# taz.de -- Peter Schaar zu Datenschutz im Netz: "Ich bin keine Gouvernante" | |
> Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar spricht mit der taz über | |
> die Datensammelwut der Wirtschaft, ein Verbot der Handy-Gesichtserkennung | |
> und die Grenzen seines Jobs. | |
Bild: Firmen sammlen auf unterschiedlichen Wegen Daten über Menschen. | |
taz: Herr Schaar, wer ist der größere Datenkrake: der Staat oder die | |
Wirtschaft? | |
Peter Schaar: Die Wirtschaft hat zurzeit die größere Sammelwut, vor allem | |
im Internet. Dabei darf man aber nicht unterschätzen, dass - nicht nur | |
deutsche - staatliche Stellen auf all diese Daten zugreifen können, etwa im | |
Rahmen von Ermittlungsverfahren. | |
Aufgeregt haben sich die Menschen vor allem über den Straßenbilderdienst | |
Google Street View. Dabei geht es doch nur um Fotos von Häusern. | |
Stimmt, für sich genommen ist dieser Dienst gar nicht der kritischste, aber | |
viele Menschen hat das berührt. Schließlich greift Google über die | |
virtuelle Welt hinaus auf den Einzelnen zu - und seis nur auf dessen | |
Hausfassade. | |
Die Bundesregierung diskutiert derzeit, wie der Datenschutz im Netz | |
insgesamt verbessert werden kann. Der Innenminister spricht von "roten | |
Linien", wo die verlaufen sollen, ist aber unklar. Wo sehen Sie Grenzen? | |
Vor allem, wenn Internetdienste Persönlichkeitsprofile anlegen. | |
Das heißt konkret? | |
Firmen können aus unterschiedlichen Quellen Daten zusammenführen. Wenn ich | |
eine bestimmte Seite ansurfe, eine Suchanfrage eingebe und das verbunden | |
wird mit meinen E-Mails, dann entsteht ein Profil, das zu Werbezwecken | |
missbraucht werden kann - ohne mein Wissen. Das darf nicht sein. | |
In Zukunft wird es auch möglich sein, jemanden mit dem Handy zu | |
fotografieren und das Internet liefert den Namen dazu. Macht Ihnen das | |
Angst? | |
Ich fände es schrecklich, wenn es eine solche Form der Gesichtserkennung | |
geben sollte. Deshalb müssen hier rechtliche Grenzen eingezogen werden, | |
etwa indem entsprechende Dienste nicht angeboten werden dürfen. | |
"Post Privacy"-Anhänger gehen einen ganz anderen Weg: Wir haben unsere | |
Daten eh nicht mehr unter Kontrolle, damit müssen wir umgehen, sagen sie. | |
Wenn alle nackt sind, ist das Nacktsein nicht mehr schlimm. | |
Das erinnert mich an den Spruch: "Ich habe nichts zu verbergen", den man | |
von Sicherheitspolitikern kennt. Eine neue Generation macht ihn sich nun | |
offenbar zu eigen und stellt alles von sich ins Netz … | |
… inklusive der GPS-Daten der Bar, in der man säuft. Kriegt der | |
Datenschützer da die Krise? | |
Wenn jemand meint, er müsse alles von sich preisgeben, kann ich als | |
Datenschützer nichts unternehmen. Ich bin keine Gouvernante. Mein Job fängt | |
da an, wo Daten gegen den Willen der Menschen gesammelt werden. | |
Die Regierung will auch den Datenschutz am Arbeitsplatz regeln, heute ist | |
das Gesetz im Bundestag. Schützt es die Arbeitnehmer genügend? | |
Ich sehe deutlichen Verbesserungsbedarf. So soll mit dem Gesetz zwar die | |
verdeckte Videoüberwachung ganz verboten werden, dafür könnte aber die | |
offene ausgeweitet werden. Das wäre ein ganz schlechter Deal. | |
Herr Schaar, ein Vorstoß von Ihnen hat uns überrascht: | |
"Vorratsdatenspeicherung light"… | |
… der Begriff gefällt mir nicht, es geht um eine Pufferung von | |
Internetverbindungsdaten für wenige Tage. | |
Egal wie man es nennt: Nach dem Vorschlag würden die IP-Adressen aller | |
Nutzer bis zu zwei Wochen ohne Anlass gespeichert. Die Netzgemeinde hat Sie | |
dafür beschimpft. | |
Ich bin jemand, der für Probleme konkrete Lösungen sucht. Und anders als | |
bei Telefonverbindungsdaten, die aus technischen Gründen eh schon bis zu 80 | |
Tage von den Firmen gespeichert werden, haben Strafverfolger bei der | |
Internetkommunikation vielfach tatsächlich ein Problem: die Zuordnung der | |
IP-Adresse ist nicht mehr möglich, sobald die Verbindung beendet ist. | |
Warum muss sich ein Datenschützer den Kopf für die Polizei zerbrechen? | |
Es ist doch unrealistisch, dass die Europäische Union ganz auf eine | |
Zugriffsregelung für Verbindungsdaten verzichtet. Ich wollte Bewegung in | |
die Diskussion bringen, und das ist auch passiert. Schließlich will sich | |
nun auch die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Frau Reding, für | |
meinen Vorschlag einsetzen. | |
Die derzeit gültige Verordnung schreibt den EU-Staaten mindestens sechs | |
Monate Vorratsdatenspeicherung vor. | |
Da wäre mein Vorschlag doch ein großer Schritt in Richtung mehr | |
Datenschutz. | |
24 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Meike Laaff | |
Wolf Schmidt | |
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