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# taz.de -- Energiewende und die CDU: C wie christlich, nicht wie Cäsium
> In Münster will Bundesumweltminister Röttgen der Basis die Energiewende
> der Regierung näherbringen. Doch die Christdemokraten bleiben weiter
> skeptisch.
Bild: Norbert Röttgen, CDU, steht inhaltlich jetzt für den Atomausstieg und k…
MÜNSTER taz | Auf dem Weg zur Parteibasis im westfälischen Münster muss
CDU-Bundesumweltminister Norbert Röttgen durch ein Spalier von
Atomkraftgegnern. "Atomanlagen sofort stilllegen" und "Atomkonzerne
enteignen" steht auf deren Transparenten. Doch über Deutschlands einzige
Urananreicherungsanlage, die rund 50 Kilometer entfernt in Gronau liegt,
will Röttgen mit den Demonstranten nicht diskutieren: Der Minister aus
Berlin stand im Stau, und drinnen warten Parteifreunde, die als besonders
konservativ und stur gelten.
"Sie werden von mir nichts über Gronau hören", sagt Röttgen den
Atomkraftgegnern vor der Stadthalle des Münsteraner Vororts Hiltrup deshalb
nur knapp. Bloß kein weiteres Fass aufmachen. Der Rheinländer, der auch
CDU-Landeschef in NRW ist, will seinen Westfalen den Atomausstieg der
Bundesregierung verkaufen. Jahrzehntelang hat die Parteiführung den
Christdemokraten versichert: Die Gronauer Urananreicherung wie die kurz
hinter der Landesgrenze in Niedersachsen liegenden Atomkraftwerke Emsland
und Grohnde sind sicher, ebenso die restlichen 15 deutschen Meiler. Jetzt
gilt das plötzlich nicht mehr.
Die Reaktorkatastrophe von Fukushima habe gezeigt, dass der Mensch die
Natur nicht beherrschen könne, hebt Röttgen an. Die Parteifreunde, darunter
viele grauhaarige ältere Herren, blicken skeptisch. Zusammen mit den
"Restrisiken der Kernenergie" sorgten Naturkatastrophen wie der japanische
Tsunami für eine "einzigartige Risikosituation". Die Basis schweigt.
Röttgen wird moralisch, appelliert an das Gewissen seiner christlichen
Demokraten: "Die Opfer von Tschernobyl und Fukushima sind heute nicht
einmal alle geboren", verweist er auf das Risiko von Missbildungen schon
während der Schwangerschaft. Nur ein Ausstieg aus der Atomenergie sei
ethisch vertretbar, nur ein Aus für die deutschen AKWs entspreche der
christlichen Verantwortung für Mensch und Natur, doziert Röttgen. Applaus
bekommt er dafür nicht.
Der 45-Jährige spürt die Stimmung im Saal. Er beginnt, mit den Chancen der
Energiewende zu werben. Schon heute sei "Deutschland führend" in der
Entwicklung erneuerbarer Energietechnik. Bereits jetzt lebten 370.000
Menschen von den Erneuerbaren. Noch immer klatscht niemand.
Also wird Röttgen grundsätzlich: "Verantwortungsloses Gerede" sei das
Argument von den Grenzen des Wachstums, das sich nur "einige Elitäre"
leisten könnten. "Wir sagen Ja zu Wachstum, Wirtschaft, Industrie. Aber mit
weniger Müll, weniger Energieverbrauch", ruft Röttgen. Endlich applaudieren
die rund 500 Zuhörer.
## CDU als Entschärferin
Ein Christdemokrat zitiert den ehemaligen CDU-Bundestagsfraktionschef
Friedrich Merz, der vor Stromausfällen und der Abhängigkeit von
Stromlieferungen "aus dem Ausland" gewarnt hat. Und der Essener Henning
Aretz fragt sarkastisch, wie er vor Ort "zum zweiten Mal in einem halben
Jahr" eine "ganz neue, faszinierende Energiepolitik" vertreten solle.
Der Umweltminister wirbt mit der Chance, dass ausgerechnet die CDU den "mit
vielen Aggressionen" beladenen gesellschaftlichen Großkonflikt um die
Atomkraft entschärfen könne. Schließlich sorgten sich Grüne und SPD schon
heute, ihnen könnte ein Thema fehlen, "mit dem sie jahrelang Ängste
geschürt" hätten.
Danach springt der Mittelbau der Partei dem Vorsitzenden bei. "Das C in
unserem Parteinahmen steht für christlich, nicht für Cäsium", wirbt etwa
der Europaparlamentarier Peter Liese. Und der Landtagsabgeordnete Rainer
Deppe macht sich generell für die Stilllegung von Großkraftwerken stark:
"Die Zukunft der Energieversorgung ist dezentral." Viele Christdemokraten
haben damit genug gehört. Bewaffnet mit zuvor ausgetrunkenen Bierflaschen,
verlassen sie den Saal.
2 Jun 2011
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
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