# taz.de -- Warnhinweise auf beschlagnahmten Seiten: Hier streamt die Polizei! | |
> Auf dem beschlagnamten Streamingportal kino.to steht jetzt eine | |
> belehrende Warnung der Kripo – nach US-Vorbild. Aber ist das überhaupt | |
> erlaubt? | |
Bild: Mit Siegel und Wappen: Die Amerikaner wissen, wie man ein Verbot inszenie… | |
"Diese Seite wurde wegen Verstoß gegen das Urheberrecht gesperrt" – Surfer, | |
die in alter Gewohnheit auf dem Streaming-Portal [1][kino.to] aktuelle | |
Filme wie "X-Men: First Class" oder "Hangover 2" kostenlos ansehen wollen, | |
bekommen dort eine schmucklose Seite präsentiert. | |
Dort heißt es: „Die Domain zur von Ihnen ausgewählten Webseite wurde wegen | |
des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung zur gewerbsmäßigen | |
Begehung von Urheberrechtsverletzungen geschlossen." Zusätzlich hat sich | |
die Polizei entschlossen, den Missetätern eine Warnung mit auf den Weg zu | |
geben: "Internetnutzer, die widerrechtlich Raubkopien von Filmwerken | |
hergestellt oder vertrieben haben, müssen mit einer strafrechtlichen | |
Verfolgung rechnen." | |
Doch was bedeutet das? Ist jeder Surfer, der ab und zu Mal auf kino.to | |
geklickt hat, jetzt im Fadenkreuz der Kriminalpolizei? Wer steckt überhaupt | |
hinter dieser Warnung? Die polizeiliche Warnung lässt die Fragen | |
unbeantwortet. | |
Sorgen machen müssen sich zumindest diejenigen, die auf kino.to und den | |
verknüpften Seiten Premium-Zugänge kauften, um Filme schneller streamen zu | |
können. Über Zahlungsinformationen könnten Ermittler relativ einfach ihre | |
Identität ermitteln. Dass die Rechteindustrie tatsächlich gegen normale | |
kino.to-Nutzer vorgeht, ist nicht zu erwarten. | |
Ob das bloße Anschauen von Streams schon gesetzeswidrig ist, ist | |
[2][zumindest umstritten]. Wichtiger jedoch: die Ermittler haben wenig | |
Chancen, die Identität der Gelegenheits-Nutzer zu ermitteln. | |
Für die Betreiber des Portals sieht das freilich anders aus: Wenn die | |
[3][Vorwürfe] von Staatsanwaltschaft und der Gesellschaft zur Verfolgung | |
von Urheberrechtsverletzungen (GVU) zutreffen, haben sie die Grenze der | |
Legalität weit überschritten. Statt einfach Quellen zu verlinken, die sie | |
im Internet aufgespürt haben, sollen sie kurzerhand selbst Raubkopien auf | |
eigenen Servern veröffentlicht und schnellen Zugang an Kunden verkauft | |
haben. | |
## Vorbild USA | |
Zuträger sollen mit [4][1.000 US-Dollar pro Monat] entlohnt worden sein. | |
Gezahlt haben dafür die User, die zum Beispiel auf [5][Abofallen | |
hereinfielen] oder für privilegierten Zugang bezahlten. Ein siebenstelliger | |
Betrag soll so zusammen gekommen sein. | |
Die deutsche Polizei hat sich offensichtlich an dem Vorgehen der | |
US-Behörden orientiert. Seit Juni 2010 geht das Heimatschutz-Ministerium | |
massiv gegen Streaming-Portale vor und konfisziert deren Domains. An Stelle | |
von Streams und Links erscheinen dann martialisch wirkende Infoseiten, die | |
mit ihren amtlichen Wappen dekoriert die Beschlagnahme der Portale | |
verkünden. Allein im November 2010 wurden an einem Tag 82 Portale | |
geschlossen. | |
Der Erfolg gibt den Behörden scheinbar recht: Einmal der Domain beraubt, | |
geben viele Portalbetreiber auf. Mehr noch: andere Betreiber lassen sich | |
von den Maßnahmen beeindrucken und schließen prophylaktisch US-Besucher von | |
ihren Angeboten aus. | |
## Die Portale klagen zurück | |
Das Arrangement der US-Behörden könnten nun ein Ende finden. Denn die | |
Betreiber des spanischen Portals Rojadirecta, die in erster Linie Streams | |
und Aufzeichnungen von Sportübertragungen verlinken, derzeit aber auch | |
