# taz.de -- Datenskandal in Dresden: Polizei hörte doch Handys ab | |
> Laut taz-Informationen wurden auch Telefongespräche gespeichert. Doch | |
> Dresdens Innenminister Ulbig (CDU) behauptet das Gegenteil. Die Linke | |
> fordert seinen Rücktritt. | |
Bild: Steht enorm unter Druck: Innenminister Markus Ulbig. | |
BERLIN taz | Bei den Antinaziprotesten am 19. Februar in Dresden wurden | |
auch Inhalte von Telefongesprächen erfasst, gespeichert und ausgewertet. | |
Das geht aus dem Beschluss der Staatsanwaltschaft Dresden zu einer | |
Hausdurchsuchung hervor, der der taz vorliegt. | |
Die Ermittlung des Landeskriminalamts Sachsen richtet sich gegen insgesamt | |
17 Verdächtige aus dem linken Spektrum, denen die Bildung einer kriminellen | |
Vereinigung vorgeworfen wird. Im Rahmen dieser Ermittlung hatte die Polizei | |
auch durch eine Funkzellenauswertung Hunderttausende Handyverbindungsdaten | |
erfasst. | |
Johannes Lichdi, rechtspolitischer Sprecher der Grünenfraktion in Sachsen, | |
erklärte am Mittwoch, ihm läge zudem ein amtliches Dokument vor, das den | |
Einsatz von so genannten IMSI-Catchern am 19. Februar im Dresdner | |
Stadtgebiet bestätige. Weil er seine Quelle schützen müsse, könne er nicht | |
konkreter werden. Mit der IMIS-Catcher, der eine Funkzelle imitiert, können | |
Handygespräche abgehört werden. | |
Dies widerspricht der Darstellung von Sachsen Innenminister Markus Ulbig | |
(CDU). Bei der Landtagsdebatte am Mittwoch sagte er, bei der Demo seien | |
keine Gesprächsinhalte mitgehört worden. Demnach sei auch kein IMSI-Catcher | |
zum Einsatz gekommen. Später teilte Ulbig dann schriftlich mit, dass er | |
nicht ausschließen könne, dass eine andere Behörde ein solches Gerät | |
eingesetzt habe. | |
## CDU: Linke will von Gewaltorgie ablenken | |
"Ulbig hat den Ministerpräsidenten falsch informiert und ist damit nicht | |
mehr im Amt zu halten", sagte André Hahn, Fraktionschef der Linkspartei in | |
Sachsen, der taz. In einem Bericht an Ministerpräsident Stanislaw Tillich | |
(CDU) war vom Abhören von Handys bei der Demo keine Rede gewesen. | |
Die aktuelle Debatte im Landtag war zudem stark von der Auseinandersetzung | |
geprägt, ob der richterliche Beschluss zur Funkzellenabfrage rechtmäßig | |
war. Johannes Lichdi von den Grünen verneinte dies kategorisch. Vertreter | |
der schwarz-gelben Regierung verteidigten das Vorgehen. Erneut hob die CDU | |
dabei auf die 112 verletzten Polizisten ab. Ihr innenpolitischer Sprecher | |
Volker Bandmann sagte, die Linke wolle mit ihrer Kritik an der | |
Datensammlung "von der Gewaltorgie in Dresden ablenken". | |
Eine bemerkenswerte Rede hielt der FDP-Rechtspolitiker Carsten Biesok. | |
"Dresden ist das erste richtige Beispiel, was mit der | |
Vorratsdatenspeicherung passieren kann", kritisierte er diese | |
Überwachungsmethode. Dresden habe das Gegenteil des | |
Verhältnismäßigkeitsprinzips erlebt. "Wer nichts zu verbergen hat, hat auch | |
nichts zu befürchten - wer so denkt, macht sich zum Untertan", fügte Biesok | |
hinzu. | |
Beim Koalitionspartner CDU rührte sich dafür keine Hand zum Beifall. Es sei | |
Sache der Gerichte zu entscheiden, ob für die Funkauswertung die | |
Voraussetzungen nach Paragraph 100 g der Strafprozessordnung gegeben waren, | |
ergänzte Justizminister Jürgen Martens (FDP). Sechs betroffene | |
taz-Journalisten haben bereits vergangenen Woche vor Gericht Beschwerde | |
eingelegt. | |
Sabine Friedel von der SPD-Fraktion kritisierte die mangelnde | |
Auskunftsbereitschaft vor allem des Innenministeriums. André Hahn erwartete | |
eigentlich eine Regierungserklärung von Ministerpräsident Tillich. Die | |
Datensammlung sei „Ausdruck tiefen Misstrauens der Regierung gegenüber der | |
Bevölkerung“, so Hahn. Sein SPD-Kollege Martin Dulig fühlte sich gar an | |
Orwells "1984" erinnert. Wegen der vielen offenen Fragen erwägt die Linke, | |
eine Landtags-Sondersitzung in der kommenden Woche zu beantragen. Ob Grüne | |
oder SPD die dazu fehlenden vier Unterstützungsstimmen beitragen werden, | |
war zunächst noch unklar. | |
29 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
M. Bartsch | |
P. Wrusch | |
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