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# taz.de -- Baustellenblockade Stuttgart: Sie sitzen seit sechs Uhr früh
> Demonstranten blockieren in Stuttgart die Baustellenzufahrt zum
> Grundwassermanagement. Die Bahn behauptet, es gäbe keine Baumaßnahmen.
Bild: Blockade im Morgenlicht. Sie wollen bis morgen bleiben, sagen sie.
STUTTGART taz | Die Dixiklos, die sind der größte Stolz der Demonstranten
an diesem Montagmorgen. Da stehen sie am Rand der Sitzblockade, damit die
Demonstranten hier an dieser Baustellenzufahrt ihren ganz persönlichen
Abwasserpegel managen können. Und es ist das erste Mal, dass eine
Sitzblockade in Stuttgart gleich ihre eigenen Dixis mitgebracht hat. Das
finden sie prima.
Heute ist, mal wieder, wie so oft, das erste Mal. Es ist das erste Mal,
dass Gegner des umstrittenen Bahnhofsprojekts "Stuttgart 21" eine gleich
zweitägige Sitzblockade begonnen haben. Es ist die erste größere
Sitzblockade, seit die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg im
Amt ist.
Viel mehr aber noch: Es ist die erste große Blockade seit dem sogenannten
"Schwarzen Donnerstag", jenem Tag, als am 30. September letzten Jahres
tausende Stuttgarter im Schlossgarten der Landeshauptstadt den Beginn der
Baumaßnahmen im Park verhindert wurden – und in einem harten Polizeieinsatz
mit Pfefferspray und Wasserwerfern massenhaft hinfortgeprügelt wurden.
## Dietrich Wagner ist auch da
Heute sitzen sie wieder hier. Seit kurz vor sechs Uhr in der Frühe schon.
Einer hat schon seine Regenjacke übergezogen, als stünden die Wasserwerfer
schon vor ihm. Und Dietrich Wagner, der augengeschädigte Rentner, dem bei
dem harten Einsatz am 30. September 2010 durch Wasserwerfer seine Augen
zetrümmert wurden, ist auch hier, mit einem Blindenstock.
Dort drüben steht eine graue Halle, davor zwei blaue, hochragende Zylinder.
Und in der Halle wird das Grundwassermanagement organisiert, das nötig ist,
um das umstrittenste Bauvorhaben der Republik zu ermöglichen.
Das, was da drüben steht, ist ein Erfolg des "Schwarzen Donnerstags". Geht
es nach der Deutschen Bahn, dann wird derzeit gar nichts betrieben. Das
Unternehmen verkündete einen Baustopp, als klar wurde, dass mit der neuen
grün-roten Landesregierung auch ein Abbruch des Bauprojektes in Betracht
kommen könnte. Doch von den rund 200 DemonstrantInnen, die nun hier seit
der Morgendämmerug verharren, glaubt niemand wirklich an den Baustopp.
Und tatsächlich: Es ist kurz vor sieben Uhr, als zwei blaue Lieferwagen der
Firma "Hölscher Wasserbau" an dem Gelände gegenüber erscheinen.
Da sind die SitzblockiererInnen schon lange da. Vor sechs Uhr, als der
Halbmond noch über der Stadt hing, Vögelgezwitscher in der Luft, zogen sie
los. Am Widerstandsbaum im Stuttgarter Schlossgarten, einige hundert Meter
von hier, begann ihr kleiner Widerstandsspaziergang.
## Pace-Flagge und "Baustopp selber machen!"
Jetzt hängt eine Pace-Flagge am Absperrzaun des Geländes und ein
Transparent, auf dem steht: "Baustopp selber machen!". Als fünf
Hölscher-Mitarbeiter das Gelände betreten wollen, wird es hektisch. Einer,
der Chef mit dem Picknickkorb, schafft es. Die Männer im Blaumann kommen
nicht durch. Sie müssen wieder abziehen. "Haut ab", ruft ihnen ein
Demonstrant zu. "Heut wird nicht gearbeitet!"
Jetzt stehen die Arbeiter gelangweilt auf der anderen Straßenseite und
warten. Zur Arbeit kommen sie nicht.
Ja wird denn da tatsächlich noch gebaut? "Das müssen sie die Bahn fragen!"
ruft der Picknickkorbchef. Falls er heute picknickt, in der bösen grauen
Halle, die alle hier so hassen, dann wohl allein.
Denn die Polizei fährt eine etwas andere Sicherheitsstrategie als noch am
30. September, als im Schlossgarten die Baumaschinen anrückten. Sie findet
heute, dass die Sitzblockade hier kaum stört – und will die Demonstranten
dulden. Sie sollen ruhig bis morgen bleiben, so wie sie es vorhaben. Und
heute Nacht hier schlafen. Kalt wird denen dann schon von allein. Hier
spielt jetzt einer auf der Gitarre. Und ein anderer schüttelt ein
Rhythmus-Ei. Da drüben in den Dixiklos können pegelt gerade einer mit
Rastahaaren und Filzmütze sein Abwasser. Und da in der grauen Halle wird
erstmal gar nix mehr gepegelt. Heute zumindest.
23 May 2011
## AUTOREN
Martin Kaul
## TAGS
Schwerpunkt Stuttgart 21
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Schwerpunkt Stuttgart 21
Schwerpunkt Überwachung
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