Bilder der Proteste in Spanien vertreiben, gehen gerichtlich gegen die | |
Beschlagnahme ihrer Domain vor. "Die US-Regierung hat nicht gezeigt, dass | |
das Portal gegen das Gesetz verstößt, noch kann sie beweisen, dass dies in | |
Zukunft geschehen wird", heißt es in der | |
[6][//www.eff.org/files/Petition:Klageschrift]. | |
Auch die deutschen Behörden bekommen Gegenwind. Eine Kölner Anwaltskanzlei | |
hat das Land Sachsen abgemahnt, weil auf der Informationsseite ein | |
ordnungsgemäßes Impressum fehlt. Eine juristische Retourkutsche: "Das | |
deutsche Recht für Veröffentlichungen im Netz ist so kompliziert, dass | |
selbst Polizisten und Verwaltungsbeamte es nicht durchschauen", erklärt | |
Anwalt Philipp Obladen. "Wie soll es dann der normale Internetnutzer | |
schaffen?" | |
Dass das Land Sachsen tatsächlich die Abmahngebühren zahlen muss, ist aber | |
unwahrscheinlich. So konstruiert Obladen ein Konkurrenzverhältnis zwischen | |
seinem Mandanten, dem Betreiber eines Filmforums, und kino.to. Da das | |
Portal jedoch geschlossen wurde, ist das Konkurrenzverhältnis | |
offensichtlich beendet. | |
Spannender ist die Frage: Kann die Polizei einfach Warnhinweise auf fremden | |
Webseiten veröffentlichen? Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden beruft | |
sich auf Paragraph 94 der Strafprozessordnung, der die Beschlagnahme von | |
Gegenständen regelt, "die als Beweismittel für die Untersuchung von | |
Bedeutung sein können". Doch hätten die Polizisten die Server nur | |
beschlagnahmt, würden kino.to-Besucher nur eine Fehlermeldung sehen. | |
## Unklare Rechtslage | |
Dass dies nicht so ist, sorgt bei Juristen zumindest für Stirnrunzeln. "Ich | |
habe erhebliche Probleme, in der Strafprozessordnung eine geeignete | |
Maßnahme für die Hinterlegung einer selbst erstellten Webseite unter einer | |
fremden, nicht beschlagnahmten Domain zu finden", [7][kommentiert] der | |
Jurist Jens Ferner. | |
Rechtsanwalt Thomas Stadler sieht in der Warnung eine [8][PR-Aktion ohne | |
gesetzliche Grundlage]: "Sachlich handelt es sich möglicherweise um eine | |
Frage der Öffentlichkeitsarbeit von Polizei und Staastanwaltschaft, die | |
bislang allerdings auch nicht ausreichend rechtlich geregelt ist." | |
Ob das Vorgehen der Strafverfolger gerechtfertigt ist, wird wahrscheinlich | |
nie schlüssig geklärt werden. Einspruch gegen die Maßnahme müssten die | |
Betreiber selbst erheben – die haben jedoch mit den Vorwürfen der Bildung | |
einer kriminellen Vereinigung andere Sorgen. Mehr noch: sie würden sich | |
wahrscheinlich selbst belasten, wenn sie offiziell Einspruch erheben. | |
Die Beschlagnahme von Domains hingegen könnte in Zukunft noch öfters | |
deutsche Behörden beschäftigen. So sieht der [9][aktuelle Entwurf des | |
Glücksspielstaatsvertrags] vor, dass die Aufsichtsbehörden die | |
Domain-Registrare zum Sperren von in Deutschland nicht lizensierten | |
Angeboten zwingen können. Warnhinweise werden aber nicht erwähnt. | |
17 Jun 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://kino.to/ | |
[2] /1/netz/netzoekonomie/artikel/1/noch-keine-urteile-zu-streams/ | |
[3] /1/netz/netzpolitik/artikel/1/katz-und-maus-spiel-um-kinoto/ | |
[4] http://netzfeuilleton.de/2011/06/kino-to-ist-noch-nicht-zu-ende-interview-m… | |
[5] /1/netz/netzoekonomie/artikel/1/per-knopfdruck-gegen-abofallen/ | |
[6] http://https | |
[7] http://www.internet-strafrecht.com/darf-eine-staatsanwaltschaft-domains-bes… | |
[8] http://www.internet-law.de/2011/06/darf-die-staatsanwaltschaft-domains-besc… | |
[9] /1/netz/netzpolitik/artikel/1/der-zweite-versuch/ | |
## AUTOREN | |
Torsten Kleinz | |
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