# taz.de -- Guttenberg in Kelkheim: "Hells Bells" mit der Senioren-Union | |
> Im hessischen CDU-Homeland Kelkheim räumt Guttenberg Fehler ein – "ganz | |
> bewusst hier vor dem Volk". Das Publikum feiert ihn mit | |
> Fassenachts-"Raketen". | |
Bild: "Original Guttenberg, und kein Plagiat": Der Verteidigungsminister will M… | |
KELKHEIM taz | "Dr. No! Go!" Genau das hatte sich einer der wenigen | |
Demonstranten aus den Reihen von Grünen, Linken und Sozialdemokraten, die | |
am späten Montagabend mit rot gefrorenen Nasen vor der Stadthalle in | |
Kelkheim am Taunus auf die Ankunft von Bundesverteidigungsminister Dr. Karl | |
Theodor zu Guttenberg warteten, in weiser Voraussicht auf sein Pappschild | |
geschrieben. Nur zwei Stunden später gab der von knapp 1000 Anhängern und | |
Parteifunktionären der CDU Hessen trotz aller, seine Doktorarbeit | |
betreffenden Plagiatsvorwürfe frenetisch gefeierte Gastredner auf dem 11. | |
Valentinstreffen der Union Kelkheim "in Demut" dann tatsächlich bekannt, | |
auf die Führung des Doktortitels in seinem Namen zukünftig zu verzichten. | |
Das schmerze zwar. Doch beim Verfassen seiner Promotionsarbeit seien ihm | |
"gravierende Fehler" unterlaufen, die den "wissenschaftlichen Kodex nicht | |
erfüllen" würden, räumte zu Guttenberg zerknirscht und "ganz bewusst hier | |
vor dem Volk und nicht vor der Hauptstadtpresse" ein. Er habe in den sechs | |
bis sieben Jahren, die er für das Schreiben seiner Doktorarbeit gebraucht | |
habe, eben "einfach den Überblick über die Quellen verloren". Das tue ihm | |
"von Herzen leid", vor allem für die Universität Bayreuth und auch für | |
seinen Doktorvater, bei dem er sich jetzt "entschuldigen" müsse. Aber er | |
sei eben "auch nur ein Mensch mit Fehlern und Schwächen". | |
Aber ganz bestimmt auch nicht der "Selbstverteidigungsminister" (zu | |
Guttenberg). Im mehrheitlich mit älteren Menschen (60 plus) bis zum letzten | |
Stehplatz gefüllten Saal ist da die erste "Rakete" – ein Fassenachtsbrauch | |
– fällig. Und der "immer noch beliebteste Politiker Deutschlands, zu dem | |
wir weiter freund- und kameradschaftlich stehen", so der hessische | |
Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), legt zur Gaudi des Auditoriums | |
auch gleich noch ordentlich nach: Er sei der "Original Guttenberg, und kein | |
Plagiat". | |
"Oberfränkische Wettertanne" im Kanther-Homeland | |
Und er versichert, dass ihn, die "oberfränkische Wettertanne", ein solcher, | |
"hauptsächlich von den Medien entfachter Sturm", nicht umhauen werde. Genau | |
das wollen sie hören im Homeland von Roland Koch, der gleich um die Ecke in | |
Eschborn wohnt und zum politischen Valentinstag der Kelkheimer | |
Parteifreunde gekommen ist. "Hinstehen statt wegducken!" Das ist | |
schließlich schon seit den Zeiten der erzkonservativen "Stahlhelmer" und | |
Parteivorsitzenden Alfred Dregger und Manfred Kanther die Parole der | |
hessischen CDU. | |
"Man bleibt an Deck, auch wenn es gelegentlich absurd wird", verkündet denn | |
auch der für die Bundesmarine und deren Segelschulschiff Gorch Fock die | |
politische Verantwortung tragende zu Guttenberg süffisant. Er jedenfalls | |
wolle das ihm übertragene Amt des Bundesverteidigungsministers "mit aller | |
Kraft weiter anständig ausfüllen". Vom begeisterten Publikum wurde die | |
nächste Rakete gezündet. Zu Guttenberg, dem vom Vize der Kelkheimer CDU, | |
Thomas Weck, ein Glas Wasser gereicht wird, ruft nach "Ebbelwoi". Und | |
schiebt dann noch hinterher, dass er "nach diesem unglaublich gemütlichen | |
Wochenende" auch nichts gegen einen Schnaps einzuwenden hätte. Adel | |
verpflichtet. | |
Rhythmisches Klatschen zu "Hells Bells" | |
Wohl auch deshalb ließ der Stargast lange auf sich warten. Noch nicht | |
einmal der vom Blasorchester FZH Kelkheim-Irmenau angestimmte Bayerische | |
Defiliermarsch lockte den "Kriegsminister", so die Linke draußen vor der | |
Tür, aus der Garderobe. Dann wabern dumpfe Glockenklänge durch die | |
Stadthalle: "Hells Bells" von AC/DC. Der Song rockt auch die Mitglieder der | |
Senioren-Union: Rhythmisches Klatschen. | |
Und dann kommt ER, "Karl-Theodor", wie seine Fans minutenlang skandieren. | |
Einen "Politpopstar" nennt denn auch Regierungschef Bouffier, dessen Frau | |
gut gestylt in roter Lederjacke mit Nietenbesatz mit zum | |
Guttenberg-Auftritt gekommen ist, den gegelten, später kerzengerade am | |
Rednerpult stehenden Bundesminister, der sich zunächst durch einen Pulk von | |
Kameraleuten und Fotografen hindurch kämpfen und hunderte von Händen | |
schütteln muss. | |
Ernst wurde es aber tatsächlich auch noch. Am Ende des Events war | |
Afghanistan das Thema. Zu Guttenberg versprach die "Schaffung einer | |
sauberen Abzugsperspektive dort". Auf einen Zeitpunkt dafür allerdings | |
wollte er sich nicht festlegen. Das ganze sei "lageabhängig"."Die | |
Bundeswehr, so zu Guttenberg, könne Afghanistan aber erst dann vollständig | |
verlassen, wenn von dem Land "keine Gefährdung für unsere Sicherheit mehr | |
ausgeht“. Von der Vorstellung, in Afghanistan bald eine | |
"Westminster-Demokratie" installieren zu können, müsse jetzt allerdings | |
zügig Abschied genommen werden, denn ansonsten "müssten wir noch 120 Jahre | |
dort bleiben". Dann warnt er noch vor der Entwicklung in Pakistan. Es müsse | |
unbedingt verhindert werden, dass die Atomwaffen dort "in die Hände von | |
islamistischen Idioten fallen". | |
22 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Klaus-Peter Klingelschmitt | |
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