# taz.de -- Kodex für Speicherung von Geo-Daten: Du sollst Auskunft geben | |
> Im Herbst 2011 soll der Kodex umgesetzt sein. Bis dahin müssen Anbieter | |
> wie Google Street View noch einiges organisieren. Doch in der Sache | |
> selbst wird sich nicht mehr viel tun. | |
Bild: Hoch in den Bergen...gibt es Google Snow View. | |
HANNOVER taz | Mit einem Geodaten-Kodex will die Internetwirtschaft den | |
Streit um Dienste wie Google Street View schlichten. Doch die | |
Selbstverpflichtung kann die Fragen um Privatsphäre und neuen Möglichkeiten | |
nicht lösen – aber vielleicht die Gesetzgebung von übereilten Schritten | |
abhalten. | |
Zehn Grundsätze hat die Internetwirtschaft im neuen Geodaten-Kodex | |
zusammengefasst, den Branchengrößen wie Google, Microsoft und die Deutsche | |
Telekom inzwischen unterzeichnet haben. Darin lautet beispielsweise das | |
fünfte Gebot: Du sollst Gesichter und Autos verpixeln. Das sechste: Du | |
sollst kostenlos Auskunft geben. Das siebte: Du sollst nicht fotografieren | |
ohne vorher zu informieren. | |
"Wir starten gleich nach der CeBIT mit den technischen und | |
organisatorischen Vorbereitungen", verspricht August-Wilhelm Scheer, | |
Vorstand des Branchenverbands Bitkom, unter dessen [1][Federführung] der | |
Kodex entstanden ist. Nicht ganz aus freien Stücken: nach den [2][fast | |
hysterischen Reaktionen bei der Einführung von Google Street View] in | |
Deutschland setzte der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière den | |
Firmen die Pistole auf die Brust: entweder [3][Selbstregulierung] oder neue | |
Gesetze. | |
Im Herbst 2011 soll der Kodex umgesetzt sein. Bis dahin ist noch viel zu | |
tun: die Anbieter müssen eine neue Selbstregulierungs-Organisation | |
schaffen, sie müssen sich über Standards unterhalten, mit denen die | |
verschiedenen Angebote verknüpft werden können, sie müssen Telefonleitungen | |
schalten, Personal ausbilden und sich über die Finanzierung einigen. | |
Doch in der Sache selbst wird sich nicht allzu viel tun. So hat Google | |
bereits ein aufwändiges Widerspruchsverfahren eingeführt und auch | |
Microsofts Kartendienst Bing hat in Amerika ein ähnliches System | |
eingerichtet. Kleinere Anbieter hatten sowieso schon lange vorher das | |
Verpixeln von vermeintlich brisanten Informationen auf ihren Bildern | |
gelernt. "Wir sind schon relativ nahe an dem, was in dem Kontext umgesetzt | |
werden soll", sagt Hendrik Wild, Geschäftsführer des Kölner Anbieters | |
Panogate, der mit [4][Sightwalk] einen StreetView-Konkurrenten betreibt und | |
sich an dem Geodaten-Kodex beteiligt hat. | |
Doch nicht alle sind von dem Regelwerk begeistert: "Der Kodex erfüllt | |
wichtige Anforderungen nicht" sagt der nordrheinwestfälische | |
Landesdatenschutzbeauftragte Ulrich Lepper. So sehe der Kodex keine | |
präventive Sperrung von Fassadenfotos vor. "Wenn die Selbstregulierung | |
nicht funktioniert, ist der Gesetzgeber gefordert", so Lepper. | |
In der Tat müssen die Betroffenen nach den Regeln des Kodex jedem Anbieter | |
einzeln verbieten, Fotos von ihrem Haus oder ihrer Wohnung zu | |
veröffentlichen. "Wir wollen dem Bürger die Wahl überlassen, wenn er die | |
Bilder gesehen hat", erklärt Dehmel gegenüber taz.de. Wie genau diese | |
Wahlmöglichkeit aussehen wird, ist noch unklar – so könnte eine gemeinsame | |
Online-Plattform entstehen, bei dem die Nutzer das Bildmaterial aller | |
Anbieter abrufen und mit wenigen Mausklicks einen Widerspruch einlegen | |
können. | |
Die Anforderungen an die Widersprüche sind denkbar gering. Nur eine | |
Email-Adresse wird abgefragt – ob der Beschwerdeführer tatsächlich dort | |
wohnt oder ob er vielleicht schon weggezogen ist, erfahren die Anbieter | |
nicht. Das ist nicht ganz unproblematisch: So wurde die [5][Berliner | |
Parteizentrale der Grünen verpixelt], obwohl die Partei angibt, keinen | |
solchen Antrag gestellt zu haben. | |
„Wir sehen das Missbrauchsrisiko, gehen es aber zugunsten des Datenschutzes | |
ein“, erklärt Dehmel. So seien aus anderen Ländern keine missbräuchlichen | |
Löschungen bekannt. Immerhin müssen die Bilder laut Kodex nicht auf den | |
Rechnern der Anbieter gelöscht werden – so sind Verpixelungen zumindest | |
theoretisch aufzuheben. Praktisch wird das aber nicht einfach: so ist bis | |
heute nicht klar, wer für eine Hausgemeinschaft sprechen sollte. Ein | |
gesetzlicher Anspruch auf Löschung von Fassaden-Fotos existiert bis heute | |
nicht. | |
Dass eilige Gesetze nicht unbedingt durchdacht sind, musste Joachim Kast | |
feststellen. Der Diplom-Informatiker erfasst in seiner Freizeit Straßen für | |
das nicht kommerzielle Karten-Projekt [6][Open Street Map]. So hatte die | |
Stadt Bonn im Mai 2010 eiligst eine [7][Street-View-Gebühr] in ihre | |
Sondernutzungssatzung aufgenommen, die kurzerhand jede systematische | |
Erfassung von Geodaten genehmigungspflichtig machte. | |
Kast erfasste dennoch einige Straßen und meldete sich anschließend im | |
Bonner Ordnungsamt, um Selbstanzeige zu erstatten. Doch dass jemand Straßen | |
erfasst, um die Daten der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen ohne auf | |
Werbeeinnahmen zu spekulieren und ohne die Privatsphäre zu verletzen – das | |
hatten die Bonner vorher nicht überlegt. "Ein paar Wochen später erhielt | |
ich ein Schreiben", erzählt Kast mit dem Inhalt, dass er zwar eine | |
Ordnungswidrigkeit begangen hätte, die Stadt aber Bonn kein Interesse an | |
ihrer Verfolgung habe. | |
4 Mar 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://www.bitkom.org/67127_67099.aspx | |
[2] /1/netz/netzkultur/artikel/1/eine-burka-fuer-mein-haus/ | |
[3] /1/politik/schwerpunkt-ueberwachung/artikel/1/datenschutz-im-netz-ausbauen/ | |
[4] http://www.sightwalk.de | |
[5] /1/netz/netzkultur/artikel/1/entpixler-bepixler-und-eier-1/ | |
[6] http://openstreetmap.de/ | |
[7] http://www.bonn.de/rat_verwaltung_buergerdienste/presseportal/pressemitteil… | |
## AUTOREN | |
Torsten Kleinz | |
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