# taz.de -- Speicherung von Passagierdaten: Big Brit is watching you | |
> Großbritannien fordert, die Speicherung von Passagierdaten auszuweiten. | |
> Geht es nach den Briten, werden zukünftig auch See- und Bahnreisende | |
> erfasst. | |
Bild: Leider in Deutschland, nicht in Großbritannien: Demonstration gegen Übe… | |
BERLIN taz | Das Passagierdatenabkommen sorgt weiter für Streit. | |
Großbritannien hat dem Rat der Europäischen Union jetzt vorgeschlagen, die | |
Speicherung von Passagierdaten sowie deren Nutzung in der Strafverfolgung | |
deutlich auszuweiten. Die britische Bürgerrechtsorganisation „Statewatch“ | |
leakte ein Papier mit Forderungen der britischen Regierung, die weit über | |
das hinausgehen, was EU-Innenkomissarin Malmström fordert. | |
Der erste Vorschlag zum Passagierdatenabkommen war Ende 2007 vorgestellt | |
worden, dies noch unter dem damaligen EU-Justizkommissar Franco Frattini. | |
Angedacht war, sämtliche Passagierdaten von Flügen in Drittländer für 13 | |
Jahre zu speichern – etwa Reiseziel, Zahlungsmittel, Kontaktdaten. Auch die | |
Idee, Daten wie Essenswünsche zu speichern, waren im ersten Entwurf | |
enthalten. Essenswünsche erlauben Rückschlüsse auf Religion oder ethnische | |
Zugehörigkeit, was zum Beispiel für Methoden wie die in Deutschland | |
inzwischen vom Verfassungsgericht untersagte „Rasterfahndung“ missbraucht | |
werden könnte. | |
Frühestens in zwei Jahren, so plant die EU-Kommission, dürfte eine | |
entsprechende Richtlinie verabschiedet werden. Nachdem vor allem | |
Deutschland unter der damaligen Justizministerin Zypries den ersten | |
Vorschlag blockierte, war der Richtlinien-Entwurf wieder entschärft worden. | |
Brigitte Zypries (SPD) sagte damals, das Vorhaben sei „in Deutschland nicht | |
vermittelbar“. | |
## Malmström entschärft, Großbritannien verschärft | |
Der neue Entwurf, den EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström Anfang Februar | |
präsentiert hat, ist im Vergleich zum Ursprungspapier entschärft: so sieht | |
er nur noch fünf Jahre Speicherung vor, Essenswünsche beispielsweise sollen | |
gar nicht mehr erfasst werden. Außerdem ist eine „Anonymisierung“ der Daten | |
nach 30 Tagen geplant, die jedoch durch eine „Repersonalisierung“ | |
rückgängig gemacht werden könnte - sofern die Person, deren Daten | |
repersonalisiert werden sollen, im Zuge von polizeilichen Ermittlungen | |
eines Schwerverbrechens oder des Terrorismus verdächtigt wird. | |
In einem am 10. Februar 2011 an den EU-Rat gerichteten [1][Papier] fordert | |
die britische Regierung nun, auch die Daten von Reisenden zu sammeln, die | |
die Grenzen Europas gar nicht verlassen. Zudem will Großbritannien neben | |
denen von Flugreisenden auch Daten von See- und Bahnreisenden sammeln und | |
die gewonnenen Daten auch zu anderen Zwecken als der Bekämpfung von | |
Schwerverbrechen und Terrorismus nutzen dürfen. | |
## Datenschützer räumen Vorhaben keine Erfolgsaussichten ein | |
Datenschützer halten die Vorschläge aus Großbritannien für unrealistisch. | |
Für den Innenexperten der Grünen im Europaparlament, Jan Philipp Albrecht, | |
ist klar, dass zumindest die britischen Vorschläge zum | |
Passagierdatenabkommen „nicht vereinbar“ mit EU-Verfasssungsgrundsätzen | |
seien: „Ich halte das für absolut aussichtslos“, so Albrecht gegenüber der | |
taz. | |
Insgesamt sei bislang nicht nachgewiesen, dass eine | |
Passagierdatenspeicherung wirklich der Verbrechensbekämpfung nütze. Dass | |
nun ausgerechnet eine britische Regierung unter Beteiligung der | |
Liberaldemokraten solche Vorschläge macht, hält Albrecht für „enttäuschen… | |
– schließlich hätten gerade die „LibDems“ angekündigt, sich in der | |
Datenschutzpolitik von der Vorgängerregierung unter der Labour-Partei | |
abzugrenzen. | |
Auch im Büro des Bundesbeauftragten für den Datenschutz gibt man dem | |
Vorschlag aus Großbritannien keine Chance. Peter Schaars Sprecherin Juliane | |
Heinrich sagte der taz: „Ich habe erhebliche Zweifel, ob eine Umsetzung der | |
Kommissionspläne in Deutschland verfassungsgemäß wäre. Von der | |
Bundesregierung erwarte ich daher, dass sie nicht nur dem Vorstoß | |
Großbritanniens, sondern auch den Vorschlägen der Europäischen Kommission | |
eine klare Absage erteilt.“ | |
## EU-Kommission ist prinzipiell bereit, mehr Daten zu sammeln | |
Einer [2][Folgenabschätzung] der EU-Kommission zu Malmströms | |
Richtlinien-Entwurf ist zu entnehmen, dass über die Erfassung von | |
Passagierdaten von außereuropäischen Flügen zu einem späteren Zeitpunkt | |
„durchaus nachgedacht“ werden könne. Dies scheitere derzeit an Kosten und | |
Aufwand, vor allem durch die dann zu erfassenden größeren Datenmengen. | |
Auch sonst gibt sich die EU-Kommission in der Folgenabschätzung offen für | |
neue Datensammlungen: „Eine Ausweitung auf See- und Bahnreisen könnte in | |
Zukunft in Betracht gezogen werden, sobald wir von den Erfahrungen mit dem | |
Luftverkehr gelernt haben.“ Und auch der ausschließliche Gebrauch der Daten | |
für Terrorismus- und Schwerverbrechensbekämpfung scheint nicht in Stein | |
gemeißelt zu sein: Die Nutzung der Daten für andere Zwecke wird zwar als | |
„unangemessen“ bezeichnet – allerdings nur „zu diesem Zeitpunkt“. | |
4 Mar 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://www.statewatch.org/news/2011/feb/eu-pnr-uk-proposals-6359-11.pdf | |
[2] http://www.statewatch.org/news/2011/feb/eu-com-eu-pnr-ia-sec-132-11.pdf | |
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