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# taz.de -- Vertreter der Netzindustrie über Vorratsdaten: "Dann ist das Postg…
> Die Koalition streitet über die Speicherung von Daten. Michael Rotert vom
> Verband der deutschen Internet-Wirtschaft über Quickfreeze, die
> 7-Tage-Speicherregel und andere Ideen.
Bild: Michael Rotert sieht keine Notwendigkeit, mit der Vorratsdatenspeicherung…
taz: In der Debatte um die vom Bundesverfassungsgericht abgelehnte
Vorratsspeicherung scheinen fast täglich neue Kompromissvorschläge auf den
Tisch zu kommen. Zuletzt wurde angeregt, eine Art "Vorratsdatenspeicherung
light" einzuführen - mindestens sieben Tage wird alles gesichert. Was
halten Sie davon?
Michael Rotert: Was allen Varianten bisher gemeinsam ist, ist die Tatsache,
dass die Auflagen des Bundesverfassungsgerichts bisher in keiner Variante
erfüllt werden. Gelöst wurde weder die Verschlüsselung noch die Herausnahme
schützenswerter Gruppen bei der Speicherung der IP-Adressen. Ebenso fehlt
es an einer klaren Zweckbestimmung im Sinne eines Straftatenkataloges -
etwa Schwerstkriminalität, Terrorismus und so weiter - und einer Begrenzung
der abfrageberechtigen Stellen.
Noch nicht einmal die zu speichernden Daten sind genau definiert. Auch wenn
die Wiedereinführung einer Vorratsdatenspeicherung - abhängig von der
konkreten Ausgestaltung - laut Bundesverfassungsgericht angeblich
verfassungskonform sein könnte, so sehen wir als Verband aus der Historie
noch nicht einmal die Notwendigkeit einer Vorratsdatenspeicherung.
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hatte sich stets gegen
die Vorratsdatenspeicherung gewandt und damit auch Internet-Nutzer zu
FDP-Wählern gemacht. Ist die neue Taktik ein Umfallen?
Ja, es gibt einen Vorschlag und ein dazugehöriges Eckpunktepapier. Der
Vorschlag der Justizministerin ist einer von vielen, lässt aber noch viele
Fragen offen und einige Punkte des Eckpunktepapiers sehen wir durchaus
äußerst kritisch. Ein weiterer Vorschlag ist der sogenannte "Quickfreeze",
bei dem die Daten von Verdächtigten nach Aufforderung gesichert werden. Ist
diese Methode adäquater? Sie sprechen von dem Quickfreeze, aber eigentlich
haben wir mehrere Varianten des sogenannten Quickfreeze-Verfahrens - wobei
es dabei erhebliche Unterschiede gibt. Allen gemeinsam aber ist, dass alle
Verfahren nur manuell bedient, also nicht automatisiert werden können,
einen hohen Personalaufwand fordern und enorme Betriebskosten mit sich
bringen können. Auch fehlen bei allen bisher angedachten Modellen die
Zweckbestimmung der Daten und eine Regelung, wer zugreifen darf. Genau
diese Dinge werden aber die Kostentreiber sein.
Was erwarten Sie für Ihre Mitgliedsfirmen, wenn "Quickfreeze", wahlweise
ergänzt um die 7-Tages-Regel, kommt?
Die Sonderregelung, bei der 7 Tage lang nur die IP-Adresse gespeichert
wird, erscheint uns wenig schlüssig. Und völlig unklar ist die Verwendung
solcher Datenfragmente. Wie gesagt, auch ein Quickfreeze-Verfahren ist,
abhängig von der Ausgestaltung, kritisch zu sehen und kann über eine
Vorratsdatenspeicherung sogar hinausgehen.
Die Polizei sagt, sie müsse Methoden haben, Daten zu erhalten. Durch die
fehlende Vorratsdatenspeicherung entstünde eine Schutzlücke.
Natürlich sind wir für eine Strafverfolgung und Bestrafung der Täter, egal
ob über das Internet oder andere Wege. Die Frage ist doch, wird dafür
tatsächlich eine anlasslose Datenspeicherung aller Bürger auf Vorrat
benötigt? Es gab in der Vergangenheit und es gibt auch noch heute andere
Verfahren, um Täter zu überführen. Mir scheint es hier, dass die
Vorratsdatenspeicherung nur dazu dienen soll, bei den Strafverfolgern
weiteres Einsparpotential zu haben, denn die Kosten dafür sind enorm.
