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# taz.de -- Aigner will Daten im Netz löschen: "Digitaler Radiergummi" radiert…
> Ministerin Aigner setzt ihre Aufräumkampagne im Netz fort - mit
> Unterstützung von Informatikern. Ihr "digitaler Radiergummi" hat
> technische Probleme und sorgt für Kritik.
Bild: Foto mit Verfallsdatum: Software X-Pire im Einsatz.
Schon der Name entbehrt nicht einer gewissen Absurdität: "Digitales
Radiergummi" nennt Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner eine neuartige
Technik, die dem Bürger im Internet mehr Kontrolle über seine Daten geben
soll. Dabei löscht, das weiß doch jedes Kind, der gute, alte "Ratzefummel"
höchstens milde Bleistiftstriche, schon bei Kugelschreiberspuren wird es
schwierig.
Was die [1][Dioxin-geplagte] CSU-Politikerin am Dienstag in Berlin von
Saarbrücker Informatikern [2][vorstellen ließ], soll ein vermeintliches
Grundproblem des Netzes lösen. Denn es wird immer schwieriger, einmal ins
Internet gelangte Daten wieder herauszubekommen - seien es Partybilder von
Jugendlichen im sozialen Netzwerk, die der Personalchef besser nicht sehen
sollte oder ein im Blog hinterlassenes Wutschreiben.
Oft reicht es nicht aus, in Netzwerken oder Weblogs einfach auf den
Löschknopf zu drücken. So bleiben, wie mehrere [3][Studien] herausfanden,
Bilder bei Facebook gerne über Monate auf Servern liegen, die eigentlich
zur Beschleunigung der Datenauslieferung ("Content Delivery Network", CDN)
dienen. Der Blog-Eintrag lässt sich wiederum nicht selten auch nach
Rücknahme des Postings weiter bei Google finden - über dessen
Archivfunktion (Cache).
Die Software für Aigners "digitales Radiergummi" nennt sich [4][X-Pire].
Bei der Herstellerfirma handelt es sich um eine Ausgründung des Lehrstuhls
für Informationssicherheit und Kryptografie an der Universität des
Saarlandes. Die Software baut auf der Vorstellung auf, dass Bilder im Web
nach einem gewissen Zeitraum nicht mehr sichtbar sein sollen. Um dieses
Ziel zu erreichen, werden sie anfangs verschlüsselt. Ein zentraler Server
liefert anschließend an anfragende Rechner nur so lange Schlüssel zum
Dekodieren der Bilder aus, wie derjenige, der die Bilder eingestellt hat,
es wünscht. Danach ist nur noch eine Aufnahme in schlechter Qualität zu
sehen.
Wenn X-Pire fertig ist - aktuell liegt ein Prototyp vor - soll die Software
für einen Preis von bis zu 10 Euro pro Monat angeboten werden. Günstig ist
das nicht. Und es gibt einen großen Nachteil: Das System funktioniert nur
dann, wenn möglichst viele Nutzer ein Zusatzprogramm (Plugin) für den
Browser Firefox installieren, ansonsten sind über X-Pire mit einem
Verfallsdatum versehene Aufnahmen überhaupt nicht beziehungsweise nur in
schlechter Qualität zu sehen, weil sie nicht entschlüsselt werden können.
Der Blogger und Netzexperte [5][Kristian Köhntopp] ist daher skeptisch. In
der Implementation als Browser-Plugin und in der Tatsache, dass der
zentrale Schlüsselserver alles mitspeichern kann, erkennt er
Sicherheitsprobleme. Eine echte Löschung finde zudem gar nicht statt. "Die
Tatsache, dass der Keyserver nach dem Verstreichen eines Verfallsdatums den
Schlüssel nicht mehr ausliefert, heißt nicht, dass der Schlüssel nicht mehr
existiert", sagte Köhntopp der taz. Dies sei für Ermittlungsbehörden und
andere praktisch, die auf diese Weise "auch auf bereits vermeintlich
gelöschte Daten noch bequem zugreifen können".
Wer die eigenen Daten im Netz selbst kontrollieren will, kann das auch ohne
digitale Radiergummis jetzt schon tun - auch wenn es mühselig sein kann.
Wird das eigene Blog samt Fotos auf einem eigens angemieteten Server
gelagert, lässt sich das Zwischenspeicherproblem bei Facebook und Co.
vermeiden. Sicherungskopien, die der Serverbetreiber vorhält, kann man
löschen lassen.
Wenn es sich um den eigenen Server handelt, lässt sich auch verhindern,
dass Google und anderen Suchmaschinen Daten in ihren Cache
(Zwischenspeicher) packen. Im Bereich der Online-Netzwerke muss es ja nicht
immer Facebook sein: [6][Das freie Netzwerk] [7][Diaspora] ist darauf
zugeschnitten, dass Daten lokal und unter direkter Kontrolle der Nutzer
vorgehalten werden. Das vermeidet Überraschungen.
12 Jan 2011
## LINKS
[1] /1/zukunft/konsum/artikel/1/die-boese-industrie-soll-buessen/
[2] /1/netz/netzpolitik/artikel/1/verfallsdatum-per-firefox-erweiterung/
[3] /1/netz/artikel/1/das-gedaechtnis-von-facebook-co/
[4] http://www.x-pire.de/
[5] http://blog.koehntopp.de/archives/2999-Das-Radiergummi-fuers-Internet-ein-S…
[6] /1/netz/netzkultur/artikel/1/ein-erster-blick-aufs-anti-facebook/
[7] http://joindiaspora.com/
## AUTOREN
Ben Schwan
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
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