# taz.de -- Demokratie-Lobbyist zu Stuttgart 21: "Kein fairer Volksentscheid m�… | |
> Der Demokratie-Lobbyist Ralf-Uwe Beck fordert Grün-Rot auf, trotz der | |
> ungünstigen Verfassungslage über Stuttgart 21 abstimmen zu lassen – und | |
> die Mehrheit zu akzeptieren. | |
Bild: Teile des Volkes haben bereits entschieden: SPD-Chef Nils Schmid soll Stu… | |
taz: Herr Beck, die Grünen in Baden-Württemberg zögern, ob sie sich auf | |
einen Volksentscheid über Stuttgart 21 einlassen sollen. Können Sie als | |
Volksentscheid-Lobbyist das verstehen? | |
Ralf-Uwe Beck: Ich sehe das Dilemma. Wer den Konflikt befrieden will, kommt | |
nicht darum herum, eine Entscheidung der Bevölkerung herbeizuführen. Das | |
macht allerdings nur Sinn, wenn das Verfahren fair ist und nicht eine Seite | |
unangemessen bevorteilt wird. | |
Ist derzeit eine faire Volksabstimmung in Baden-Württemberg möglich? | |
Nein. Die derzeitige Rechtslage begünstigt einseitig die Befürworter von | |
S21. Die Gegner müssen viel mehr Stimmen bekommen, um Erfolg zu haben. | |
Wie kommt es dazu? | |
Laut Landesverfassung genügt es nicht, wenn ein Ausstiegsgesetz im | |
Volksentscheid die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhält. Zusätzlich muss | |
noch ein so genanntes Zustimmungs-Quorum erfüllt werden. Das heißt: | |
insgesamt muss mindestens ein Drittel der wahlberechtigten | |
Baden-Württemberger für den Ausstieg stimmen. Das ist kaum zu schaffen. | |
Ein Drittel klingt doch machbar … | |
Das täuscht. Nehmen Sie an, dass sich etwa die Hälfte der Bevölkerung an | |
der Volksabstimmung beteiligt, was realistisch ist: dann müssen zwei | |
Drittel der Abstimmenden für das Ausstiegsgesetz stimmen, damit die | |
Volksabstimmung rechtswirksam wird. Denn nur dann hat in absoluten Zahlen | |
ein Drittel der Abstimmungsberechtigten für das Ausstiegsgesetz gestimmt. | |
Die Gegner von S21 haben es also ganz offensichtlich schwerer, bei einer | |
Volksabstimmung Erfolg zu haben. | |
Sollte man das Quorum also absenken? | |
Man sollte das Quorum nicht absenken, sondern ganz streichen. Es genügt, | |
wenn in der Verfassung steht: "Bei der Volksabstimmung entscheidet die | |
Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen". Auch in Bayern, Hessen und | |
Sachsen gibt es bei Abstimmungen über einfache Gesetze kein zusätzliches | |
Quorum und die Mehrheit entscheidet. Das gleiche haben letztes Jahr auch | |
SPD und Grüne im Stuttgarter Landtag beantragt. | |
Na prima, dann kann Grün-Rot das Vorhaben jetzt ja gleich umsetzen … | |
Schön wär's. Dazu müsste die Landesverfassung geändert werden – was Grüne | |
und SPD aber nur gemeinsam mit der CDU umsetzen könnten. Bis auf weiteres | |
gilt also das hohe Quorum. | |
Soll es nun lieber keinen Volksentscheid geben als einen unfairen | |
Volksentscheid? | |
Das ist eine falsche Alternative. Wir schlagen vor, dass ein Volksentscheid | |
durchgeführt wird und SPD und Grüne vorher politisch versprechen, dass sie | |
sich auf jeden Fall an die Mehrheitsentscheidung halten, auch wenn das | |
Quorum nicht erreicht wird. | |
Ist das denn mit der Landesverfassung vereinbar? | |
Natürlich. Es ist ja nicht verboten, dass die Abgeordneten sich am | |
Volkswillen orientieren. Selbstverständlich kann der Landtag nach einem | |
Volksentscheid, der nur am viel zu hohen Quorum scheiterte, anschließend | |
ein gleichlautendes Gesetz beschließen. | |
Warum sollte die SPD, die offiziell für Stuttgart 21 ist, bei diesem | |
Verfahren mitmachen, das den Bahnhofsgegnern entgegenkommt? | |
Die SPD hat einen Volksentscheid vorgeschlagen, um den Konflikt zu | |
entschärfen. Es liegt doch auf der Hand, dass es die Situation eher | |
eskaliert, wenn die Gegner bei einem Volksentscheid zwar die Mehrheit | |
haben, dies aber folgenlos bleibt, weil sich die Politik nicht an das | |
Ergebnis gebunden fühlt. | |
Was halten Sie von einer unverbindlichen Volksbefragung? | |
Auch das wäre ein gangbarer Weg. Auch hier müssten sich die | |
Regierungsparteien vor der Abstimmung politisch verpflichten, den Wunsch | |
der Mehrheit anschließend im Landtag umzusetzen. | |
Teile der CDU halten eine Volksabstimmung über Stuttgart 21 generell für | |
unzulässig, weil der Bau von Bahnstrecken ein Bundesthema sei … | |
Thema der Abstimmung wäre ja nicht die Neubaustrecke an sich, sondern die | |
finanzielle Beteiligung des Landes daran. Und wenn der Landtag darüber | |
abstimmen kann, dann kann es darüber auch einen Volksentscheid geben. | |
20 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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