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# taz.de -- Sitzblockade in Stuttgart: "Heute wird nicht gearbeitet"
> Die erste Stuttgart-21-Blockade unter Grün-Rot. Die 250 Blockierer sagen:
> "Der Bahnhof wird nur auf der Straße gestoppt". Die Polizei schickte
> dieses Mal keine Wasserwerfer.
Bild: Sind gekommen, um zu bleiben: Die Blockierenden am Stuttgarter Bahnhof.
STUTTGART taz | Rose hat sich extra zwei Tage Urlaub genommen, um bei
dieser Blockade dabei zu sein. Es ist die erste Sitzblockade der
62-jährigen Kauffrau.
Es ist die erste große Sitzblockade seit jenem schwarzen Donnerstag, als am
30. September 2010 Tausende Stuttgarter hier im Schlossgarten jäh
hinfortgeprügelt wurden. Und: Es ist die erste Sitzblockade für die
grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg und ihren frisch gebackenen
Innenminister Reinhold Gall (SPD).
Seit unter seinem Vorgänger Heribert Rech (CDU) einer der heftigsten
Polizeieinsätze der baden-württembergischen Landesgeschichte hier seinen
Ausgang nahm, ist einiges anders geworden im Ländle: Geißler-Schlichtung,
Wahlen. Und hier, im Schlossgarten, steht heute der kühle Erfolg dieses
"schwarzen Donnerstags" zur Ansicht bereit: eine graue Halle, umrandet von
einigen blauen, hochragenden Zylindern. In dieser Halle soll das
Grundwassermanagement gesteuert werden, um das umstrittenste Bauvorhaben
der Republik zu ermöglichen.
## Eine Baustelle, die gar keine mehr ist
Aber wie blockiert sich eine Baustelle, von der viele sagen, es sei gar
keine mehr? Seit klar ist, dass unter Grün-Rot das Bauprojekt noch
scheitern könnte, hat die Bahn nach eigenen Angaben weiterführende
Baumaßnahmen eingestellt. Wie blockiert es sich in einer Stadt, in der der
grüne Verkehrsminister Winfried Hermann, selbst einer der lautesten Gegner
des Bahnhofsneubaus, noch in der letzten Woche die besonders radikalen
"Parkschützer" zum Antrittsbesuch am Bauzaun besuchte?
Sie habe auch Grün gewählt, sagt Rose. "Doch der Bahnhofsneubau wird nur
auf der Straße gestoppt." Die Sonne scheint, und hinter Rose sitzt ein Mann
in ein blaues Regen-Cape gehüllt, fast so, als stünden die Wasserwerfer
schon vor ihm. 250 Menschen sitzen in dieser Blockade, verhindern die
Zufahrt zum Grundwassermanagement. Geht es nach ihnen, dann wollen sie bis
Dienstagabend bleiben. Geht es nach der Polizei, dann werden die Blockierer
von alleine müde. Sie schreitet nicht ein. Irgendwie haben alle
dazugelernt. Und abgesehen von Rose ist hier fast niemand neu im
Sitzblockadengeschäft.
## VollblutaktivistInnen aus ganz Deutschland
VollblutaktivistInnen aus allen Teilen Deutschlands sind zu Besuch: der
aktivistische Rechtsberater Holger-Isabelle Jähnicke, der kundige
Bewegungsautor Marc Amman, die bekannte Kletteraktivistin Cecile Lecomte,
AktivistInnen aus dem Wendland. Von Blockade-ExpertInnen wie ihnen hat Rose
gelernt. Es ist ein kleines Stelldichein des Widerstands: Klassenblockade
statt Massenblockade.
Und dann wollen tatsächlich ein paar Arbeiter aufs Gelände. Einer, der Chef
mit dem Picknickkorb, schafft es. Die Männer im Blaumann kommen nicht
durch. "Heute wird nicht gearbeitet", ruft ein Mann ihnen zu. Ja wird denn
da tatsächlich noch gebaut? "Das müssen Sie die Bahn fragen", ruft der
Picknickkorbchef. Und Wolfgang Friedrich, Projektsprecher von Stuttgart 21,
sagt: "Ich weiß auch nicht, was darin genau gearbeitet wird." Bauarbeiten
seien es zumindest nicht. "Vielleicht malt da jemand noch eine Wand an." An
diesem Montag malt hier niemand eine Wand an.
Zur Demo am Samstag kamen nur noch ein paar tausend DemonstrantInnen. 250
sind es in der Montagsblockade, wahrlich keine Masse. Nur die besonders
hartgesottenen Gegner des Stuttgart-Widerstands beteiligen sich an der
Blockade. An diesem Montag bleiben die Arbeiter draußen, die Polizei bleibt
ruhig. Alle sitzen den Konflikt aus.
23 May 2011
## AUTOREN
Martin Kaul
## TAGS
Schwerpunkt Stuttgart 21
Schwerpunkt Stuttgart 21
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