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# taz.de -- Menschenrechtsverletzungen im Sudan: Staudammplaner mit Verantwortu…
> Das Unternehmen Lahmeyer soll Bauern im Sudan die Existenzgrundlage
> geraubt haben. Nun ermittelt die Frankfurter Staatsanwaltschaft gegen die
> Firma.
Bild: Fragwürdiges Großprojekt: Das Wasserkraftwerk im Merowe-Staudamm wird e…
BERLIN taz | Wenn deutsche Unternehmen im Ausland gegen die Menschenrechte
verstoßen, interessiert das hiesige Gerichte selten. Eine der wenigen
Ausnahmen war das Verfahren gegen die Firma Daimler, der die Ermordung von
Gewerkschaftern während der argentinischen Militärdiktatur zur Last gelegt
wurde.
Nun haben Berliner MenschenrechtsanwältInnen ein neues Ermittlungsverfahren
ausgelöst: Die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main untersucht, ob der
Ingenieurkonzern Lahmeyer Bauern im Sudan um ihre Lebensgrundlage gebracht
hat.
Die Ermittlung geht zurück auf eine Strafanzeige des European Center for
Constitutional and Human Rights (ECCHR) vom vergangenen Jahr. Die
ECCHR-Juristen Wolfgang Kaleck und Miriam Saage-Maaß werfen der Firma
Lahmeyer unter anderem Nötigung und Sachbeschädigung vor. Das Unternehmen
aus Bad Vilbel soll das Menschenrecht auf Eigentum, Nahrung und angemessene
Unterkunft verletzt haben.
Dabei geht es um den Merowe-Staudamm im Sudan, dessen Planung und Bau
Lahmeyer leitete. Kaleck und Saage-Maaß argumentieren, die Firma habe die
ortsansässigen Bauern 2006 und 2008 nicht davor gewarnt, dass der Damm
geschlossen wird, um das Wasser anzustauen. Als die Fluten des Flusses dann
Felder und Dörfer überschwemmten, hätten die Bewohner kaum eine Chance
gehabt, ihr Vieh, ihren Hausstand und ihre Vorräte zu retten.
## Forscher bestätigen die Vorwürfe
Ethnologen der Universität Bayreuth, die 2008 und 2009 beim Volk der
Manasir im Sudan geforscht haben, bestätigen die Vorwürfe. "Als der Nil
gegen Ende Juli 2008 über die Ufer trat und die ersten Dörfer erreichte,
waren die Bauern überrascht und schockiert", sagt Valerie Hänsch, die über
die Umsiedlung der Manasir promoviert. "Einige Dörfer wurden vom Wasser
eingeschlossen", so Hänsch. "Die Bauern hatten nicht genügend Boote, um
ihren Besitz abzutransportieren. Esel, Schafe, Möbel, angebaute Früchte,
Bewässerungsmotoren und andere Dinge mussten zurückgelassen werden und
wurden überflutet. Die Bauern retteten sich auf Anhöhen und Berge der
angrenzenden Wüsten."
Kurt Beck, Hänschs Doktorvater an der Uni Bayreuth, bestätigt den Bericht:
"90 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen der Manasir und über zwei
Drittel der Gehöfte wurden zerstört." Rund 5.000 Familien haben der
ECCHR-Anzeige zufolge Schäden erlitten.
Ihre damaligen Beobachtungen hat Ethnologin Hänsch mit einem [1][Film] auf
YouTube dokumentiert. Die Aufnahmen zeigen Dattelpalmen-Plantagen, die im
Nilwasser stehen, zusammengebrochene Häuser und Bauernfamilien, die
versuchen, ein paar Dinge vor der Flut in Sicherheit zu bringen.
Die Frage ist nun: Hat Lahmeyer Schuld, dass die Bauern am Nil von der Flut
überrascht wurden? Und trägt Egon Failer, ein Leiter des Staudammbaus,
persönliche Veranwortung für die Geschehnisse? Die Menschenrechtler meinen:
Ja. Failer und seinen Kollegen sei bekannt gewesen, dass die Manasir ihr
Land direkt am Nil noch nicht verlassen hätten, als der Damm geschlossen
wurde.
Diese Einschätzung unterstützt Ethnologe Beck, der die Lage vor Ort aus
langjährigen Forschungen gut kennt. Als die Überflutung begann, hätten die
Manasir noch auf eine staatliche Bestandsaufnahme ihres Besitzes und die
zugesagten neuen Siedlungen gewartet. "Die lokalen Umsiedlungsgebiete waren
2008 begonnen worden, aber bis 2010 noch nicht bezugsfertig", sagt Beck.
"Also wurden die Manasir von der Flutung ab Ende Juli 2008 überrascht."
Der Grund dafür könnte sein, dass die staatliche sudanesische
Dammbaubehörde, Lahmeyer sowie die chinesischen Baufirmen, die die meisten
Arbeiten erledigten, schlicht ihren Zeitplan einhalten wollten. Man
brauchte Einnahmen aus der Stromproduktion am Stausee, um die Kredite zu
bedienen. Dabei störten die Bauern.
## Bauleiter Failer weist die Vorwürfe zurück
Lahmeyer hat durch seinen Anwalt mitteilen lassen, dass man sich zurzeit
nicht äußern wolle. Als ECCHR seine Anzeige 2010 einreichte, wies Bauleiter
Failer die Vorwürfe der Menschenrechtler zurück: "Die Anwohner wurden
rechtzeitig gewarnt." Auch bei der lange vorbereiteten Umsiedlung in neue
Dörfer sei "professionelle Arbeit geleistet" worden.
Den Bauern gehe es auf ihrem neuen Land und in den modernen Häusern
"wirtschaftlich besser als früher". Die Bilder von überfluteten Dörfern,
aus denen Menschen hastig ihre Sachen bergen, erklärt der Bauleiter so:
Einige Bauern hätten sich trotz Warnungen geweigert, das Land zu verlassen,
um höhere Entschädigungen herauszuholen.
"Bis zum Herbst" wolle Lahmeyer eine Stellungnahme einreichen, hieß es am
Dienstag bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt. Danach solle Ethnologin
Hänsch vorgeladen werden.
Ermittlungsverfahren wie dieses sind selten. Das liegt daran, dass deutsche
Staatsanwälte und Strafverfolgungsbehörden sich für das Verhalten
einheimischer Unternehmen im Ausland oft nicht zuständig fühlen. Und die
Justiz in anderen Staaten lässt die Firmen aus dem reichen Norden häufig
gewähren.
Bei internationalen Institutionen wie den Vereinten Nationen (UN) und der
Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) gibt es zwar Normen
für das Verhalten transnationaler Konzerne, doch die haben meist nur
empfehlenden Charakter. Organisationen wie das ECCHR versuchen deshalb, die
Rechtsprechung zu modernisieren.
31 Aug 2011
## LINKS
[1] http://www.youtube.com/watch?v=aBB_5sjLgZk
## AUTOREN
Hannes Koch
## TAGS
Sudan
Menschenrechte
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