückgeholt werden könnten. 180 Schweine, die
Dioxin-Futter bekamen und im Dezember von Niedersachsen nach Sachsen-Anhalt
geliefert wurden, sind inzwischen verarbeitet worden und wohl gegessen. Man
könne dieses Fleisch nicht mehr testen und auch nicht kalkulieren, ob es
belastet war.
Die Ministerin räumte Fehler in ihrer Reaktion auf den Dioxin-Skandal ein.
"Vielleicht hätte ich noch mehr kommunizieren müssen nach außen." Das müsse
aber Hand und Fuß haben. "Nein", sagte sie auf die Frage nach einem
Rücktritt. "In meinem Haus wurden alle Schritte eingeleitet, die wir
einleiten konnten."
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast, die in der rot-grünen Bundesregierung
für Verbraucherschutz zuständig war, hatte zuvor Aigners Entlassung
gefordert. Auch nach der Vorstellung des Aktionsplanes kritisierte Künast
die Verbraucherministerin scharf. "Die Hausaufgaben einer
Verbraucherschutzministerin sind nicht gemacht worden", sagte Künast am
Rand einer Grünen-Fraktionsklausur am Freitag in Weimar. Der Text des
Aktionsplanes sei viel zu "schwammig" formuliert worden. So solle es weiter
möglich bleiben, dass zum Beispiel ranziges Pommes-Fett in Futtermitteln
verwendet wird. Künast forderte, dass stattdessen nur zertifizierte Öle
verwendet werden dürfen. "Dieser Aktionsplan hätte meines Erachtens nach
auch von der Futtermittelwirtschaft selbst geschrieben werden können", so
Künast.
Auch die SPD im Bundestag hält die Vorschläge von
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) zum Eindämmen von Dioxin
in Lebens- und Futtermittel für unzureichend. "Sie läuft der Krise und den
notwendigen Maßnahmen weiter hinterher. Keine Aussage zum
Informantenschutz, zur Senkung der Grenzwerte, zur Beprobung aller
Lieferungen, zur Volldeklaration aller Inhaltsstoffe", sagte
SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber.
14 Jan 2011
## LINKS
[1] http://www.bmelv.de/cln_163/SharedDocs/Pressemitteilungen/2011/006-AI-Aktio…
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