Schaut man sich aber die Komplexität und Technik bei der Verfolgung über
das Internet an, so muss der Staat mindestens ebensoviel in Personal und
Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden investieren, damit diese mithalten
können und die für teures Geld gespeicherten Daten auch sinnvoll nutzen
können. Hier ist wohl viel eher die Schutzlücke zu suchen. Vielleicht hatte
man aber auch die Idee, dass die Internet Service Provider zumindest
teilweise die Behördenaufgaben übernehmen sollen?
Wenn man sich die Auswirkungen der Vorratsdatenspeicherung betrachtet, die
ja wirklich die gesamte Bürgerschaft inklusive aller Geheimnisträger
betrifft - warum gibt es hier in der Bevölkerung nicht noch mehr
Widerstand?
Wir sind ja erst am Anfang der Diskussion und der eco e.V. ist hier als
Vertreter der Internet-Unternehmen zu sehen. Aber schon beim
Zugangserschwerungsgesetz hat sich gezeigt, dass am Ende die Verbände eng
zusammengearbeitet haben und damit die Bürger soweit informiert werden
konnten, dass sie Widerstand leisteten.
Wie weit ist der Aufbau der Infrastruktur für die Vorratsdatenspeicherung
bei Ihren Mitgliedern und im Internet-Sektor allgemein gekommen? Was haben
Sie investiert?
Das ist in der Tat eine missliche Entwicklung, denn erst haben die Provider
in den Aufbau einer nutzlosen Vorratsdatenspeicherung investiert, nur um
danach mindestens ebenso viel in den Abbau und die Datenvernichtung zu
investieren. Jetzt soll ein drittes Mal investiert werden und wenn man alle
Auflagen des Bundesverfassungsgerichts erfüllen will, wird es deutlich
teurer als alles bisher zusammengenommen. Dabei darf man nicht vergessen,
dass für Gesetze der Telekommunikationsüberwachung in der Vergangenheit
bereits viel investiert werden musste und die Daten daraus würden
ausreichen. Jetzt diskutieren wir erneut sowohl in Deutschland als auch in
Europa. Nach den bisherigen Erfahrungen ist nicht ausgeschlossen, dass sich
auch der Europäische Gerichtshof damit befassen wird und das
Bundesverfassungsgericht erneut. Letztlich sind die Unternehmen die
Leidtragenden, denn sie haben keinerlei Planungssicherheit und es stellt
sich natürlich die Frage, wer zahlt die Zeche? Was insbesondere die
Internet-Wirtschaft benötigt sind verlässliche Rahmenbedingungen und eine
kalkulierbare Politik. Nur dann kann sie weiterhin als Motor für den
Aufschwung fungieren.
Derzeit geht es bei der Vorratsdatenspeicherung um Verbindungsdaten, wer
wann mit wem kommuniziert hat - per Telefon und per E-Mail, ergänzt um
Zuordnungsdaten, wer wann wo im Netz eingewählt war. Das klingt auf den
ersten Blick relativ harmlos, sind dabei doch keine Inhalte erfasst. Ist es
das?
Auch wenn keine Inhalte erfasst werden, so ist es den Behörden durchaus
möglich, über Kombination mit vorhandenen Daten, beispielsweise dem
Melderegister, mehr Informationen über die Korrelation dieser Daten
herauszufinden als man gemeinhin denkt. Ein gutes Beispiel dafür ist etwa
die Erfassung der Standortdaten beim Mobilfunk - das geht durchaus auch mit
IP-Adressen, wenn vielleicht auch nicht immer so genau.
Gibt es Begehrlichkeiten seitens der Politik, auch Inhalte zu speichern?
Aus Großbritannien sind etwa Forderungen zu hören, mal eben alle
angesurften URLs zu sichern, wenn man die Infrastruktur schon hat.
Natürlich gibt es derartige Begehrlichkeiten. Die Gefahr liegt dabei in der
Verwendung derartiger Daten. Wo es heute noch um unliebsame, illegale
Inhalte wie etwa kinderpornographische Darstellungen geht, kann schon
morgen die Verwendung eine andere sein. Sollte sich so etwas durchsetzen,
dann ist damit eigentlich auch das Fernmelde- und Postgeheimniss passé. Je
nachdem, welcher Provider diese Daten erheben muss, kann es dabei
eigentlich um den gesamten Inhalt gehen, nicht nur um URLs - denn um diese
rauszufischen muss man ganz tief in die Datenpakete gehen. Die
Investitionen für Provider und Behörden für eine derartige
Überwachungsinfrastruktur möchte ich erst gar nicht abschätzen.
3 Feb 2011
## AUTOREN
Ben Schwan
## TAGS
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