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# taz.de -- Harles und Jentzsch meldet Insolvenz an: "Hohes Maß krimineller En…
> Die Firma Harles und Jentzsch meldet Insolvenz an. Der Verkauf
> dioxinbelasteter Fette als Futtermittel-Bestandteil soll "systematisch"
> abgelaufen sein. Es drohen Haftstrafen.
Bild: Manche Bauern wären froh, sie hätten auf die Power verzichtet: Firmenge…
HAMBURG taz | Der Uetersener Futterfett-Hersteller Harles und Jentzsch ist
am Ende. Das Unternehmen, Ausgangspunkt des bundesweiten Dioxinskandals,
hat am Mittwoch Insolvenz angemeldet. Nach Ansicht des
Bundeslandwirtschaftsministeriums brachte Harles und Jentzsch "mit einem
hohen Maß krimineller Energie" dioxinbelastete Futtermittelfette auf den
Markt.
Zwar liegen noch keine belastbaren Ergebnisse der staatsanwaltschaftlichen
Ermittlungen vor. Die Anzeichen, dass die Giftpanscherei mit Vorsatz und
System erfolgte, verdichten sich aber. Die Staatsanwälte ermitteln gegen
das Unternehmen unter dem Anfangsverdacht des Betrugs, der
Steuerhinterziehung und des Verstoßes gegen das Lebens- und
Futtermittelgesetz.
Das Unternehmen aus dem Kreis Pinneberg soll "Futtermittel, die die
menschliche Gesundheit beeinträchtigen können", wissentlich in Verkehr
gebracht haben, so Oberstaatsanwalt Ralph Döppner. Den Verantwortlichen
drohten hohe Geldbußen oder Haftstrafen von bis zu fünf Jahren.
Mit "kostengünstiger Rohwarenbeschaffung aus allen Teilen der Welt" warb
Harles und Jentzsch bis vor kurzem auf seiner inzwischen aus dem Netz
genommenen Homepage. Zutreffend, wie es scheint: Nach dem momentanen
Erkenntnisstand wurde ein eindeutig als "technische Mischfettsäure"
deklarierter Rohstoff nicht zu Industriefett weiterverarbeitet, sondern in
der Futtermittelproduktion verwendet.
Ein einträgliches Geschäft: Für eine Tonne Industriefett kassierte das
Unternehmen rund 500 Euro, für eine Tonne Futterfett aber das doppelte.
"Wir waren leichtfertig der Annahme, das die Mischfettsäure für die
Futtermittelherstellung geeignet sei", sagt der Geschäftsführer des
Unternehmens Siegfried Sievers, schweigt sich ansonsten aber unter Hinweis
"auf das laufende Verfahren" aus. Das Bundesamt für Verbraucherschutz
hingegen hält die rechtlichen Vorgaben für eindeutig. Die Fettsäuren hätten
"nie für Tierfutter verwendet werden dürfen".
Erschwerend kommt hinzu, dass das Unternehmen bei Eigenkontrollen bereits
im März 2010 erstmals Dioxin-Überdosierungen feststellte, diese aber nicht
der zuständigen Aufsichtsbehörde meldete. Die erfuhr erst am 27. Dezember
von den Dioxinfunden. Um die Giftfunde zu verschleiern, soll die Firma die
dioxinhaltigen Fette so lange verdünnt haben, bis die Grenzwerte
eingehalten wurden. Damit das Kontrolllabor nicht Alarm schlagen konnte,
sollen die belasteten Proben umdeklariert und als technischen Fette
eingeschickt worden sein.
Das Dioxin soll über die illegale Mischanlage eines Firmenpartners, der
Spedition Lübbe Transport und Logistik GmbH im niedersächsischen Bösel, in
das Tierfutter gelangt sein. Da die Mischanlage offensichtlich weder
registriert noch genehmigt war, seien amtliche Kontrollen ausgeblieben, so
das Landesamt für Verbraucherschutz. Die Geschäftsführung der Spedition
bestreitet alle bislang erhobenen Vorwürfe.
Laut Kieler Landwirtschaftsministerium verkaufte Harles und Jentzsch schon
seit März 2010 dioxinbelastetes Fett an Händler. Ministeriumssprecher
Christian Seyfert sagte, aus den Monaten März, Mai und September 2010 gebe
es belastete Proben, die seiner Behörde verschwiegen worden seien.
3.000 Tonnen dioxinbelastetes Futterfett wurden laut Bundesamt für
Verbraucherschutz von Harles und Jentzsch allein zwischen dem 12. November
und 23. Dezember an Futtermittelhersteller geliefert. Infolge dessen waren
allein in Niedersachsen 4.400 Höfe gesperrt worden. Ein Großteil von ihnen
wurde mittlerweile wieder freigegeben.
Inzwischen sind die dioxinverseuchten Fettsäuren am Ende der Nahrungskette
angelangt. Der Landkreis Verden teilte mit, dass von Ende November bis Ende
Dezember 2010 Fleisch von rund 150 Schweinen, die das dioxinbelastete
Futter erhalten hatten, auf den Markt gelangt sei. Der Verdener
Schweinemastbetrieb, bei dem am Dienstag bei einer Probeschlachtung erhöhte
Dioxinwerte festgestellt wurden, gehörte zu den Kunden von Harles und
Jentzsch. "Wir versuchen, die Spur des Fleisches zurückzuverfolgen, um es
möglicherweise noch aus dem Verkehr zu ziehen", sagte der Verdener
Veterinär Peter Rojem. Dafür ist es in vielen Fällen zu spät.
12 Jan 2011
## AUTOREN
Marco Carini
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