# taz.de -- Gespräch mit dem Aktivisten Klaus Ehlbeck: "Weiter Druck machen" | |
> Nach der Katastrophe in Japan darf und wird die Berliner | |
> Anti-Atom-Bewegung nicht locker lassen, sagt Aktivist Klaus Ehlbeck. | |
Bild: Neuer Protest, alte Symbole: Anfang der Woche in Berlin. | |
taz: Aus Japan kommen immer neue Schreckensnachrichten. Ist jetzt nicht | |
eher die Zeit zu trauern als zu demonstrieren? | |
Klaus Ehlbeck: Bei den Leuten, die grade in Berlin protestieren, überwiegt | |
große Bedrücktheit. Gleichzeitig gibt es aber auch ein Gefühl, jetzt erst | |
Recht auf die Straße gehen zu müssen. Da wird aus Trauer vielfach Wut. | |
Aber instrumentalisiert man damit nicht die Opfer in Japan? | |
Also ich bin seit 30 Jahren im Anti-Atom-Widerstand, da instrumentalisiere | |
ich gar nichts. Was gerade in Japan passiert ist schlimm, richtig schlimm. | |
Aber wir können doch hier nicht nur Trauermärsche machen und die Regierung | |
macht ihre Atompolitik weiter wie gehabt. | |
Die Kanzlerin hat sieben Alt-Meiler vom Netz genommen! | |
Vorübergehend, ja. Unsere Forderung und die vieler anderer geht aber | |
weiter: Das gesamte Atomprogramm zu stoppen, die AKWs abschalten. Und zwar | |
sofort und in Gänze. Wir haben kein richtiges Endlager, produzieren aber | |
weiter massiv neuen Atommüll. Und dass die jetzt vom Netz genommenen Meiler | |
extrem störanfällig sind, davor haben wir schon vor Jahren gewarnt. Ohne | |
dass die Regierung was unternommen hätte. | |
Fürchten Sie, in Deutschland könnte ahnliches passieren? | |
Eine Kernschmelze könnte es auch hier jederzeit geben. Zwar ist die | |
Erdbebengefahr nicht so groß, auszuschließen ist sie aber auch nicht. Am | |
Rhein-Main-Graben ist aufgrund von Erdbebengefahr ein AKW nie in Betrieb | |
gegangen. Und es gibt ja auch andere Szenarien: Kühlsysteme fallen aus, | |
Notgeneratoren gehen kaputt. Dann stehen wir vor den gleichen Problemen. | |
Das sollte doch Grund genug sein, sofort auszusteigen. | |
Wie kann Ihr Protest den Ausstieg beschleunigen? | |
Wir müssen weiter Druck machen, jetzt wo Politik und Wähler noch offene | |
Ohren haben. Und man sieht ja, wie die Bundesregierung gerade gleich | |
mehrere Rollen rückwarts macht in ihrer Atompolitik. | |
Sie glauben nicht, dass das Moratorium Druck von der Straße nimmt? | |
Nein. Die Leute durchschauen doch, dass es für Schwarz-Gelb hier nur darum | |
geht, noch irgendwie durch die Landtagswahlen zu kommen. Noch bis vor einer | |
Woche hat diese Regierung gesagt, alle AKWs seien sicher. Heute gehen | |
sieben unsichere Meiler vom Netz. Was soll man von so einer Regierung | |
halten? | |
Wie wichtig ist dabei Berlin als Proteststandort? | |
Hier ist der Regierungshauptsitz und hier wird der ganze Atom-Blödsinn | |
verzapft. Deshalb sind wir hier gefordert. Und deshalb wird es in Berlin am | |
26. März wieder eine Großdemo geben. | |
Wie stark ist die Berliner Anti-Atom-Bewegung heute? | |
Seit der schwarz-gelben Laufzeitverlängerung immer stärker. Plötzlich | |
stehen ganz neue Leute auf der Straße oder welche, die seit Jahren nicht | |
mehr dabei waren. Und das aus allen Altersklassen. Allein unsere Gruppe hat | |
sich zuletzt verdoppelt. Und wenn, wie am Samstag, innerhalb von ein paar | |
Stunden und übers Internet mobilisiert mehrere hundert Leute vorm | |
Kanzleramt stehen - das hätte es vor zwei, drei Jahren nicht gegeben. | |
Ist die Bewegung heute jünger und vielfältiger? | |
Sie ist vor allem friedlicher und bunter. Vor 30 Jahren sind wir noch mit | |
Helm und Gasmaske zur Brokdorf-Demo gegangen. | |
Würden Sie sich wieder mehr Radikalität wünschen? | |
Wir brauchen keinen Straßenkampf, keine Verletzten. Sonst ist mir jeder | |
Widerstand recht. Wenn die Regierung das braucht, darf es auch zivilen | |
Ungehorsam und Besetzungen geben. | |
Wie wird der Protest in Berlin weitergehen? | |
Das wird gerade rege diskutiert. Am nächsten Montag ist wieder eine | |
Mahnwache geplant, dann die Großdemo und sicher noch mehr. Die Politik muss | |
sich auf Widerstand auf allen Ebenen einstellen, das wird nicht so schnell | |
abklingen. Und noch sieht es ja nicht danach aus, dass Merkel gegen die | |
Atomlobby wirklich alle AKWs abstellt. Da sind wir weiter gefordert. | |
15 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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