# taz.de -- Nach dem Ausstiegsbeschluss: Merkel will die Opposition einbinden | |
> Werden Grüne oder die SPD dem Energiekonzept zustimmen? Die Koalition | |
> hofft, vor allem die Sozialdemokraten einbinden zu können. Die | |
> Anti-Atom-Bewegung kritisiert das Konzept. | |
Bild: Umgarnt von der Kanzlerin: Gabriel und Trittin äußern sich in der Nacht… | |
BERLIN dapd/dpa/afp/taz | Mit dem Atomausstieg binnen zehn Jahren kommt | |
nach Einschätzung der Ethik-Kommission ein Kraftakt auf Deutschland zu. | |
Doch werde dies auch eine große Chance für eine zukunftsfähige Wirtschaft | |
sein, sagte der Kommissionsvorsitzende Klaus Töpfer am Montag bei der | |
Vorstellung der Empfehlungen zur Energiewende. | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Ergebnisse der Kommission als | |
"Richtschnur" und kündigte einen grundlegenden Umbau der Energieversorgung | |
an. Die Regierung will wie von SPD und Grünen gefordert, die sieben | |
ältesten AKW und das Kraftwerk Krümmel sofort stilllegen. Um gegen | |
Stromengpässe gewappnet zu sein, soll ein AKW allerdings als "kalte | |
Reserve" in einem "Stand By"-Betrieb gehalten werden. Ein vollständiger | |
Ausstieg sei nach den Kommissions-Ergebnissen bis 2021 möglich. | |
Kanzlerin Merkel versucht nun, SPD und Grüne einen einen neuen | |
Energiekonsens einzubinden: Noch während die Verhandlungen nachts im | |
Kanzleramt liefen, hatte Merkel SPD und Grüne über den Stand informiert. | |
Bereits vorige Woche hatte es ein Spitzentreffen zu dem Thema gegeben. Die | |
Linke ist bei einem Konsens wahrscheinlich nicht dabei, die Fraktion hatte | |
für einen endgültigen Ausstieg bereits bis 2014 plädiert. | |
## Auch FDP lockt die Sozialdemokraten | |
Die FDP legte am Montagvormittag noch mal nach: Es gebe Signale, dass die | |
SPD einem Konsens zustimmen könnte, sagte FDP-Generalsekretär Christian | |
Lindner am Montag vor Journalisten in Berlin. "Insofern sind wir | |
aufgeschlossen für weitere Gespräche mit der SPD", sagte Lindner und fügte | |
hinzu: "Es gibt Sozialdemokraten, die in der Debatte konstruktiv in | |
Erscheinung treten wollen." Die FDP hält dagegen eine Einbindung der Grünen | |
nicht für möglich. | |
Mittags dann signalisierte SPD-Chef Sigmar Gabriel erstmals Bereitschaft zu | |
Gesprächen über das Konzept der Regierung. Zugleich kritisierte er, dass | |
die Kanzlerin keine klare Führung zeige. Es gebe kein Bekenntnis zu einer | |
klaren politischen Steuerung des Prozesses, kritisierte Gabriel am Montag | |
in Berlin. Die Bundesregierung delegiere dies unter anderem an die | |
Bundesnetzagentur oder überlasse wesentliche Fragen dem freien Spiel des | |
Marktes. Die SPD sei bereit zu Verhandlungen und Gesprächen. Eine ganze | |
Reihe von Einzelfragen müsse aber in den nächsten Wochen und Monaten noch | |
geklärt werden, betonte Gabriel. | |
Bereits in der Nacht hatte der SPD-Chef deutlich Kritik geäußert, vor allem | |
an den Kaltreserven: Er kenne kein Atomkraftwerk, dass man als Kaltreserve | |
fahren könne. "Das sind Vorstellungen, die mit der technischen Wirklichkeit | |
wenig zu tun haben", sagte der frühere Umweltminister nach dem Gespräch mit | |
Merkel am Sonntagabend im Kanzleramt. | |
Die Grüne Fraktionschefin Renate Künast erklärte, bislang handele es sich | |
nur um "ein Zurück zum Status Quo". Zwar hatte auch Rot-Grün den | |
Atomausstieg bis 2022 vorgesehen. "Es ist zwischendurch aber viel passiert | |
– auch in der technischen Entwicklung." Eine Beschleunigung nach Fukushima | |
vermisse sie. | |
Zugleich machte Künast deutlich, dass es noch kein Nein zu dem | |
Konsensangebot gibt. "Wir positionieren uns heute noch nicht." Weitere | |
Details und die Länder-Gespräche am Freitag müssten abgewartet werden. Wenn | |
die Grünen das Angebot nicht von vorneherein als unzureichend bewerten, | |
wollen sie einen Sonderparteitag debattieren und entscheiden lassen. | |
## BUND-Chef Hubert Weiger spricht von "Wortbruch" | |
Die Anti-Atom-Bewegung und Umweltverbände äußerten sich kritisch. Ein | |
Atomausstieg bis 2022 sei keine akzeptable Antwort auf die | |
Reaktorkatastrophe von Fukushima, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger | |
am Montag in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe nach | |
