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# taz.de -- Zukunft der NRW-Regierung: Viele Wege führen zu Rot-Grün
> Ministerpräsidentin Hannelore Kraft spielt auf Zeit. Denn die
> Haushaltsschlappe vor dem Verfassungsgericht könnte Rot-Grün zu einer
> Mehrheit verhelfen. Eine Analyse.
Bild: Die Unterschrift ist kaum getrocknet, da gibt`s die erste Bewährungsprob…
Die rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen macht weiter,
auch nach der Schlappe vor dem Landesverfassungsgericht. Die Frage ist
allerdings: Wie lange noch?
Eindringlich betonen die Spitzen von SPD und Grünen, die einstweilige
Anordnung aus Münster präjudiziere noch keine Entscheidung in der
Hauptsache. Bedeckt halten sie sich jedoch mit Aussagen, was für Folgen es
für Rot-Grün hätte, wenn die Verfassungsrichter den Nachtragshaushalt 2010
im März oder April tatsächlich für verfassungswidrig erklären. Sie wolle
erst das endgültige Urteil aus Münster abwarten, "dann werden wir daraus
gegebenenfalls Konsequenzen ziehen", sagte Ministerpräsidentin Hannelore
Kraft (SPD) am Donnerstag im Landtag nebulös.
Hinter den Kulissen werden verschiedene Szenarien durchgespielt. Denn es
gehören keine besonderen prophetischen Gaben dazu, um vorauszusagen, dass
das Verfassungsgericht den Nachtragsetat zumindest in Teilen kassieren
wird. Die Hinweise in dem Beschluss vom Dienstag sind deutlich, dass es die
zusätzliche Kreditaufnahme um rund 1,8 Milliarden Euro auf 8,4 Milliarden
Euro zwecks Rücklagenbildungen und Zuführungen zu Sondervermögen für nicht
zulässig hält.
Dies hätte zwangsläufig Folgen - für die Haushalte dieses und der folgenden
Jahre. Wie weitgehend diese wären, ist allerdings umstritten. Politisch
würde es auf jeden Fall schwierig: Schon jetzt versucht die schwarz-gelbe
Opposition die rot-grüne Minderheitsregierung als Schuldenweltmeister zu
desavouieren, der das Geld verschleudert, um sich die Zustimmung der
Linkspartei zu erkaufen.
Noch verfängt dies nicht. SPD und Grüne halten dagegen, dass sie mit dem
Nachtragshaushalt nur die Abschlussbilanz der vergangenen schwarz-gelben
Regierungszeit vorgelegt haben. Beim Haushalt 2011, den derzeit das
Kabinett berät, trägt die Argumentation indes nicht mehr. Er sieht eine
Nettoneuverschuldung von 7,8 Milliarden Euro vor und würde wieder die von
der Verfassung gesetzte Obergrenze deutlich überschreiten.
Im Falle eines für sie negativen Richterspruchs befänden sich SPD und Grüne
in einem Dilemma: Sie könnten weder so weitermachen wie bisher noch auf
einen Sparkurs umschwenken. Dann verlören sie nicht nur ihre Tolerierung
durch die Linkspartei. Sie könnten auch ihre Wählerschaft verprellen, wenn
sie Wahlversprechen wie ein beitragsfreies Kita-Jahr oder die Abschaffung
der Studiengebühren kassieren.
Auch wenn in der CDU manche mit der Idee einer großen Koalition spielen und
die FDP sich plötzlich offen für eine Ampel zeigt: SPD und Grüne wären
verrückt, wenn sie sich darauf einließen, sich mit einer der im Mai 2010
abgewählten Parteien zusammenzutun, um einen derartigen Wählerbetrug zu
begehen.
Der Ausweg wären vorgezogene Neuwahlen. Angesichts des Umfragehochs für
Rot-Grün könnte die Koalition auf eine stabile Mehrheit hoffen. Die Grünen
streben schon länger danach, die SPD zögert noch, hat sie doch Angst vor
einem allzu gestärkten grünen Partner. Aber für sie dürften starke Grüne
das kleinere Übel sein - zumal unklar ist, wie lange der rot-grüne
Höhenflug noch andauert.
So kreisen die Überlegungen in den beiden Parteien vor allem um den
richtigen Zeitpunkt für Neuwahlen. Noch im Frühjahr, direkt nach dem
Münsteraner Urteil? Dagegen spricht, dass dann Rot-Grün mit dem Makel eines
negativen Richterspruchs in den Wahlkampf ziehen müsste. Oder etwas später
im Zusammenhang mit der Abstimmung über den Haushalt 2011? Erhält Rot-Grün
für ihn keine Mehrheit im Parlament, wäre der Weg frei.
Denn dann könnte sich nach Ankündigungen ihres Landesvorsitzenden Norbert
Röttgen auch die CDU kaum noch gegen Neuwahlen stimmen.
Es gibt noch eine dritte Variante: Rot-Grün setzt im Haushalt 2011 zentrale
Wahlversprechen wie die Abschaffung der Studiengebühren um, erhält für ihn
eine Mehrheit - und lässt die Koalition erst beim Haushalt 2012 platzen.
Dann könnte es im Frühjahr 2012 Neuwahlen geben.
20 Jan 2011
## AUTOREN
Pascal Beucker
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