# taz.de -- Ermittlungsverfahren gegen Strauss-Kahn: DNA-Spuren nachgewiesen | |
> Das Sperma an der Bluse von dem Zimmermädchen stammt vom Ex-IWF-Chef | |
> Dominique Strauss-Kahn, berichten mehrere Medien. Französische | |
> Feministinnen beklagen sexistischen Reflexe der Elite. | |
Bild: "Wir sind alle Zimmermädchen": Feministinnen protestieren in Paris. | |
NEW YORK/PARIS afp | DNA-Proben des wegen versuchter Vergewaltigung | |
angeklagten Ex-IWF-Chefs Dominique Strauss-Kahn stimmen Berichten zufolge | |
mit Spermaspuren an der Kleidung des mutmaßlichen Opfers überein. Das | |
sickerte laut französischen und US-Medien am Montag aus Ermittlerkreisen | |
durch. Der 62-Jährige wies in einem Schreiben an seine ehemaligen | |
Mitarbeiter beim Internationalen Währungsfonds die Vorwürfe gegen ihn | |
entschieden zurück. | |
Sperma von Strauss-Kahn wurde laut Wall Street Journal und France 2 am | |
Kragen der Bluse des New Yorker Zimmermädchens nachgewiesen, das ihm einen | |
sexuellen Angriff vorwirft. Auch weitere Medien berichteten von einer | |
Übereinstimmung zwischen Spuren an der Kleidung und seiner DNA. | |
Dem Sender France 2 zufolge sollten auch Spuren auf dem Teppich der | |
Hotelsuite und aus dem Badezimmer überprüft werden, wo die Frau nach | |
mutmaßlich erzwungenem Oralsex das Sperma ausgespuckt haben soll. Die | |
Ergebnisse wurden noch nicht offiziell veröffentlicht. Polizei und | |
Staatsanwaltschaft wollten sich zu den Berichten zunächst nicht äußern. | |
## Nur ein Beleg | |
Experten betonten, dass eine Übereinstimmung von Spuren und den DNA-Proben | |
zwar ein Beleg für einen sexuellen Akt, aber nicht für die Anwendung von | |
Gewalt sei. Das Zimmermädchen bestreitet jedoch einvernehmlichen Sex. Die | |
32-Jährige wirft Strauss-Kahn vor, sie sexuell bedrängt und zum Oralsex | |
gezwungen zu haben. Der 62-Jährige ist wegen versuchter Vergewaltigung und | |
anderer Sexualdelikte angeklagt. | |
"Ich bestreite die Anschuldigungen, denen ich mich gegenübersehe, in der | |
schärfsten Form. Ich bin zuversichtlich, dass die Wahrheit ans Licht kommt | |
und ich entlastet werde", schrieb der zurückgetretene IWF-Chef in einer | |
E-Mail an seine ehemaligen Mitarbeiter. Die Anklage sei ein "persönlicher | |
Albtraum". Er empfinde "tiefe Traurigkeit und Frustration" über seinen | |
Rücktritt. Dieser Schritt sei aber unvermeidbar gewesen, um der | |
Organisation Schaden zu ersparen. | |
Strauss-Kahn steht nach Zahlung einer Kaution derzeit unter strengen | |
Auflagen unter Hausarrest. Allerdings muss er das Apartment, in dem er sich | |
derzeit aufhält, demnächst verlassen. Das kündigte die Hausverwaltung nach | |
Protesten der Bewohner an. Strauss-Kahns Frau, die bekannte französische | |
Fernsehjournalistin Anne Sinclair, fand zwar zunächst eine neue Wohnung in | |
New York. Aber auch dort war Strauss-Kahns Anwesenheit nicht erwünscht. | |
Strauss-Kahn muss am 6. Juni das nächste Mal vor Gericht erscheinen. Dann | |
muss er erklären, ob er auf schuldig oder nicht-schuldig plädiert. Sein | |
Anwalt Benjamin Brafman sagte am Montag, er sei sicher, dass sein Mandant | |
freikommen werde. | |
## "Sexistische Reflexe" | |
Die Vorwürfe der versuchten Vergewaltigung gegen den ehemaligen Chef des | |
Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, haben | |
inzwischen auch Frankreichs Feministinnen auf den Plan gerufen. Sie werfen | |
Politikern und Medienvertretern vor, sich einseitig auf die Seite des | |
Beschuldigten zu stellen und gleichzeitig das mutmaßliche Opfer, ein | |
schwarzes Zimmermädchen des New Yorker Luxushotels Sofitel, zu vergessen. | |
Mehrere Organisationen kritisieren in einer Petition "sexistische Reflexe", | |
die in Frankreich typisch für einen Teil der Elite und einige Medien seien. | |
Dies schaffe eine "unerträgliche Konfusion" zwischen sexueller Freiheit und | |
Gewalt gegen die Frauen, heißt es in der Petition, die bis Montag rund | |
16.000 Bürger unterschrieben hatten. Unter den Unterzeichnern sind mehrere | |
bekannte Journalistinnen und Schriftstellerinnen. Auch einige Politiker, | |
vor allem aus dem linken Lager, schlossen sich dem Protest an - unter ihnen | |
die Europaabgeordnete und mögliche Präsidentschaftskandidatin der | |
französischen Grünen, Eva Joly. | |
Bis zu 3.000 Demonstranten, vor allem Frauen, waren am Sonntag in Paris dem | |
Aufruf mehrerer Organisationen zu einer Protestkundgebung gefolgt. Mit | |
Spruchchören und Transparenten verkündeten sie "Wenn eine Frau Nein sagt, | |
dann heißt das Nein" und "Wir sind alle Zimmermädchen". | |
## Schlüpfrige Witze | |
Nach der Verhaftung und Festnahme Strauss-Kahns, der das Zimmermädchen zu | |
Oralsex gezwungen haben soll, habe es eine Flut von "sexistischen | |
Ausfällen" gegeben, klagt die Vorsitzende der Vereinigung "Osez le | |
Féminisme" ("Wagt den Feminismus"), Caroline de Haas. In Internet-Foren | |
wimmele es von "schlüpfrigen Witzen" und Versuchen, den Straftatbestand der | |
sexuellen Nötigung herunterzuspielen. | |
Natürlich müsse der Grundsatz der Unschuldsvermutung gelten, meint die | |
beliebte Fernsehjournalistin Audrey Pulvar. Dies bedeute aber nicht, dass | |
die Aufrichtigkeit der Klägerin von vornherein in Zweifel gezogen werden | |
dürfe. Nach der Festnahme Strauss-Kahns habe sofort die "These vom | |
Komplott" die Runde gemacht - von dem Zimmermädchen sei hingegen nicht die | |
Rede gewesen, kritisiert auch die frühere Jugend-Dezernentin der Stadt | |
Paris, die Kommunistin Clémentine Autain. | |
Für Empörung sorgt vor allem, dass einige prominente Vertreter der | |
Sozialisten ihrem Genossen Strauss-Kahn, der bis zu seiner Festnahme der | |
sozialistische Hoffnungsträger war, zunächst den Rücken stärkten. Der | |
frühere Kulturminister Jack Lang etwa wunderte sich öffentlich über die | |
Aufregung. Schließlich habe es ja "keinen Toten" gegeben. | |
24 May 2011 | |
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