# taz.de -- Protestbewegung in Spanien: Politisch heimatlos | |
> Die jugendlichen Protestierer fühlen sich von sämtlichen Parteien nicht | |
> repräsentiert. Und die spanische Grünen-Partei "Equo" hat die Gunst der | |
> Stunde schlicht verschlafen. | |
Bild: Sie gehen nicht wählen: Protestierer in Madrid. | |
MADRID taz | Die spanische Protestbewegung für "Echte Demokratie jetzt!" | |
ist weitgehend politisch heimatlos. Das belegen die Ergebnisse der | |
Kommunal- und Regionalwahlen am Sonntag. Knapp eine Million Menschen gaben | |
entweder einen leeren Umschlag oder eine ungültig gemachte Stimme ab, das | |
sind 4,2 Prozent derer, die wählen gegangen sind. Die aktive Verweigerung | |
der Stimme war damit doppelt so hoch wie vor vier Jahren - ein Rekord. | |
Dieses Wahlverhalten war zu erwarten. Unter dem Motto "Wähle sie nicht" | |
machten seit Wochen Listen im Internet die Runde, die belegen, dass alle | |
Parteien Politiker auf ihren Listen haben, gegen die wegen Korruption | |
ermittelt wird oder die gar erstinstanzlich verurteilt sind. Über 260 | |
solcher Fälle zählte die Protestbewegung, die seit dem 15. Mai Spanien auf | |
Trab hält. | |
Was sich nur wenige vor Augen führen: Dank des speziellen Wahlverfahrens in | |
Spanien, das die Sitze in Gemeinderäten, den Regionalparlamenten oder im | |
spanischen Parlament nicht proportional vergibt, sondern rein über das | |
DHondt-Gesetz, werden durch die Abgabe leerer Umschläge oder ungültiger | |
Stimmen die großen Parteien bevorteilt. Diese ungültigen Stimmen werden bei | |
der Wahlbeteiligung berücksichtigt, das benachteiligt rechnerisch die | |
kleinen Parteien. | |
Doch selbst diese ziehen in den Reihen der Protestbewegung "15M" nur wenig | |
Sympathie auf sich. Die Vereinigte Linke (IU), die knapp einen Prozentpunkt | |
zulegte, ist nach jahrelangen innerparteilichen Flügelkämpfen mehr denn je | |
in der Hand der Kommunistischen Partei Spaniens. Außerhalb ihrer alten | |
Klientel ist die IU kaum akzeptiert. Darum konnte das Wahlbündnis vom | |
Debakel der sozialistischen PSOE nur wenig profitieren. | |
Und das Projekt für eine spanienweite Grüne Partei, das unter dem Namen | |
Equo im Entstehen ist, hat die Gunst der Stunde schlichtweg verschlafen. | |
"Der richtige Zeitpunkt sind die Parlamentswahlen 2012", analysierte der | |
Kopf der Bewegung und ehemalige spanische Greenpeace-Chef Juantxo López de | |
Uralde seit Monaten. Das Ausbrechen der Proteste nur eine Woche vor den | |
Kommunal- und Regionalwahlen beweist, dass er falsch lag. "Wir brauchen | |
ganz schnell eine Alternative", mahnen seit Sonntagabend unzählige | |
Mitglieder der Facebook-Seite von Equo. | |
23 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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