# taz.de -- Dioxinskandal kostet 100 Millionen Euro: Bauern und Bürger bitte z… | |
> Bisher kostet der Giftskandal knapp 100 Millionen Euro. Landwirte und | |
> Behörden hätten das Geld gern von den Verursachern zurück. Aber die | |
> Chancen dafür stehen schlecht. | |
Bild: Test auf Dioxin-Belastung. | |
Im Dioxinskandal werden Landwirte und Steuerzahler wohl auf ihren Verlusten | |
und auf ihren Kosten sitzen bleiben. Denn gegen die Einkommensverluste sind | |
die Bauern nicht versichert. Und die Ausgaben der Behörden durch | |
zusätzliche Tests sind von den Verantwortlichen für den Skandal kaum | |
einzutreiben. | |
Auf "40 bis 60 Millionen Euro" schätzt Michael Lohse, Sprecher des | |
Deutschen Bauernverbands (DBV) den Schaden, der den Landwirten bisher durch | |
die Sperrung der betroffenen Höfe entstanden ist. Sie konnten Eier, Milch | |
oder Fleisch nicht absetzen. Außerdem sinken derzeit die Preise für Eier, | |
Geflügel, Schweinefleisch und Ferkel auf den Rohstoffmärkten, weil unter | |
dem Eindruck des Skandals die Kunden weniger dieser Nahrungsmittel | |
nachfragen. "Die Preise im Laden sinken aber nicht", sagt Lohse - zwischen | |
Bauern und Konsumenten wird also kräftig am Preisverfall durch den Skandal | |
verdient. | |
"Die Landwirte werden die Schäden jetzt bei ihren Futterlieferanten geltend | |
machen", so Lohse. Diese wiederum würden sich dann an den Betrieb Harles | |
und Jentzsch wenden, der das Dioxin in die Futterfette gemischt hat. Doch | |
der Betrieb in Uetersen hat am Dienstag Insolvenz angemeldet und könnte | |
einen Schadensersatz von "weit mehr als 100 Millionen Euro", wie es von den | |
Landwirtschaftsministerien der Länder heißt, wohl ohnehin nicht leisten. | |
Und selbst wenn das Unternehmen eine Haftpflichtversicherung hat - wenn er | |
das Fett vorsätzlich mit dem Gift versetzt hat, worauf immer mehr Meldungen | |
hindeuten -, wird die Versicherung dafür kaum zahlen. Mit ähnlich leeren | |
Händen stehen auch die Länder da. Sie beziffern ihre zusätzlichen Ausgaben | |
auf "mehrere Millionen", für den sie beim Verursacher Regressansprüche | |
anmelden. Insgesamt habe man "einige hundert" teure Dioxinproben zusätzlich | |
angeordnet, hieß es aus dem Umweltministerium in Nordrhein-Westfalen. Das | |
Geld wolle man grundsätzlich zurückhaben. Diese Rechnung wird aber wohl | |
niemand begleichen. | |
"Eine solche Art von Schaden ist bislang auf dem deutschen Markt nicht | |
versicherbar", erklärt Inge Neudahm von der R+V-Versicherungen, die über | |
ihre Filiale VTV europäischer Marktführer für spezielle Tierversicherungen | |
ist. Bauern seien vor Viehkrankheiten durch die "Tierseuchenkassen" der | |
Länder geschützt oder durch "Ertragsausfallversicherungen", die allerdings | |
bislang nicht viele Landwirte in Anspruch nehmen. Aber über eine | |
Versicherung gegen Dioxinschäden "wird erst jetzt aktuell nachgedacht", so | |
Neudahm. | |
Auch aus der Politik kommt derzeit wenig Hilfe für die Bauern. Von | |
Hilfsmitteln aus Steuergeldern spricht derzeit niemand, und | |
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) will sich eher auf | |
verstärkte Kontrollen der gesamten Produktkette konzentrieren. Ein Fonds | |
für solche Schäden, in den etwa die gesamte Futtermittelindustrie einzahlt, | |
ist derzeit nicht im Gespräch. Dagegen fordert das rot-grüne NRW eine | |
"Pflicht zur Haftpflicht" für die gesamte Kette der Futtermittelhersteller | |
- bisher gibt es die nämlich nicht. Wie teuer die billige Art der | |
Landwirtschaft werden kann, zeigte sich in der Vergangenheit bei den großen | |
Tierseuchen. | |
Beim Rinderwahnsinn BSE zahlten die deutschen Steuerzahler allein 2001 etwa | |
eine Milliarde Euro für Tötung von Rindern und Ausgleichzahlungen an | |
Landwirte, der volkswirtschaftliche Schaden durch die vernichteten Güter | |
lag noch deutlich höher. Die Maul- und Klauenseuche in Großbritannien im | |
gleichen Jahr sprengte alle Dimensionen: Die Tötung und Vernichtung von | |
infizierten Schafen und die Folgewirkungen auf die britische | |
Volkswirtschaft soll nach verschiedenen Angaben zwischen 16 und 50 | |
Milliarden Euro gekostet haben. | |
13 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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