# taz.de -- Unruhen in Syrien: Wohnviertel unter Beschuss | |
> In der Stadt Homs geht das Regime mit Panzern und Artillerie gegen die | |
> Proteste vor. In der EU ist wegen des Zögerns über Sanktionen gegen | |
> Präsident Assad Streit ausgebrochen. | |
Bild: Handy-Aufnahme von einer Demonstration in der syrischen Stadt Qamishli. | |
DAMASKUS/STRASSBURG dapd/dpa | Unbeeindruckt von den Sanktionen der EU geht | |
die syrische Führung weiter mit Gewalt gegen die Protestbewegung vor. Die | |
syrische Armee feuerte nach Angaben von Augenzeugen am Mittwoch mit | |
Artillerie auf ein Viertel in der Stadt Homs. Im arabischen TV-Sender | |
Al-Arabija und in den Internet-Foren der Opposition hieß es, zum Teil seien | |
die Soldaten bei ihrem Angriff auf Gegenwehr gestoßen. In dem Viertel Baba | |
Amro, in dem es in den vergangenen Wochen mehrfach | |
Anti-Regime-Demonstrationen gegeben hatte, seien auch die Telefonleitungen | |
und der Strom gekappt worden. | |
Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete unter Berufung auf einen | |
Militärsprecher, am Vortag hätten die Sicherheitskräfte ihre "Dutzende von | |
Mitgliedern bewaffneter Terrorgruppen" in der Umgebung von Homs | |
festgenommen. Sie hätten außerdem Waffen, Autos und 150 Motorräder | |
beschlagnahmt. | |
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte die syrische Regierung indessen | |
auf, ein internationales Hilfsteam in die belagerte Stadt Daraa zu lassen, | |
um die humanitäre Lage zu beurteilen. Präsident Assad habe ihm dies | |
zugesichert, sagte Ban am Mittwoch in Genf. Er sei enttäuscht, dass dieses | |
Team aber immer noch nicht den Zugang erhalten habe, den es brauche. | |
## Streit in der EU über Sanktionen | |
Nach heftiger Kritik aus dem EU-Parlament will Deutschland nun auch so | |
schnell wie möglich Sanktionen gegen den syrischen Staatschef Bashir Assad | |
verhängen. "Wenn in Damaskus nicht sofort umgesteuert wird, müssen die | |
Strafmaßnahmen gegen die Staatsspitze ausgeweitet werden", sagte ein | |
EU-Diplomat am Mittwoch. Dafür zeichne sich breite Zustimmung unter den | |
Mitgliedsstaaten ab. Ende der Woche oder Anfang kommender Woche könne die | |
Entscheidung fallen. | |
Die EU hatte am vergangenen Montag einen ersten Sanktionsbeschluss in Kraft | |
gesetzt, der neben einem Waffenembargo nur Reiseverbote und | |
Kontensperrungen für 13 Regimeangehörige bedeutet. Assad war – auch wegen | |
des deutschen Widerstandes – zunächst unbehelligt geblieben. Zur Begründung | |
hieß es, man habe dem Präsidenten Zeit zum reagieren geben wollen. | |
Wegen der zögerlichen Haltung war EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton im | |
europäischen Parlament kritisiert worden. In dem Land seien schon 800 | |
Demonstranten von Scharfschützen und Panzern getötet worden, "das ist das | |
arabische Tiananmen", sagte der Chef der Liberalen, Guy Verhofstadt. Dass | |
trotzdem nur Sanktionen gegen 13 Personen beschlossen worden seien, sei | |
"lächerlich." Er bezeichnete Präsident Assad als "brutalsten Diktator der | |
Welt". Die EU müsse sofort auch gegen Assad persönlich so wie seine gesamte | |
Familie Strafmaßnahmen verhängen, um Druck aufzubauen. "Hunderte Menschen | |
müssen auf die Liste, sonst wird die EU von der syrischen Bevölkerung nicht | |
ernst genommen." | |
Der Grünen-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit forderte Ashton auf, mehr Druck | |
auf die zögerlichen Hauptstädte zu machen: Wenn kein Sanktionsbeschluss | |
gegen Assad zustande komme, "müssen Sie klar sagen, wer das verhindert", | |
sagte er an die Adresse der EU-Chefdiplomatin gerichtet. | |
Ashton betonte am Mittwoch, die Entscheidung für die Sanktionen habe | |
einstimmig getroffen werden müssen. Sie werde aber weiter versuchen, den | |
größtmöglichen Druck auf Syrien auszuüben, die Diskussionen mit den | |
Mitgliedsstaaten würden in dieser Woche fortgeführt. | |
11 May 2011 | |
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