# taz.de -- Ex-US-Vizepräsident Cheney verteidigt Folter: Eine "einsame Stimme… | |
> Von Naivchen und Miesmachern: Der frühere US-Vizepräsident Dick Cheney | |
> rechnet in seinen Memoiren mit der Bush-Administration ab. Und | |
> rechtfertigt das Waterboarding. | |
Bild: Mit Lügen in den Krieg gezogen: US-Vizepräsident Dick Cheney (l) und se… | |
WASHINGTON taz | George W. Bush sei ein "herausragender Führer", Condi Rice | |
ein Naivchen und Colin Powell ein Miesmacher: Die Memoiren des ehemaligen | |
US-Vizepräsidenten Dick Cheney lassen an wenigen seiner früheren Kollegen | |
ein gutes Haar. Sich selbst beschreibt der wegen seiner Rolle bei der | |
Entscheidung für den Irakkrieg umstrittene US-Politiker als Alleinkämpfer | |
unter Ignoranten, der auch gern einen Atomreaktor in Syrien bombardiert | |
hätte. | |
"In My Time: A Personal and Political Memoir" heiß das Buch, das seit | |
Dienstag und damit kurz vor dem 10. Jahrestag der 9/11-Anschläge in | |
US-Buchläden steht. Vieles davon ließ Cheney bereits im Vorfeld raus. Das | |
reiche, meinte der TV-Sender abc, um ihn von den Weihnachtsgrußlisten | |
zahlreicher ehemaliger Bush-Leute zu fegen. | |
"In ganz Washington werden Köpfe explodieren", versprach der 70-Jährige im | |
TV-Sender NBC-News. Er beginnt seine Memoiren mit einem Rückblick auf den | |
11. September 2001. Von einem Bunker nahe dem Weißen Haus habe er die | |
Reaktion des Präsidenten "kommandiert", der sich nicht in Washington | |
aufhielt. | |
"Meine bisherige Regierungserfahrung hatte mich darauf vorbereitet, die | |
Krise an 9/11 in den ersten Stunden zu managen." Er habe Bush aber in der | |
Öffentlichkeit nicht die Show stehlen wollen, da das den Präsidenten | |
geschwächt hätte. "Wir befanden uns im Krieg", so Cheney. "Unser | |
Oberkommandierender musste als der Zuständige gesehen werden, stark und | |
resolut." | |
Weniger stark wirkte Bush auf seinen Stellvertreter allerdings am Vorabend | |
des Irakkriegs. "Der Präsident schickte alle andern aus dem Oval Office, | |
schaute mich an und sagte: ,Dick, was meinst du, sollen wir tun?'" Damit | |
klaffen Cheneys und Bushs Erinnerungen an dieselbe Szene ziemlich | |
auseinander. Bush hatte sich vor Monaten in seinen Memoiren als Macher | |
dargestellt. Er selbst habe das Startsignal "Lets go" gegeben. | |
Die lancierte Falschinformation, dass Iraks Regierung dabei sei, | |
waffenfähiges Plutonium aus Niger zu kaufen, rechtfertigt Cheney noch | |
heute. Er sehe keinen Grund, sich für diese Behauptung zu entschuldigen, | |
die eine der Hauptrechtfertigungen für den Einmarsch in den Irak war. | |
## Schuld sind die anderen | |
Andererseits gibt Cheney zu, dass seine Regierung die Herausforderungen im | |
Irak unterschätzt habe. Doch die Verantwortung für die eskalierende Gewalt | |
schiebt er den Terroristen zu. Gleichzeitig verteidigt Cheney in seinem | |
Buch die Folterverhöre von Terrorverdächtigen. Sie hätten Informationen | |
gebracht und Leben gerettet. Methoden wie das Waterboarding dürfe man daher | |
nicht als Folter bezeichnen. | |
Er habe Bush im Juni 2007 gedrängt, einen vermeintlichen Atomreaktor in | |
Syrien zu bombardieren, aber keiner habe mitmachen wollen. "Ich war eine | |
einsame Stimme", erinnert sich Cheney. "Als ich fertig war, fragte der | |
Präsident, ,Stimmt jemand dem Vizepräsidenten zu?'" Doch keine einzige Hand | |
im Raum sei hochgegangen. | |
Cheneys Memoiren sind ein Rundumschlag auf den ehemaligen inneren Zirkel um | |
George W. Bush. Der ehemalige Verteidigungsminister Colin Powell habe | |
versucht, Bush zu unterwandern, indem er den Irakkrieg kritisierte. | |
Außenministerin Condoleezza Rice sei schrecklich naiv gewesen, als sie | |
tatsächlich an ein Atomabkommen mit Nordkorea gedacht habe. | |
Und der ehemalige republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain sei | |
derart substanzlos, dass Cheney ihm von Anfang an keinen Wahlsieg zugetraut | |
habe. | |
Auch Präsident Barack Obama bekommt sein Fett weg: Cheney kritisiert dessen | |
raschen Truppenabzug aus Afghanistan. | |
Dick Cheney: "In my time: A Personal and Political Memoir", Threshold | |
Editions, August 2011, 576 Seiten | |
30 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Antje Passenheim | |
## TAGS | |
Irak | |
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