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# taz.de -- Gesichter der japanischen Katastrophe I: Der Antipolitiker aus Tokio
> Gouverneur Shintaro Ishihara wird auch Tokios Le Pen genannt. Auf ihn
> käme es an, um die Einwohner der Megacity zu beruhigen. Bisher hörte man
> von ihm nur Abstruses.
Bild: Auf ihn kommt es jetzt an: Shintaro Ishihara, Tokios Gouverneur.
Wenn jetzt die radioaktive Strahlung auch Tokio erreicht, wird es beim
Umgang mit der Katastrophe auf den Gouverneur der Megacity ankommen wie auf
kaum einen anderen.
Doch der 78-jährige rechtspopulistische Shintaro Ishihara, der bereits seit
zwölf Jahren in Berlins Partnerstadt amtiert und am 10. April zur
Wiederwahl antritt, hat sich jetzt mit abstrusen Äußerungen zu Wort
gemeldet: "Die Identität der Japaner ist die Selbstsucht. Es ist notwendig,
diesen Tsunami als Chance zu nutzen, um die Japaner ein für alle Mal davon
zu reinigen. Das war eine Strafe des Himmels", sagte Ishihara laut der
angesehenen Tageszeitung Asahi Shimbun am Montag vor Journalisten.
Ganz ähnlich hatten sich 2004 einige Islamisten nach dem verheerenden
Tsunami im Indischen Ozean geäußert und die Katastrophe als Strafe Allahs
für einen sündigen Lebensstil bezeichnet. Doch jetzt sprach kein
weltfremder Hinterwäldler, sondern der normalerweise kühl kalkulierende
politische Führer einer der modernsten Metropolen der Welt.
Bereits am Dienstag sah sich der nationalistische Rechtspopulist, den der
australische Rundfunk mal als "Japans Le Pen" bezeichnete, zu einer
Entschuldigung gezwungen. "Meine Bemerkung hat die Opfer und die Bürger
Tokios verletzt", sagte er. Ich entschuldige mich zutiefst."
## Abkehr Japans von den USA
Japan und seine Nachbarländer sind von Ishihara so manche verletzende
Äußerung gewöhnt. Mehrfach war er früher mit China-, ausländer- und
frauenfeindlichen Äußerungen aufgefallen. Zugleich zählt er zu den
prominentesten Leugnern des japanischen Nanking-Massakers in China 1937,
bei dem rund 200.000 Chinesen abgeschlachtet worden waren.
Ishihara erwarb sich bereits vor seiner Karriere als Politiker einen Namen
als Schriftsteller. Als Student gewann er 1955 mit einem Roman Japans
höchsten Literaturpreis. Bei der Verfilmung wirkte er selbst als
Schauspieler mit. Politische Erfahrung sammelte er ab 1968 als Abgeordneter
der konservativen Liberaldemokratischen Partei, für die er später auch
verschiedene Ministerposten annahm. Schon damals beugte er sich nicht immer
der Parteidisziplin und war für deutliche Worte wie für unabhängige
Positionen bekannt.
International erregte Ishihara 1989 Aufsehen mit der Aufsatzsammlung "Japan
kann nein sagen", die er zusammen mit Sony-Chef Akio Morita schrieb. Darin
fordert Ishihara eine Abkehr Japans von den USA, weil es diesen überlegen
sei. Später schrieb er mit dem malaysischen Premier Mahathir Mohammad das
Buch "Asien kann nein sagen", das ähnlich platt argumentierte.
1999 wurde Ishihara als Unabhängiger zum Gouverneur und quasi Bürgermeister
von Tokio gewählt. Seitdem kultiviert er das populistische Image eines
Antipolitikers. Weil er als effizienter Verwalter gilt, der staatliche
Ausgaben durch Privatisierungen begrenzte, wurde er schon dreimal
wiedergewählt. In den Doppeltürmen seines Rathauses ist die Leitstelle von
Tokios Katastrophenschutz.
15 Mar 2011
## AUTOREN
Sven Hansen
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