# taz.de -- Urteil nach Schadenersatzklage: Dreitausend Euro für Gäfgen | |
> Der Kindsmörder hatte Erfolg mit seiner Zivilklage gegen das Land Hessen. | |
> Die polizeiliche Folterdrohung habe Magnus Gäfgens Menschenwürde | |
> verletzt. | |
Bild: "Unvorstellbare Schmerzen" wurden Magnus Gäfgen angedroht - deswegen bek… | |
FRANKFURT/MAIN taz | Fast hätte es diesen Prozess gar nicht gegeben. "Keine | |
Erfolgsaussichten", hieß es zunächst bei der Frankfurter Justiz, als der | |
verurteilte Kindsmörder Magnus Gäfgen vom Land Hessen Schmerzensgeld | |
verlangte. Erst das Bundesverfassungsgericht ordnete im Jahr 2008 an, dass | |
Gäfgen Prozesskostenhilfe bekommen sollte. | |
Die Verfassungsrichter lagen richtig. Denn Gäfgen hatte mit seiner Klage | |
nun Erfolg. Das Land Hessen muss ihm [1][3.000 Euro Entschädigung] zahlen - | |
als Ausgleich für die Folterdrohung, die der damalige Vizepräsident der | |
Frankfurter Polizei, Wolfgang Daschner, im Herbst 2002 angeordnet hatte. | |
Das entschied am Donnerstag eine Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt. | |
Das Urteil ist eine neue Wendung in einem der dramatischsten Kriminalfälle | |
dieses Landes. Vor neun Jahren hatte der damals 27-jährige Jurastudent | |
Gäfgen aus Geldgier den Bankierssohn Jakob von Metzler entführt und | |
ermordet. Als Gäfgen festgenommen wurde, wusste die Polizei noch nicht, | |
dass der elfährige Junge bereits tot war. Gäfgen log und führte die Polizei | |
an der Nase herum. Da entschied Daschner, dass Gäfgen Schmerzen angedroht | |
und notfalls zugefügt werden sollten. Kommisar Ortwin Ennigkeit führte den | |
Befehl aus, darauf gab Gäfgen den Fundort des Jungen preis. Später wurde | |
Gäfgen zu lebenslanger Haft verurteilt. Er sitzt seit neun Jahren im | |
Gefängnis Schwalmstadt. | |
"Durch die Androhung der Schmerzzufügung haben Beamte des Landes Hessen in | |
die Menschenwürde, die das höchste Verfassungsgut darstellt, eingegriffen", | |
sagte der Vorsitzende Richter Christoph Hefter. "Es ist gänzlich | |
unerheblich, dass der Kläger vorher eine Straftat begangen hat. Das Recht | |
auf Achtung der Menschenwürde kann auch dem Straftäter nicht abgesprochen | |
werden." | |
## Einige Behauptungen Gäfgens ließen sich nicht belegen | |
Die Richter hielten aber 3.000 Euro Entschädigung für ausreichend, weil die | |
Drohung zwar ernst gemeint, aber wegen der schnellen Aufgabe Gäfgens nicht | |
in die Tat umgesetzt wurde. Außerdem sei es den Polizisten nicht um eine | |
gezielte Erniedrigung Gäfgens gegangen, sondern nur um eine Rettung des | |
vermeintlich noch lebenden Kindes. | |
Gäfgen und sein Anwalt Michael Heuchemer hatten ursprünglich mindestens | |
10.000 Euro verlangt. Allerdings lehnte das Landgericht nun die meisten der | |
Punkte ab, auf die sich die Klage stützte. So habe Gäfgen nicht beweisen | |
können, dass Ennigkeit ihn während des entscheidenden Verhörs gestoßen und | |
geschlagen habe. | |
Auch eine andere Behauptung Gäfgens ließ sich nicht belegen. Danach habe | |
Ennigkeit gedroht, er werde ihn "mit zwei großen schwarzen Negern in eine | |
Zelle stecken", die ihn dann vergewaltigen würden. Da habe Gäfgen | |
möglicherweise etwas missverstanden, meinten die Richter. | |
Schließlich bekommt Gäfgen auch kein Schmerzensgeld für die von ihm | |
behaupteten psychischen Probleme. Zwar bestätigte der renommierte | |
Gerichtspsychiater Norbert Nedopil, dass Gäfgen tatsächlich an einer | |
"posttraumatischen Belastungsstörung" leide. Allerdings, so die Richter, | |
sei nicht erwiesen, dass dies eine Folge der Folterdrohung und der dadurch | |
ausgelösten Ohnmachtsgefühle ist. Wahrscheinlicher sei, dass Gäfgen | |
darunter leide, dass er seine Lebensperspektive verloren habe. Auch habe er | |
das Sterben eines Menschen verursacht und miterlebt. | |
Gäfgen, der bei der Urteilsverkündung nicht anwesend war, wird von den | |
3.000 Euro vermutlich wenig haben. Das Gericht brummte ihm nämlich 80 | |
Prozent der Gerichts- und Anwaltskosten auf, weil so viele der von ihm | |
vorgebrachten Punkte abgelehnt wurden. Das Urteil ist noch nicht | |
rechtskräftig. Möglicherweise werden sowohl das Land als auch Gäfgen | |
Rechtsmittel beim Oberlandesgericht Frankfurt einlegen. | |
Anwalt Heuchemer hatte bis zuletzt versucht, das Urteil zu verhindern, weil | |
er weitere Beweise zur Verantwortlichkeit von Landespolitikern und | |
Polizeioffizieren erheben wollte. Als dies abgelehnt wurde, reichte er | |
Anfang der Woche einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht ein. Diesen | |
wiesen die Richter am Donnerstag als "rechtsmissbräuchlich und damit | |
unzulässig" zurück. | |
Az.: 2-04 / 521/05 | |
4 Aug 2011 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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