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# taz.de -- Kampf um Urheberrecht im Netz: Katz-und-Maus-Spiel um kino.to
> Die Staatsanwaltschaft hat einiges dafür getan, die Webseite kino.to zu
> schließen. Die Nutzer müssen wohl nicht mit strafrechtlichen Folgen
> rechnen.
Bild: Das Original: Einen Kinobesuch können Filme aus dem Netz nicht ersetzen.
Wie bei jedem Krieg bleibt die Wahrheit zuerst auf der Strecke. Die
populäre Website kino.to gibt es nicht mehr. Die Generalstaatsanwaltschaft
Dresden hat sie schließen lassen. Mehr dürfte man nicht berichten, wenn man
nicht den Verdacht geraten wollte, ein "embedded journalist" zu ein. Alle
Begriffe sind propagandistisch verseucht und mit Vorsicht zu genießen.
War kino.to, das trotz des Länderkürzels nichts mit dem pazifischen
Inselstaat Tonga zu tun hat, eine "Raubkopierer-Seite" oder unterstützte
sie "Produktpiraterie"? Das haben die Betreiber in Interviews immer weit
von sich gewiesen. Kino.to bot Links zu anderen Websites in ganz Europa an,
auf denen man Filme sehen konnte, für die man, wenn es nach den
Privateigentümern dieser Werke ging, hätte bezahlen müssen. Ist das
überhaupt strafbar?
[1][Selbst das ist strittig]. Wer jetzt kino.to aufruft, liest, die Domain
sei wegen des "Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung zur
gewerbsmäßigen Begehung von Urheberrechtsverletzungen" geschlossen und
mehrere Betreiber seien festgenommen worden. Die Nutzer müssten mit einer
"strafrechtlichen Verfolgung" rechnen. Auch das kann man getrost als
Propaganda abtun.
## Wackelige Rechtsgrundlage
Der Konsum dieser "Streaming-Dienste", zu denen kino.to gehörte, ist
[2][nach Meinung einiger Juristen] nicht strafbar, solange man keine Kopie
der jeweiligen Datei auf den eigenen Rechner lädt oder solange man keine
Zusatzsoftware benutzt, die das ermöglicht - wie bei den so genannten
Filesharing-Programmen. Das aber war bei kino.to nicht unbedingt
beabsichtigt: Die Filme konnten im Prinzip auch per Browser angesehen
werden, die Seite ist also eine typische Streaming-Seite. Noch vor einem
Jahr waren nach Angaben von kino.to "357.653 Serien (Episoden), 70.431
Filme und 6.718 Dokumentationen online".
Haben die Ermittlungsbehörden mit Razzien in Deutschland, Frankreich und
den Niederlanden also zu einem "heftigen Schlag gegen
Urheberrechtsverletzer ausgeholt", wie es in vorgestanzten
Pressemitteilungen heißt, oder war dieser Schlag einer ins Wasser? 13
Personen wurden festgenommen, aber werden sie trotz der mehr als wackligen
Rechtsgrundlage auch verurteilt werden? Die Nutzer der Website kino.to, die
es immerhin unter die Top 50 der deutschen Internet-Angebote schaffte, sind
ohnehin wohl kaum in Gefahr, da ihre Rechneradressen nicht gespeichert
wurden.
Haben die Betreiber des popupären Internet-Portals jemanden geschädigt -
und wer ist dieser Jemand? Laut der Gesellschaft zur Verfolgung von
Urheberrechtsverletzungen (GVU) prellen "Raubkopierer" die deutsche
Filmindustrie jährlich insgesamt um mehrere Hundert Millionen Euro.
Unabhängige Quellen für diese These existieren nicht. Die GVU ist auch
nicht, wie etwa die Financial Times Deutschland
[3][streamingportal-kino-to-filmwirtschaft-gelingt-schlag-gegen-raubkopien/
60063052.html:suggestiv behauptet] eine "Soldidargemeinschaft" (dann wäre
auch die IRA eine "Solidargemeinschaft"), sondern eine an den Grenzen der
Legalität operierende Lobby-Gruppe, die vor kaum einem Mittel
zurückschreckt.
Für die GVU ist kinto.to das, was für einen Jugendschützer ein
Sadomaso-Swingerclub ist: Eigentlich ist alles legal, aber aus höheren
moralischen Erwägungen und wegen des großen Ganzen sollte man es besser
doch verbieten.
