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# taz.de -- Wende in Abschiebepolitik: Syrer dürfen vorerst bleiben
> Fast 5.000 Flüchtlinge waren in Deutschland von der Abschiebung nach
> Syrien bedroht. Die Bundesländer ändern ihre Haltung, einen verbindlichen
> Abschiebestopp gibt es aber vorerst nicht.
Bild: Instabile und bedrohliche Lage in Syrien: Menschen protestieren gegen eig…
BREMEN taz | Nun bröckelt die bisherige Abschiebepolitik langsam.
Dienstagnacht fasste der bayrische Landtag einen Beschluss, dass
"angesichts der gravierenden Menschenrechtsverletzungen und der extrem
instabilen Situation bis zur Klärung der Verhältnisse in Syrien" fürs Erste
nicht mehr dorthin abgeschoben werden darf.
Einen ähnlichen Antrag der Grünen hatte die CSU im April noch abgelehnt.
Für die rund 230 betroffenen Flüchtlinge in Bayern bedeute dies "nun
endlich Rechtssicherheit", sagte Agnes Andrae vom Bayerischen
Flüchtlingsrat. In Niedersachsen, wo fast 1.500 Menschen die Abschiebung
nach Syrien droht, hatte Innenminister Uwe Schünemann (CDU) die
Ausländerbehörden schon Anfang Mai "gebeten", vorläufig niemand mehr
zwangsweise nach Damaskus zu schaffen. Zudem sollten syrische
Abschiebehäftlinge freikommen.
Ähnlich formulierte Weisungen oder Verfügungen haben mittlerweile in fast
allen Bundesländern tatsächlich die Rückführungen nach Damaskus gestoppt.
Sie gehen vor allem zurück auf ein Schreiben des Bundesinnenministeriums
vom 28. April. Dies hatte - rund fünf Wochen nach Beginn der Aufstände -
per Rundschreiben alle Bundesländer gebeten, nicht mehr nach Damaskus
abzuschieben. Die Eskalation dort lasse es "ratsam" erscheinen, vorläufig
hierauf zu verzichten. Zuvor hatte bereits das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge seine Entscheidungen über Asylanträge aus Syrien ausgesetzt.
Trotzdem sind Flüchtlingsorganisationen unzufrieden. Denn was das
Bundesinnenministerium auch schrieb: Für eine "förmliche Beschlussfassung"
- gemeint ist ein verbindlicher bundesweiter Abschiebestopp - gebe es
"derzeit keine Notwendigkeit". Und an dem "Rücknahmeabkommen", das der
damalige Innenminister Wolfgang Schäuble 2009 mit dem syrischen Präsidenten
Baschar al-Assad geschlossen hat, hält die Bundesregierung weiter fest.
"Die Frage einer Kündigung oder Aussetzung des deutsch-syrischen
Rückführungsabkommens stellt sich derzeit nicht", sagt BMI-Sprecher Philipp
Spauschus. "Weder verpflichtet es die Bundesrepublik zur Durchführung von
Abschiebungen, noch hindert es sie daran, Abschiebungen in
Gefährdungssituationen auszusetzen."
## Abgeschobene Syrer reihenweise verhaftet
Der Niedersächsische Flüchtlingsrats spricht von einem "Griff in die
Trickkiste". Bund und Länder wollen offenbar die Rechtsfolgen eines
offiziellen Abschiebungsstopps vermeiden und jederzeit die Abschiebungen
nach Syrien wieder aufnehmen können, sobald die Lage dort an Dramatik
verliert, befürchtet Geschäftsführer Kai Weber. Die deutsche Politik halte
somit "trotz der verheerenden Menschenrechtsverletzungen des Assad-Regimes"
an ihrer Abschiebe-Kooperation mit den syrischen Behörden fest.
Diese hatte in der Vergangenheit dazu geführt, dass aus Deutschland
abgeschobene Syrer reihenweise verhaftet wurden. Nach Angaben von Amnesty
International müssen Oppositionelle dort mit schwerer Folterung rechnen.
Ein Asylantrag im Ausland kann von der syrischen Justiz als "Verbreitung
falscher Informationen über Syrien im Ausland" eingestuft und verfolgt
werden. Erst Anfang Februar waren die Kurden Anuar und Bedir Naso aus
Hildesheim von ihrer Familie getrennt und abgeschoben worden. Sie wurden in
Damaskus sofort und ohne Angaben von Gründen verhaftet.
Am kommenden Donnerstag berät der Bundestag einen Antrag der Grünen, die
das Abschiebeabkommen mit Assad offiziell aussetzen wollen. Ähnliche
Anträge der Opposition waren seit 2009 mehrfach im Bundestag debattiert
worden - CDU, CSU und FDP hatten sie aber stets abgeschmettert.
18 May 2011
## AUTOREN
Christian Jakob
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