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# taz.de -- Verteidigungsminister vor dem Bundestag: Hochmut ohne Fall
> Fehler, Fehler, Fehler: Verteidigungsminister zu Guttenberg verteidigt
> sich im Bundestag, räumt "Hochmut" ein – und erntet die Häme der
> Opposition.
Bild: Hat sich selbst Überlastung attestiert: Karl-Theodor zu Guttenberg im Bu…
Was für ein ungeschickter Satz. Die Opposition johlt, der Minister schließt
kurz seine Augen. "Ich habe mich am Sonntag erstmals mit der Arbeit
befasst", hat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg gerade vor
dem Plenum gesagt, es ist der Satz, der im Bundestag für Momente die
Lautstärke nach oben schnellen lässt. Der CSU-Minister versucht zu retten:
"Nach den Vorwürfen", sagt er. Es dauert, bis sich die Parlamentarier
wieder beruhigt haben.
Mittwochnachmittag, Verteidigungsminister Guttenberg muss sich das erste
Mal im Plenum wegen der Plagiatsvorwürfe im Zusammenhang mit seiner
Doktorarbeit verteidigen. Nicht vor ausgewählten Pressevertretern wie am
Freitag. Nicht vor Volker Bouffier und Roland Koch von der hessischen CDU
wie am Montag beim Kommunalwahlkampf. Sondern vor dem von Guttenberg
ungeliebten Parlament, in der Fragestunde des Deutschen Bundestags. Lange
war offen, ob Guttenberg überhaupt erscheinen würde.
Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin hakt nach: "Würden Sie die
Vorwürfe immer noch als ,abstrus' bezeichnen, wie in der vergangenen
Woche?" Guttenberg sagt, die Aussage gelte immer noch, er habe "nicht
bewusst" abgekupfert. Wer rede wie Trittin, müsse aufpassen, nicht "in üble
Nachrede abzudriften". Guttenberg versucht den Gegenschlag. Schließlich ist
Angriff die beste Verteidigung.
Guttenberg zu Trittin: "üble Nachrede"
Zur entscheidenden Frage entwickelt sich an diesem Mittwoch der Streit
darüber, ob Guttenberg unabsichtlich oder eben mit Vorsatz abgekupfert hat.
Die Frage ist von immenser Bedeutung. Denn wenn Guttenberg zugeben würde,
dass er bewusst abgeschrieben hat, dann hätte er eine Straftat begangen.
Kurioserweise wäre dies strafrechtlich noch gravierender, als wenn eine
dritte Person die Arbeit geschrieben hätte. Also verteidigt sich der
Verteidigungsminister in diesem Punkt vor dem Bundestag mit allem, was er
hat.
Die Grünen-Abgeordnete Krista Sager versucht es noch einmal: "Sie können
uns nicht erzählen, dass Sie nicht wussten, dass Sie in der Einleitung
fremde Texte benutzen – wollen Sie uns für dumm verkaufen?"
Krista Sager: "Wollen Sie uns für dumm verkaufen?"
Doch Guttenberg spricht von "unbewussten Fehlern", zieht sich sinngemäß
darauf zurück, dass nur er selbst wisse, ob etwas mit Vorsatz geschehen
sei. Sager hakt noch einmal nach. Doch die Frage, ob es möglich ist, dass
ein Minister die ersten Absätze einer Einleitung zur eigenen Arbeit
unabsichtlich übernimmt, lässt Guttenberg unbeantwortet. Und dass diese
Absätze aus einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung stammen, ist
unbestritten.
Ständig wiederholt Guttenberg an diesem Tag seine "eigenen Fehler", spricht
auch in der folgenden Rede davon, dass "ein Mensch vor Ihnen steht mit
Fehlern". Fehler, Fehler, Fehler. Guttenberg sagt es immer wieder. Zwei
Tage zuvor hat ihm diese Form des Eingeständnisses in Hessen Jubel und
Beifall eingebracht. Also versucht er es so auch vor dem Bundestag.
Guttenberg: "Ich war so hochmütig, zu glauben"
Es wird eine Form von Selbstkritik, die schwer von Selbstüberhöhung zu
unterscheiden ist. "Ich war so hochmütig, zu glauben", sagt der Minister,
Familie, Wissenschaft und Politik gleichzeitig bewältigen zu können. Das
sei leider misslungen, aber "kein Grund für Häme".
Die Opposition will wissen, wie Guttenberg mit den Texten des
Wissenschaftlichen Dienstes umgegangen ist. Denn dies berührt direkt
Belange des Parlaments. Guttenberg gesteht "einen Formfehler" zu, weil er
es versäumte, eine Genehmigung einzuholen. Daraus, so der Minister munter,
"können wir alle lernen" - so wird aus seiner Fälschung der Dissertation
ein lehrreiches Beispiel für den Bundestag. Auch dass an den
Bundeswehrhochschulen grobe Verstöße gegen akademische Regeln hart bestraft
werden, beeindruckt Guttenberg nicht. Dass er als Konsequenz aus seinen
Fehlern freimütig auf den Doktortitel verzichtet habe, sei vielmehr
"beispielgebend für andere".
Thomas Oppermann: "Sie opfern die Wahrheit für die Macht"
SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann wirft dem Minister in seiner
Rede vor, mittlerweile habe sich die Anzahl der Dokumente des
Wissenschaftlichen Dienstes, die er genutzt habe, von vier auf sechs
erhöht. "Sie opfern die Wahrheit für die Macht", sagt Oppermann, "aber
damit werden Sie nicht durchkommen."
##
23 Feb 2011
## AUTOREN
Gordon Repinski
Stefan Reinecke
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