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# taz.de -- US-Präsident auf Anti-Terror-Kurs: Die große Obama-Ernüchterung
> Nach dem versuchten Flugzeug-Anschlag avanciert US-Präsident Obama zum
> Anti-Terror-Präsidenten. Er kann es sich nicht leisten, als nachlässig in
> Terrorfragen zu wirken.
Bild: Mittlerweile spricht auch er von Krieg: Barack Obama.
Barack Obama wirkte streng und entschlossen. Mit halbstündiger Verspätung,
nach einer langen Krisensitzung mit seinen Sicherheitschefs, trat er am
Dienstag vor die Kameras. Die Lage, das sollte seine Mimik und seine
knappe, sachliche Rhetorik zum Ausdruck bringen, ist ernst. "Am
Weihnachtstag hat unser System auf höchst desaströse Weise versagt", sagte
er. Die notwendigen Informationen, um das Attentat zu verhindern, hätten
den Geheimdiensten vorgelegen und seien nicht umgesetzt worden. Er werde
das "nicht tolerieren", wetterte der US-Präsident.
Obama hat dazugelernt im Lauf der vergangenen Woche. Es war sein dritter
öffentlicher Auftritt nach dem versuchten Anschlag auf Flug 253 in Richtung
Detroit. Mit jedem Mal wurde seine Rhetorik schärfer. Bei seiner ersten
Stellungnahme aus seinem Urlaubsort Honolulu, zweieinhalb Tage nachdem Umar
Faruk Abdulmutallab fest genommen wurde, hatte Obama noch davon gesprochen,
"dass ein Passagier mutmaßlich versucht hat, Sprengstoff an Bord eines
Flugzeuges zu zünden". Das Wall Street Journal hielt Obama prompt vor, dass
er nicht wie Franklin D. Roosevelt nach dem Anschlag auf Pearl Harbor 1941
eine ordentliche Kriegsrede gehalten habe. Und Dick Cheney, Vizepräsident
unter George W. Bush, warf Obama wieder einmal vor, die Terrorbedrohung
nicht richtig ernst zu nehmen.
Mittlerweile spricht auch Obama von Krieg. Die Nation befinde sich im Krieg
mit einem weitreichenden Netzwerk der Gewalt und des Hasses, sagte er zu
Neujahr. Obama kann es sich nicht leisten, als nachlässig gegenüber der
Terrorgefahr zu wirken. Nicht in einem Jahr, in dem das Parlament neu
gewählt wird und die Mehrheit seiner Partei auf dem Spiel steht.
Obamas erste zögerliche Reaktion auf das Attentat war sicherlich auch ein
Unwillen, das geschehen zu lassen, was jetzt eintritt: Dass Abdulmuttalab
ihn zum Anti-Terror-Präsidenten macht. Wenn Obama je etwas vermeiden
wollte, dann dass seine Präsidentschaft wie die seines Vorgängers vom
sogenannten "War on Terror" definiert wird.
Obama hatte es im Wahlkampf geschafft, nach acht Jahren das Thema von der
Spitze der Agenda in den USA zu verdrängen. Die Wähler hatten von Bushs
"Politik der Angst", wie Obama es immer wieder nannte, die Nase voll. Es
war zu durchschaubar geworden, wie Bush die Terrorangst politisch
ausschlachtet, um seine Machtfülle auszuweiten und Wahlen zu gewinnen.
Zu Beginn seiner Amtszeit war Obama deshalb darum bemüht der Welt zu
demonstrieren, dass sich die Zeiten geändert haben. Die Phrase "War on
Terror" vermied er. Er betonte immer wieder, dass Terrorismus kein Feind
sei, sondern eine Strategie und dass die USA keinen Krieg gegen die
muslimische Welt führen. Seine Rede in Kairo im Juni war der deutliche
Ausdruck dieser neuen Linie. Die Welt sollte wissen, dass die amerikanische
Außenpolitik nicht mehr von der Terrorangst getrieben wird.
Hinter den Kulissen fuhr Obama derweil jedoch eine kaum weniger harte Linie
als sein Vorgänger. Der Eindruck, Obama lasse im Kampf gegen den
Terrorismus die notwendige Dringlichkeit vermissen, den Konservative in den
USA erwecken wollen, trog. So flog die CIA im ersten Jahr von Obamas
Präsidentschaft 53 Dronenangriffe auf mutmaßliche Terroristenlager in
Pakistan und Afghanistan - mehr als unter Bush während seiner kompletten
Amtszeit. Das Gros der Antiterrormaßnahmen von George W. Bush blieben
unangetastet, inklusive Abhörprogramm und langfristige Inhaftierung von
Terrorverdächtigen ohne Anklage.
Einen wirklich fundamentalen Kurswechsel hatte Obama ganz offensichtlich
nie geplant. So beschreibt das US-Wochenmagazin Newsweek die
"Obama-Doktrin" als "Verschmelzung von Idealismus und knallhartem
Realismus". In Bezug auf den Kampf gegen den Terror bedeute das, "dass es
im Angesicht eines nihilistischen Feindes die Möglichkeit gibt, das Gesetz
auf Weisen zu beugen, die sich mit unseren Idealen nicht vollständig
decken".
Progressive und Bürgerrechtler in den USA sind angesichts dieser Tatsache
frustriert. Man hatte sich von diesem Präsidenten etwas anderes erwartet.
Indem er bislang das Thema Terrorbekämpfung möglichst aus der öffentlichen
Debatte herausgehalten hat, hat Obama das Seine dazu getan, diese
Frustrationen nicht allzu hochkochen zu lassen. Faruk Abdulmuttalab hat
Obama nun dazu gezwungen, sich mit seiner Terrorpolitik zu outen. Es ist
ein weiterer Beitrag zur allgemeinen Obama-Ernüchterung, die sich nicht nur
in den USA breitmacht.
7 Jan 2010
## AUTOREN
Sebastian Moll
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