# taz.de -- Nach dritter Explosion im AKW Fukushima: Strahlenbelastung um Tokio… | |
> Nach der Explosion im dritten Reaktor im AKW Fukushima I ist eine | |
> Flugverbotszone im Umkreis von 30 Kilometern eingerichtet worden. | |
> Nördlich von Tokio steigt die Strahlenbelastung massiv. | |
Bild: Ein Screenshot zeigt die weitere Explosion im AKW Fukushima I. | |
TOKIO rtr/dapd/dpa/afp | Nach einer Explosion im Reaktorblock 2 in der | |
japanischen Atomanlage Fukushima-Daiichi ist aus drei Reaktoren des | |
Atomkraftwerks Strahlung ausgetreten. Das bestätigte Ministerpräsident | |
Naoto Kan im japanischen Fernsehen. "Die Strahlenwerte scheinen sehr hoch", | |
sagte er und warnte vor einem weiteren Strahlungsaustritt. Die Menschen im | |
Umkreis von 30 Kilometer forderte er auf, ihre Häuser nicht zu verlassen. | |
Es ist eine Flugverbotszone im Umkreis von 30 Kilometern um das | |
Atomkraftwerk Fukushima eingerichtet worden, wie die Nachrichtenagentur | |
Fukushima unter Berufung auf das Verkehrsministerium berichtet. | |
Die Strahlenbelastung 100 Kilometer nördlich der Hauptstadt Tokio ist bis | |
zu zehnmal höher als normal, wie die Nachrichtenagentur Kyodo unter | |
Berufung auf städtische Behörden berichtet. | |
Darüber hinaus ist nach Angaben des Betreibers des Atomkraftwerkes | |
Fukushima ist ein Feuer im Reaktorgebäude 4 ausgebrochen. Man habe die | |
Streitkräfte von Japan und der USA gebeten, den Brand zu löschen. | |
Um 6.15 Uhr Ortszeit hatte es eine Explosion am Reaktor 2 gegeben,wie die | |
Betreibergesellschaft Tepco auf einer im japanischen Fernsehen übertragenen | |
Pressekonferenz mitteilte. Auch an dem Druckbehälter soll es womöglich | |
Schäden gegeben haben. Die Strahlenbelastung am Atomkraftwerk Fukushima I | |
steigt laut Tepco nach der erneuten Explosion auf 8.217 Mikrosievert pro | |
Stunde und liegt damit deutlich über dem Grenzwert von 500 Mikrosievert. | |
Die Strahlenbelastung rund um das Atomkraftwerk ist nach den Worten von | |
Ministerpräsident Naoto Kan hoch. Die Wahrscheinlichkeit eines Lecks | |
steige. | |
Es sei unklar, ob Dampf oder flüssiges Wasser ausgetreten sei, berichtete | |
der Sender NHK. Im Unterschied zu den ersten beiden Explosionen am Samstag | |
und Montag in dem Unglückswerk sei diesmal nicht nur das äußere | |
Reaktorgebäude, sondern auch der innere Druckbehälter beschädigt worden. | |
Bei der Explosion wurde nach einem Bericht der Agentur Jiji das Dach der | |
Anlage beschädigt. Dampf steige aus dem Komplex empor, hieß es. Tepco | |
erklärte auf der Pressekonferenz, man habe einen Druckabfall im | |
Reaktorbehälter festgestellt. Dies deute darauf hin, dass die innere | |
Druckkammer des Reaktors beschädigt worden sei. | |
Es ist das erste Mal seit dem Erdbeben und dem nachfolgenden Tsunami am | |
Freitag, dass die Schutzhülle eines Atomreaktors beschädigt wurde. Damit | |
besteht die Gefahr, dass erhebliche Mengen Radioaktivität entweichen. Nach | |
Angaben der Nachrichtenagentur Jiji evakuierte Tepco Arbeiter aus den | |
beiden Atomanlagen Fukushima I und II. Kurz zuvor erklärte Tepco, im | |
