# taz.de -- Polizeiaktion auf Dresdner Anti-Nazi-Demo: Datenskandal wird zur Ch… | |
> Sachsens Justizminister geht davon aus, dass weit mehr als 138.000 | |
> Handyverbindungen in Dresden ausgespäht wurden. Inzwischen fordert der | |
> Ministerpräsident einen Sonderbericht. | |
Bild: Mit dem Handy telefoniert? Dann nützt auch der Schal nix mehr. | |
BERLIN taz | Der Dresdner Datenskandal beschäftigt jetzt die sächsische | |
Regierung. Innen- und Justizminsterium sollen bis Freitag | |
Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU) einen umfassenden Bericht zu | |
großflächigen Handyüberwachung rund um die Anti-Nazi-Proteste vom 19. | |
Februar vorlegen. | |
Schon am Dienstag wurde die Funkzellenauswertung im sächsischen Kabinett | |
diskutiert. Justizminister Jürgen Martens (FDP) sagte anschließend: "Ich | |
muss davon ausgehen, dass noch mehr Daten erhoben wurden." Ein | |
Ministeriumssprecher bestätigte der taz, dass es Hinweise darauf gebe, dass | |
noch mehr als die bisher bekannten 138.000 Datensätze gespeichert wurden. | |
"Wir tragen derzeit noch die Fakten zusammen." Der Minister selbst habe | |
erst aus der taz von den Maßnahmen erfahren, so der Sprecher. | |
Bisher bekannt ist, dass die Dresdner Polizei mindestens 138.000 ein- und | |
ausgehende Telefongespräche und Kurzmitteilungen am 19. Februar ausgespäht | |
hat. Ein Polizeisprecher bestätigte der taz, dass die erhobenen Daten bis | |
heute gespeichert sind. | |
Die Abfrage der Handyverbindungen erfolgte von 14 verschiedenen Tatorten in | |
Dresden. Bestätigt wurde bisher nur, dass die Dresdner Südvorstadt | |
Schwerpunkt dieser Taten war, bei denen es sich "überwiegend um schwere | |
Landfriedensbrüche" gehandelt haben soll, so die Polizei. Also "Angriffe | |
von Personen auf Einsatzkräfte, polizeiliche Einrichtungen aber auch | |
Auseinandersetzungen zwischen politisch entgegengesetzten Gruppierungen". | |
Über welchen Zeitraum sich die Maßnahme genau erstreckte, verschweigen die | |
Behörden weiter. Wie aus den Ermittlungsakten eines Betroffenen hervorgeht, | |
wurden aber mindestens in der Zeit von 13 bis 17.30 Uhr Handydaten erfasst. | |
## Polizei handelte eigenmächtig | |
Besonders pikant ist, dass die Polizeibehörde, wie es scheint, eigenmächtig | |
aus der Funkzellenauswertung gewonnene Handydaten auch in Akten übernommen | |
hat, die mit den eigentlichen Ermittlungen wegen schweren | |
Landfriedensbruchs nichts zu tun haben. Ein Sprecher bestätigte, dass dies | |
in 45 Ermittlungsverfahren der Fall war. "Aufgrund der Festlegung der | |
Staatsanwaltschaft ist eine Verwertung in Bezug auf Blockadeaktionen | |
ausgeschlossen", stellt die Polizeidirektion jetzt zerknirscht fest. | |
Am 27. Juni soll eine Sondersitzung des Innen- und Rechtsausschusses in | |
Sachsen stattfinden. Auch der Landtag befasst sich kommende Woche mit der | |
Funkzellenauswertung. | |
Die Opposition im Landtag forderte schleunigst Aufklärung. So verlangte die | |
Fraktion der Linkspartei die Einsetzung einer unabhängigen | |
Untersuchungskommission. Die Grünen bezeichneten die Datenerhebung als | |
einen "richterlich genehmigten Anschlag auf die Demokratie" und | |
"beispiellosen Lauschangriff". Die SPD erklärte, es sei absolut | |
unglaubwürdig, dass die Minister erst am Montag aus der Zeitung von der | |
Überwachungsaktion erfahren haben. | |
Auch Datenschützer sind alarmiert. "Man weiß ja gar nicht, ob noch weitere | |
Behörden bei der Datenerhebung und -auswertung beteiligt waren", sagte ein | |
Sprecher des sächsischen Datenschutzbeauftragten Andreas Schurig der taz. | |
"Denkbar wäre das." | |
Die Behörde will umfassend prüfen, wer bei der großräumigen | |
Handyüberwachung federführend war und was genau mit den Daten geschehen | |
ist. | |
Das Bündnis [1][Dresden Nazifrei] hat auf seiner Internetseite ein | |
Musterschreiben online gestellt. Wer am 19. Februar in Dresden war, kann | |
dies an die Staatanwaltschaft Dresden schicken und so erfragen, ob | |
Handydaten gespeichert wurden. Sollte dies der Fall sein, kann beim | |
Amtsgericht ein Antrag auf Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme gestellt werden. | |
21 Jun 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://www.dresden-nazifrei.com/ | |
## AUTOREN | |
Paul Wrusch | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Überwachung | |
Schwerpunkt Überwachung | |
Schwerpunkt Überwachung | |
Schwerpunkt Überwachung | |
Schwerpunkt Überwachung | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Handyaffäre geht weiter: Hörte die "Firma" in Dresden mit? | |
Neues in der Dresdner Handyaffäre: Es gibt Hinweise darauf, dass auch der | |
Verfassungsschutz an der Überwachung während der Nazi-Demonstration | |
beteiligt war. | |
Funkzellenauswertung Dresden: Riesiger Datenpool | |
Das Gesetz ist im Falle der Datenspeicherung in Dresden auf der Seite der | |
Handynutzer: Eine Funkzellenabfrage vom Dresdner Ausmaß ist | |
unverhältnismäßig. | |
Handy-Überwachung bei Demos: Berlin fischt keine Demo-Daten | |
Anders als die Kollegen in Dresden hat die Berliner Polizei bei | |
Demonstrationen noch keine Funkzellenauswertungen durchgeführt. | |
Kommentar Handyüberwachung in Dresden: Daten wecken Begehrlichkeiten | |
Der Zugriff auf einen Datenpool wie in Dresden muss richterlich genehmigt | |
werden. Deshalb ist eine schnelle Änderung der Strafprozessordnung zwingend | |
notwendig. | |
Kommentar Handyüberwachung in Dresden: Aufarbeiten statt löschen | |
Nach der massenhaften Speicherung und Überwachung von Handydaten wird der | |
Ruf nach einer Löschung der Daten laut. Doch die Daten werden noch | |
gebraucht. | |
Polizeiaktion auf Dresdner Anti-Nazi-Demo: 138.000 Handydatensätze ausgespitze… | |
Reiche Beute: Bei der Handy-Überwachung der Anti-Nazi-Proteste in Dresden | |
landeten 138.000 Datensätze auf dem Polizeirechner. Sachsens | |
CDU-Innenminister verteidigt das. | |
Polizeiaktion auf Dresdner Anti-Nazi-Demo: Handy-Überwachung hat Nachspiel | |
Nach der Erfassung tausender Handydaten spricht Wolfgang Thierse (SPD) von | |
einem "skandalösen Vorgang". Nun wird sich auch der sächsische Landtag mit | |
dem Thema befassen. | |
Demo-Überwachung per Mobilfunk: Mal eben ausgespäht | |
Die Technik ist da, die Polizei hat sie genutzt: Bei Protesten gegen | |
Neonazis wurden in Dresden zehntausende Handydaten erfasst. Betroffene | |
erwägen nun, dagegen zu klagen. |