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# taz.de -- Bachmannpreis in Klagenfurt: Der Autorenkampf ist deine Party
> In idyllischer Umgebung spielen sich Dramen ab, der Wörthersee fungiert
> als Gemeinschaftsstifter und Einsammacher: eine Einstimmung auf den
> Bachmannpreis.
Bild: Die größte Waffe des Festivals: der See.
"Auf sie mit Idyll" heißt ein Buch des Autors Wiglaf Droste. Er hat es in
der Nähe von Schloss Rheinsberg geschrieben, bei Berlin, wo er ein
Stipendium hatte. Eine schöne Gegend. Der Grienericksee, der Rheinsberger
See, der Große Linowsee: Seen ohne Ende. Aber im Autor drin weiterhin
gedankliche Dramen, die toben und brüllen. Wahrscheinlich kann einem so ein
Titel nur in so einer Umgebung einfallen.
Oder in Klagenfurt, während des Bachmannpreises. Auch hier spielen sich in
idyllischer Umgebung große Dramen ab: eine Autorin erleidet eine große
Ungerechtigkeit, ein Autor erfährt endlich die Anerkennung, die er verdient
hat, eine Autorenhoffnung geht sang- und klanglos unter; und kurz vor
Schluss, als alle schon gedacht haben, was ist das denn wieder für ein
mittelmäßiger Jahrgang, reißt jemand mit seiner Lesung alles raus. Und auch
hier, in Klagenfurt, gibt es einen See, den Wörthersee, der allen
Beteiligten zugleich die Erfahrung der Relativierung allen menschlichen
Tuns schenkt.
Im Fernsehstudio mag noch so sehr das Adrenalin schwirren, der Wörthersee
schickt dann höchstens eine kleine Welle an den Steg, von dem aus die
Bachmannfahrer nach den Lesungen gern ins Wasser springen. Der See ist die
größte Waffe dieses Festivals. Ein Gemeinschaftsstifter und ein
Einsammacher. Man kann triumphal in ihn eintauchen wie in den Ozean der
Literatur selbst. Und man kann, nur hundert Meter vom Ufer entfernt, in ihm
ganz allein sein mit sich, seinen Gedanken und seinem Schicksal. So allein,
wie man als Autor vielleicht sonst nur am Schreibtisch ist.
## Lyrische Gedanken und die Badehose
Solche im Grunde allzu lyrische Gedanken gehören nun einmal zu den üblichen
Vorbereitungen so einer Klagenfurtfahrt wie das Buchen des Hotels und das
Einpacken der Badehose. Kurz bevor es losgeht, macht man sich beinahe
automatisch noch einmal Gedanken darüber, was der Bachmannpreis eigentlich
ist und was ihn so besonders macht. Und jetzt geht es halt wieder los.
Mittwoch 20.30 Uhr: Eröffnung, Auslosung der Lesereihenfolge, Empfang.
Donnerstag: 10.15 bis 15.15 Uhr Lesungen und Diskussionen, dann
Berichterstatterpflichten, Rahmenprogramm, Sozialkontakte. Freitag: 10.15
bis 15.15 Uhr das Gleiche. Samstag: 9.45 bis 14 Uhr das Gleiche. Sonntag:
11.30 Uhr Preisverleihung. So weit der Rahmen. Aber diese dürren Daten
verraten nur wenig von den Kämpfen, die sich dabei abspielen. Von den
Kämpfen und dann von der Relativierung des Kämpfens am See.
Es verfehlt das Wesentliche, wenn man Klagenfurt nur nach den Texten
beurteilt, die man dabei kennen lernt. Unter den Kulturevents und
Betriebsausflügen des Literaturbetriebs war Klagenfurt immer schon etwas
Besonderes - selbst in den Neunzigern, als es eine Zeit lang zu einem
reinen Nachwuchswettbewerb herabgesunken war. Inzwischen ist es sogar noch
mehr zu etwas Besonderem geworden. Auf diese Idee kann man jedenfalls
kommen, wenn man den Essay "Den Autor umarmen" des Literaturkritikers und
Bachmannjurors Hubert Winkels in der aktuellen Ausgabe der
Literaturzeitschrift Volltext liest.
## Das Autorendasein ist ein Kampf
Winkels beschreibt, wie er ein Literaturfestival organisieren wollte, sich
aber von Autoren nur Absagen holte, Terminschwierigkeiten wegen. Georg
Klein war am anvisierten Termin bereits bei den Freiburger Literaturtagen,
Melinda Nadj Abonji bei der Buchmesse in Basel und Ilija Trojanow bei den
Münchner Literaturtagen …
Tatsächlich wird der Autor gerade sehr gern umarmt. Es gibt
Literaturfestivals ohne Ende. Aber Klagenfurt ist anders. Hier werden
Autoren nicht "präsentiert" oder "gefeiert" oder wie die Floskeln alle
lauten. Hier setzen sie sich live der Bewertung aus. Das ist oft hart,
wirkt manchmal auch anachronistisch, und überhaupt wird man Klagenfurt auch
dieses Jahr wohl wieder mit seinem Wunsch überlastet, dem Wettbewerb
grundsätzliche Entwicklungen der deutschsprachigen Literatur ablesen zu
können. Aber nirgendwo kann man besser sehen, dass ein Autorendasein eben
auch ein Kampf ist, ein oft schöner, notwendiger, manchmal aber auch ein
frustrierender Kampf. Und ein Kritikerdasein ist das, wie man an der Jury
sehen kann, auch.
So, die Sachen sind gepackt. Auf nach Klagenfurt, ins Idyll!
6 Jul 2011
## AUTOREN
Dirk Knipphals
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