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# taz.de -- Buch über digitalen Umweltschutz: Kreative Kopien
> "Mashup. Lob der Kopie" von Dirk von Gehlen ist eine entschiedene
> Intervention zu Fragen von freier Meinungsäußerung und Demokratisierung
> des Wissens.
Bild: Aus Reproduktion entsteht Neues und Erhellendes.
Ein Buch voller Fußnoten und Interviews hat das Zeug dazu, die verworrene
und verfahrene Debatte über Urheberrecht, "geistiges Eigentum", ökonomische
Interessen der Musik- und Filmindustrie sowie freie Kultur im Internet neu
zu ordnen und sie sogar voranzubringen. Denn die vielen Fußnoten in Dirk
von Gelens Sachbuch "Mashup. Lob der Kopie" sind nichts anderes als ein in
kleiner Schrift gedruckter und mit einer Nummerierung versehener Ausdruck
des Gleichnisses der "Zwerge auf den Schultern von Riesen".
Anders gesagt: Der Autor bedient sich wissenschaftlich an der vorhandenen
Literatur zum Thema Original/Kopie/Reproduktion in Kunst und Kultur,
zitiert umfangreich aus Werken anderer und weist seine Fundstücke akribisch
aus. Würde dies ein unbekannter Musiker machen, sähe er sich schnell dem
Vorwurf des partiellen "Raubkopierens" oder des Plagiats vonseiten der
Musikindustrie ausgesetzt, auch wenn er die Zitate ausweist. "Mashup"
arbeitet zudem auch noch mit Interviews, die bereits an anderer Stelle
erschienen sind, also wieder keine extra fürs Buch verfassten
Originalbeiträge sind.
Und doch entsteht aus so viel Reproduktion Neues und Erhellendes. Ausgehend
von der Krise des Originals, der nach allerlei Major-Labels,
Filmproduzenten und Medienhäusern zuletzt auch Karl-Theodor zu Guttenberg
zum Opfer fiel, arbeitet sich Dirk von Gehlen durch mehr oder weniger
kreative Kopien im Sport, der Genetik, der Pharmazie, vor allem aber in
Musik, Film, Literatur und Kunst.
## Digitaler Umweltschutz
Über Remixe, alternative Lizenzkonzepte wie Creative Commons, die
"Kulturflatrate" und unterschiedliche "Versionen" von Originalen gelangt er
schließlich zum Kern des Buchs: einem "Plädoyer für einen neuen Begriff des
Originals" und der Forderung nach einem "digitalen Umweltschutz", der "die
kreativen Potenziale der Kopie" einschließt. Diesen Potenzialen gegen die
irreführenden Begriffe "Raubkopie", "geistiges Eigentum" bzw. "geistiger
Diebstahl" von Abmahnanwälten, Rechteinhabern, Verwertungsgesellschaften
und Politikern Geltung zu verschaffen, ist die große Leistung von "Mashup".
Systematisch und abseitig zugleich nimmt der Autor kulturelle Phänomene in
den Blick, denen die Dialektik von Original und Kopie innewohnt oder die
damit spielen: Bastard-Pop, Bricolage, Dubbing, Eigenplagiat, Generika,
Imitation, Intertextualität, Karikatur, Mimikry, Parodie, Remake,
Sicherungskopie, Sweden, Youtube-Karaoke. Das 50 Seiten starke Glossar
allein ist schon die Lektüre des Buchs wert.
## Der Geniebegriff
Von Gehlen beschränkt sich nicht darauf, Begriffe zu ordnen und einen
vorsichtigen Ausblick auf eine Zeit zu geben, in der Lizenzen und
Urheberrechte mehr sind als die Copyrights und "Verwerterrechte" von heute.
Indem er etwa aus dem "Original" den "Geniebegriff" herausdestilliert,
werden Aspekte und Traditionen aus Kunst-, Ideen- und Machtgeschichte
sichtbar und unterschiedliche Ausprägungen des Schutzes von Künstlern und
Autoren (Urheberrecht) bzw. Verwertern (Copyright) nachvollziehbar.
"Mashup" (auf Deutsch etwa: aufmischen) ist eine entschiedene Intervention
zu Fragen von freier Meinungsäußerung, gesellschaftlicher Teilhabe und
Demokratisierung des Wissens. "Eine freie Gesellschaft muss ihren
Mitgliedern die Möglichkeit der Teilhabe und Partizipation einräumen - und
dazu zählt (nicht nur im digitalen Raum) auch das Kopieren", schreibt von
Gehlen.
Er zitiert, also kopiert, einen Satz des US-Philosophen Josiah Royce,
demnach dieses Buch sein Ziel erreicht hätte, wenn klar würde, dass die
"Fähigkeit zur Nachahmung (ein) absolut wesentliche(s) Element (…) unserer
Rationalität" ausmache und "unsere mentale Entwicklung, unsere Qualitäten
als Denker, Arbeiter und Produzenten" beeinflusse.
Dirk von Gehlen: "Mashup. Lob der Kopie". Edition Suhrkamp, Berlin 2011,
233 Seiten, 15 Euro
2 Nov 2011
## AUTOREN
Maik Söhler
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