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# taz.de -- Regierung, Banken und die Schuldenfalle: Wie Irland ruiniert wurde
> Die Regierung und die Banken in Dublin haben das Land ruiniert und in die
> Schuldenfalle geführt. Das zeugt von krimineller Energie. Die
> Verantwortlichen sind bekannt.
Bild: Pferd, aufgenommen in Poolbeg, Dublin.
Irland ist pleite, und die Regierung wird am 25. Februar abgewählt. Das
steht fest. Aber es könnte ein juristisches Nachspiel geben. Die Regierung
hat sich offenbar des betrügerischen Bankrotts schuldig gemacht. Die
März-Ausgabe der US-Zeitschrift Vanity Fair berichtet, dass die
Investmentbank Merrill Lynch bereits im März 2008 in einem Bericht vor dem
Zusammenbruch der irischen Banken warnte, weil die den Bauunternehmen das
Geld nachwarfen. Der Bericht wurde noch am selben Tag zurückgezogen: Die
irischen Banken hatten gedroht, ihre Geschäftsbeziehungen mit Merrill Lynch
abzubrechen. Der Autor des Berichts, Phil Ingram, musste nach der Übernahme
der Investmentbank durch die Bank of America im September 2008 seinen Hut
nehmen.
In demselben Monat veröffentlichte Merril Lynch einen völlig anderen
Bericht. "Alle irischen Banken sind profitabel und gut kapitalisiert", hieß
es darin. Für den siebenseitigen Bericht kassierte Merrill Lynch 7
Millionen Euro von der irischen Regierung - 1 Million pro Seite. Die
Investmentbank hatte freilich selbst ein Interesse daran, die irischen
Banken gesundzureden, war sie doch einer der Hauptzeichner der irischen
Anleihen. Irlands Finanzminister Brian Lenihan, der den ersten Bericht mit
Sicherheit kannte, ergriff die Gelegenheit und sprach eine Bankengarantie
aus, kaum dass der aufgehübschte Bericht auf dem Tisch lag.
Seine Partei, Fianna Fáil, war schon immer eng mit der Bau- und
Bankenindustrie verbandelt. Man pflegt auch gern private Kontakte. Kurz vor
der Bankengarantie hatte Premierminister Brian Cowen mit seinem Freund Seán
FitzPatrick, dem unter Betrugsverdacht stehenden Chef der bankrotten Anglo
Irish Bank, eine Runde Golf gespielt und danach gemeinsam mit einigen
anderen hochrangigen Bankiers im Clubhaus diniert. Über die Bankengarantie
wurde dabei nicht gesprochen, behauptet Cowen allen Ernstes.
"Die privaten Anleihebesitzer hatten überhaupt nicht erwartet, dass die
irische Regierung ihr Geld retten würde", schreibt der ehemalige
Anleihenhändler Michael Lewis in Vanity Fair. "Die Leute hatten eine
private Wette abgeschlossen, die sie verloren hatten, und sie rechneten
nicht damit, dass sie ihr Geld komplett zurückbekämen - von den irischen
Steuerzahlern." Ein Händler bei Merrill Lynch habe versucht, die irischen
Anleihen für die Hälfte ihres ursprünglichen Wertes abzustoßen, blieb aber
auf ihnen sitzen. Als er von der Bankengarantie erfuhr, konnte er sein
Glück kaum fassen, schreibt Lewis.
Diese Bankengarantie entpuppte sich als Fass ohne Boden. Die Banken rückten
mit ihren roten Zahlen nur zögerlich heraus, die Summe stieg beinahe
täglich, und ein Ende ist nicht abzusehen. Der irische Wirtschaftsprofessor
Morgan Kelly, der mit seinen Prognosen seit Jahren ziemlich richtig liegt,
prophezeit, dass es sich um 106 Milliarden Euro handeln wird. Dieses Geld
kann Irland nicht zurückzahlen. Das glaubt auch ein US-amerikanisches
Unternehmen für Bonitätsbeurteilung: Es hat Irland, das noch vor wenigen
Jahren zu den reichsten Ländern der Welt gehörte, an die dritte Stelle der
Länder gesetzt, die ihren finanziellen Verpflichtungen wahrscheinlich nicht
nachkommen können. Eigentlich werden diese Ränge nur von Drittweltländern
belegt. Inzwischen ist selbst der Irak kreditwürdiger als Irland.
6 Feb 2011
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
Ralf Sotscheck
## TAGS
Irland
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