## Zeitweilig geriet niederländische Firma in Verdacht
Die GVU hatte im April nach eigenen Ermittlungen Strafantrag gegen die
Betreiber des Portals gestellt. Die Polizei ermittelte zuvor schon mehrere
Jahre gegen kino.to. Die Betreiber lieferten sich mit den Häschern der
Ermittlungsbehörden ein Katz-und-Maus-Spiel. Das Länderkürzel "to" sagte
nichts über den Standort der Seite aus. Zeitweilig geriet die
niederländische Firma Euroaccess in Amsterdam unter Verdacht.
Als sich endlich ein Richter fand, der das Unternehmen per einweiliger
Verfügung zwang, Nutzerdaten herauszurücken, liefen die Fahnder ins Leere:
Die gesuchten Personen wohnen nicht an den angegebenen Adressen oder
existierten überhaupt nicht. In Sachsen aber ließ man nicht locker.
Die Staatanwaltschaft nahm an, weil es vielleicht der Wahrheitsfindung
diente, dass die Betreiber von kino.to und die Streamhoster - also die
Websites, auf die verlinkt wurden -, unter einer Decke steckten.
Die Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen (INES), die ursprünglich die
Korruption im Freistaat bekämpfen sollte, wurde auf den Fall angesetzt.
Sechs Staatsanwälte und drei Dutzend weitere Mitarbeiter widmeten sich
jetzt ganz dem "roten Tuch" der deutschen Filmwirtschaft, dem Schutz des
Urheberrechts und des Privateigentums - bis kino.to jetzt abgeschaltet
wurde.
## Bei den Nutzern überwiegt die Schadenfreude
Auf Solidarität können die Betreiber des populären Angebots nicht hoffen,
noch nicht einmal bei denen, die es gern nutzen. Ganz im Gegenteil: es
überwiegt die Schadenfreude. Kino.to galt selbst im Milieu der so genannte
"Produktpiraten" als üble "Abzocker-Bude", die in den vergangen Jahren
selbst öfter erfolgreich das Ziel von Hacker-Angriffen war.
Die Betreiber verdienten nicht nur Geld mit Werbung und "Premiumdiensten",
die angeblich schnellere Downloads ermöglichten. Sie versteckten auch
kostenpflichtige Abos auf ihrer Website, die technisch weniger versierte
Internet-Nutzer dazu verleiten suchten, sich Programme zu installieren, die
man getrost als "malware" - also schädliche Software - bezeichnen kann.
Der Nutzer musste dann doch Namen und Anschrift angeben. Wer die Meldung
"durch Drücken des Buttons 'Anmelden und zum Download' entstehen Ihnen
Kosten von 96 Euro inkl. Mehrwertsteuer pro Jahr. Vertragslaufzeit 2 Jahre"
übersah oder ignorierte, dem drohte der Inkassoanwalt.
Auch die ominöse Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen
(GVU), auf deren Betreiben hin kino.to abgeschaltet wurde, geriet schon mit
dem Gesetz in Konflikt. Vor fünf Jahren veröffentlichte die
Computerzeitschfit c't Unterlagen, aus denen hervorging, dass die GVU nicht
nur Informanten aus dem einschlägigen "Warez"-Milieu bezahlte, sondern dass
sie selbst [4][den Betrieb von Raubkopierer-Servern finanziell unterstützt]
hatte. Im Januar 2006 durchsuchte das Landeskriminalamt Baden-Württemberg
die Hamburger Geschäftsräume der Gesellschaft und die Wohnung eines
hochrangigen Mitarbeiters.
Der Kampf der Lobbyisten um das Urheberrecht in Internet ähnelt eher einer
Schlammschlacht gegen eine vielarmige Hydra, die kaum zu gewinnen ist.
Kino.to war nur ein Angebot von vielen. Die direkte Konkurrenz Movie2k.to
verlautbarte auf ihrer Webiste: "Wir bieten lediglich Verweise auf andere
Webseiten an, auf denen die Filme hinterlegt sind. Deswegen halten wir
unser Angebot für legal."
9 Jun 2011
## LINKS
[1] http://blog.delegibus.com/2010/10/10/raubkopieren-ist-doch-gar-nicht-strafb…
[2] http://www.gulli.com/news/kino-to-ra-christian-solmecke-sch-tzt-risiken-f-r…
[3] http://www.ftd.de/it-medien/medien-internet/
[4] http://www.heise.de/newsticker/meldung/GVU-Fahnder-als-Raubkopierer-Kompliz…
## AUTOREN
Burkhard Schröder
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