Atomkraftwerk Fukushima seien noch 50 Mitarbeiter. Diese bemühten sich | |
darum, die Stabilität der Anlage zu sichern. | |
Zum Zeitpunkt der Explosion herrschte nach Angaben von Meteorologen | |
Nordwind. Dies würde bedeuten, dass radioaktive Teilchen auch nach Süden in | |
Richtung Tokio gelangen könnten. Die japanische Hauptstadt liegt 260 | |
Kilometer südwestlich von Fukushima I. | |
Einem Medienbericht zufolge soll südlich des Kraftwerks eine erhöhte | |
Radioaktivität gemessen worden. In der Präfektur Ibaraki zwischen Fukushima | |
und der Hauptstadt Tokio seien höhere Werte als normal gemessen worden, | |
meldete die Nachrichtenagentur Kyodo | |
Eine Entlastung des Druckbehälters im Reaktor 2 ist offenbar nicht möglich, | |
weil ein Ventil klemmt, wie die Betreibergesellschaft Tokyo Electric Power | |
Company (Tepco) laut Auskunft des Atomenergieexperten Mycle Schneider | |
mitteilte. "Wenn das stimmt, hat jetzt ein Wettlauf mit der Zeit begonnen", | |
sagte der frühere Geschäftsführer der Kölner Gesellschaft für Anlagen- und | |
Reaktorsicherheit, Lothar Hahn, am Montagabend (MEZ) der Nachrichtenagentur | |
dapd. | |
Bei der Wasserstoffexplosion in Block 3 des AKW Fukushima-Daiichi wurden | |
die Außenwände zerstört und nach amtlichen Angaben elf Menschen verletzt. | |
Regierungssprecher Yukio Edano sagte, der innere Schutzmantel um die | |
Brennstäbe sei intakt geblieben. Später erklärte er jedoch, eine | |
Kernschmelze in den drei Reaktoren von Fukushima-Daiichi sei "höchst | |
wahrscheinlich". | |
## Vorerst keine Stromrationierung | |
Bereits am Wochenende waren 185.000 Anwohner im Umkreis von 20 Kilometern | |
um das Kraftwerk evakuiert worden. Bei 190 Personen wurden höhere | |
Strahlenwerte gemessen. | |
Die japanische Regierung sagte eine für Montag geplante dreistündige | |
Stromabschaltung in Tokio und anderen Städten ab. Regierungssprecher Edano | |
rief alle Bürger stattdessen zum Energiesparen auf. Sollte das nicht | |
reichen, werde die angekündigte Stromrationierung in acht Präfekturen doch | |
noch umgesetzt. | |
## Särge werden knapp | |
Bergungstrupps kämpften sich in den vom Beben der Stärke 9,0 und dem | |
folgenden Tsunami verwüsteten Orten an der Nordostküste mit Kettensägen und | |
Spitzhacken durch Trümmer vor. Oft fanden sie nur noch Tote. An den | |
Stränden der Region Miyagi wurden bei Inspektionsflügen weitere 1.000 | |
angeschwemmte Leichen entdeckt. Es wird befürchtet, dass weit mehr als | |
10.000 Menschen bei der Doppelkatastrophe ums Leben kamen. | |
Dem Sender NHK zufolge sind 430.000 Menschen in Notunterkünften oder bei | |
Verwandten untergekommen. An der verwüsteten Nordostküste Japans bereiteten | |
sich Millionen Menschen auf eine vierte Nacht ohne Wasser, Lebensmittel und | |
Heizung vor. Ein Beamter der Präfektur Iwata, die besonders hart getroffen | |
wurde, erklärte, von der Regierung in Tokio komme nur zehn Prozent der | |
erbetenen Hilfe. "Wir sind aber geduldig, weil alle im Bebengebiet leiden", | |
sagte Hajime Sato. Zu den knappen Gütern gehörten auch Leichensäcke und | |
Särge. | |
14 Mar 2011 | |
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