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# taz.de -- Unabhängigkeit des Südsudan: Zittern vor dem Tag der Freiheit
> Scharfe Sicherheitsvorkehrungen, explodierende Preise und eine Mischung
> aus Vorfreude und Sorge: Wie sich Südsudans Hauptstadt Juba auf die
> historische Feier vorbereitet.
Bild: Vorbereitung auf den großen Tag in Juba.
JUBA taz | Auf dem staubigen Platz üben Schüler die neue Nationalhymne,
Beamte singen während der Mittagspause. Bis zum 9. Juli, wenn der jüngste
Staat der Welt offiziell unabhängig wird, muss alles stimmen. Der Text
"Gott, wir loben und ehren deinen Segen für Südsudan, Land des Überflüsses"
ist auf Englisch. Das ist anstrengend: Englisch sowie Arabisch sind
Südsudans Amtssprachen, aber vor allem Englisch spricht kaum jemand.
"Für die jüngste Nation der Welt haben wir ein ziemlich altmodisches Lied",
meint Hiba. Die junge südsudanesische Mitarbeiterin einer internationalen
Organisation mag eigentlich Hiphop und Reggae. "Aber ich werde mich schon
an die träge Musik gewöhnen. Jedenfalls werde ich es am 9. Juli auswendig
kennen."
In Südsudans Hauptstadt Juba herrscht kurz vor dem großen Tag fiebrige
Geschäftigkeit. Eine riesige Ladung Fahnen ist angekommen, "Made in China".
Die paar asphaltierten Strassen und sogar die vielen Sandwege werden
täglich gefegt, Gebäude gestrichen.
Am Mausoleum des verstorbenen südsudanesischen Freiheitskämpfers John
Garang werden überdachte Tribünen für die Feier errichtet: Hier soll
Präsident Salva Kiir das neue Grundgesetz unterschreiben. Es soll
Militärparaden und traditionelle Tänze geben.
## Ein Stück Garten fürs Zelt suchen
Schon seit Wochen sind alle Hotels für hohe Staatsgäste ausgebucht, die
Zimmerpreise haben sich verdoppelt. Journalisten, die nach Juba kommen,
müssen mit ihren Zelten ein Stück Garten bei Hilfswerken oder Bekannten
suchen. Ab 7. Juli ist der Flughafen für normale Fluggäste geschlossen. Nur
noch Staatsgäste reisen dann an.
Eine fröhliche Feier war eigentlich für den 9. Juli geplant. Die Scheidung
zwischen Nord- und Südsudan sollte unter Jahrzehnte des Blutvergießens
einen Sclußstrich ziehen. Als im Januar der Süden mit überwältiger Mehrheit
in einer Volksabstimmung die Unabhängigkeit beschloss, herrschte noch
Euphorie.
Aber kein halbes Jahr später haben sich dunkle Wolken über dem jetzt noch
vereinten Sudan zusammengebraut. Die Streitthemen Grenzverlauf, Öl und
Schuldenlast zwischen Nord und Süd bleiben ungelöst, Kämpfe um die
umstrittene Grenzregion Abyei und um die nordsudanesische Provinz
Südkordofan haben im Süden Angst vor einem neuen großen Krieg genährt.
In Juba halten sich die Offiziellen bedeckt. Man will alles vermeiden, was
der Norden als Provokation auffassen könnte. Die Unabhängigkeit am 9. Juli
geht vor.
Täglich erscheinen jetzt mehr Sicherheitskräfte in Juba. Immer wieder
durchsucht die Armee Häuser nach Waffen. Die Regierung will kein Risiko
eingehen. Während der Razzien dürfen Autos nicht fahren.
## Ein Liter Benzin 10 Euro auf dem Schwarzmarkt
Um die Stadt zu verschönern, haben die Behörden in Juba Hunderte Marktbuden
abgerissen. Dadurch sank das Warenangebot, der Kundenandrang an den
verbliebenen Marktständen stieg und parallel dazu die Preise. Die
Lebenshaltungskosten erhöhen sich täglich. Erst blockierte die Gewalt an
der Grenze zum Norden den innersudanesischen Handel, vor allem mit
Treibstoff. Im Süden, wo drei Viertel der Ölquellen des Sudan liegen,
fuhren kaum noch Busse oder Mopedtaxis. Auf dem Schwarzmarkt kostete der
Liter Benzin und Diesel knapp 10 Euro. Mittlerweile kommt Benzin aus Uganda
und Kenia.
Aber trotzdem laufen in Juba mehr Menschen zur Arbeit als früher. Lange
Strecken in der tropischen Hitze, durch den Sand oder durch heftige
Regenschauer - die Regenzeit hat begonnen. "Vorige Woche bekam ich für drei
sudanesische Pfund noch zwanzig Tomaten, jetzt nur noch die Hälfte",
nörgelt Aggyedha, eine Hausfrau. Sieben kleine Bananen kosten sechs Pfund,
etwa zwei Euro. "Das liegt am Sprit", erklärt die ugandische Marktfrau.
"Die Bananen kommen aus meinem Land und das ist weit weg. Ich würde sie ja
gern billiger verkaufen". Aggyedha glaubt ihr kein Wort.
"Es gibt riesig viele Probleme", bestätigt Godfrey, ein junger Anwalt. "Das
Grundgesetz stimmt nach meiner Meinung nicht. Die Gewalt aus dem Norden ist
beängstigend. Das Leben ist sehr teuer geworden. Aber was auch geschieht,
wir werden unsere Freiheit feiern am 9. Juli. Und am nächsten Tag sehen wir
weiter."
3 Jul 2011
## AUTOREN
Ilona Eveleens
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