Fukushima versprochen, aus der Atomkraft "so schnell wie möglich" | |
auszusteigen. Dieses Versprechen breche sie nun mit einem verzögerten | |
Atomausstieg, wie er bereits vor zehn Jahren von Rot-Grün beschlossen | |
worden sei, rügte Weiger. | |
Die Bundesregierung gehe wenig konsensorientiert vor, sagte der Sprecher | |
der Anti-Atom-Organisation "ausgestrahlt", Jochen Stay, am Montag in | |
Hamburg. "Von den Oppositionsparteien fordern wir, dass sie sich dem | |
Regierungskurs klar entgegenstellen." Stay sagte, die beiden Meiler im | |
bayerischen Gundremmingen, die am Netz blieben, würden "dem | |
Katastrophen-Kraftwerk in Fukushima fatal ähneln". | |
Die Atomkraftgegner planen deswegen "massenhafte Blockadeaktionen" an | |
mehreren Atomkraftwerken ab Pfingsten. Bei "Campact" ging man mit der | |
Regierung scharf ins Gericht. "Der schwarz-gelbe Ausstiegsplan ist gespickt | |
mit Tricks und Hintertürchen, mit denen der Ausstieg später wieder | |
ausgehebelt werden kann", hieß es am Montag. | |
## Pfingst-Camp in Gedelitz bei Gorleben | |
Auch die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg kritisierte das Energiekonzept | |
der Bundesregierung. Jeder Tag mit Atomstrom sei einer zu viel. So würde | |
weitere elf Jahre Atommüll produziert, monierte Ehmke. Ein Bündnis aus | |
Umwelt- und Anti-Atom-Initiativen fordere in einer auf Dauer angelegten | |
Kampagne eine entsprechende Grundgesetzänderung. | |
Zudem verwies Ehmke darauf, dass in dem Konzept kein offenes | |
Endlagersuchverfahren festgehalten sei: "Schwarz-Gelb tritt mit dem | |
Festhalten an Gorleben auf der Stelle", erklärte Ehmke. Pfingsten werde es | |
deswegen außer in Brokdorf auch in Gedelitz, knapp 5 Kilometer von Gorleben | |
entfernt, ein Anti-Atom-Camp geben, kündigte Ehmke an. | |
Gorleben verspricht noch viel Sprengstoff. Doch inzwischen scheint sich | |
sogar die CSU ein wenig zu bewegen: Sie hat in eine [1][Ausweitung der | |
Standortsuche über Gorleben hinaus] eingewilligt. | |
30 May 2011 | |
## LINKS | |
[1] /1/zukunft/umwelt/artikel/1/seehofer-offen-wir-endlagersuche-1/ | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Energiewende und die CDU: C wie christlich, nicht wie Cäsium | |
In Münster will Bundesumweltminister Röttgen der Basis die Energiewende der | |
Regierung näherbringen. Doch die Christdemokraten bleiben weiter skeptisch. | |
Jürgen Trittin zum Atomausstieg: "Für Lob gibt es keinen Grund" | |
Die Bundesregierung vertraue nach dem Atomausstieg nicht auf Erneuerbare | |
Energien, sondern auf Kohle, kritisiert Grünen-Fraktionschef Jürgen | |
Trittin. | |
Ausstieg aus der Atomkraft: Merkels kompliziertestes Manöver | |
Angela Merkel bekommt, was sie wollte: eine Mehrheit für den Ausstieg aus | |
der Atomkraft. Und die FDP macht den gleichen Fehler wie schon bei der | |
Steuerpolitik. | |
Kommentar Atombeschluss: Kräftig feiern, langen Atem behalten | |
Acht AKWs werden stillgelegt, für immer. Das ist ein großer Etappensieg der | |
Antiatomkraftbewegung. Vor einem Jahr war daran noch nicht zu denken. | |
Energiewende in Deutschland: Noch zehn Jahre Zittern | |
Die letzten Atomkraftwerke in Deutschland sollen im Jahr 2022 vom Netz, | |
dann beginnt die energiepolitische Zukunft. Aber bis dahin dürfen 9 von 17 | |
Meilern weiterlaufen. | |
Überraschender Schwenk der CSU: Seehofer offen für Endlagersuche | |
Bei der CSU stand stets fest, dass der Atommüll nach Gorleben gehört. Das | |
hat sich laut Seehofer grundlegend geändert. Selbst in Süddeutschland soll | |
jetzt nach Standorten gesucht werden. | |
Atomausstieg mit kleinem Puffer: Regierung will bis 2021 raus | |
Union und FDP haben den Ausstieg vollzogen und halten sogar die | |
Brennelementesteuer aufrecht. Das Ausstiegsdatum ist beinahe fix: Einen | |
kleinen "Sicherheitspuffer" soll es aber geben. | |
Anti-AKW-Proteste: Zu Fuß, im Boot, auf dem Traktor | |
160.000 Menschen demonstrierten am Wochenende für den schnellen Ausstieg | |
aus der Atomkraft. Göttingen erlebte die größte Anti-AKW-Demo seiner | |
Geschichte. | |
Bundesamt für Strahlenschutz: Suche nach Gorleben-Alternative | |
Bislang galt Gorleben als einziger möglicher Standort für ein atomares | |
Endlager. Doch der Chef des Strahlenschutz-Bundesamtes will jetzt | |
Alternativen prüfen und lobt BaWü. |