# taz.de -- Großdemos in Japan: Sayonara, Atomkraft | |
> Protestieren gilt in Japan als Spinnerei. Doch jetzt sind in Japan 60.000 | |
> Menschen gegen Atomkraft auf die Straße gegangen – mehr als jemals zuvor. | |
Bild: Zehntausende auf der Straße – das gab es in Japan noch nie. | |
TOKIO taz | Sie riefen "Sayonara, Atomkraftwerke!" und forderten | |
Entschädigungen vom Fukushima-Betreiber Tepco. Sie marschierten trotz | |
schwüler Hitze stundenlang durch Tokio und machten sich bei einer | |
Massenkundgebung Mut. | |
Nach Angaben der Veranstalter wurden 60.000 Demonstranten gezählt, mehr als | |
jemals zuvor. Die Polizei sprach inoffiziell von 30.000. In jedem Fall hat | |
sich Japans Anti-Atomkraft-Bewegung mit der Stärke ihrer Demonstration am | |
Montag selbst überrascht. | |
Langsam, aber sicher scheinen die Ereignisse von Fukushima tiefer in das | |
Bewusstsein der Japaner einzudringen und den Widerstandsgeist zu wecken. | |
Nach sechs Monaten beginne man, die Dinge ein bisschen klarer zu sehen, | |
erklärte Ruiko Muto, Sprecherin einer Anti-AKW-Gruppe aus der Präfektur | |
Fukushima, den Wandel. | |
"Wir wissen jetzt, dass die Fakten nicht offengelegt wurden und die | |
Regierung die Menschen nicht beschützt", beklagte die 58-jährige Aktivistin | |
in ihrer Rede. Aber immer noch gebe es Leute, die die Atomenergie fördern. | |
Der Literaturnobelpreisträger Kenzaburo Oe sagt, Italien hätte ein | |
nationales Referendum über Atomkraft abgehalten, aber in Japan machten ihre | |
Befürworter einfach weiter. "Der einzige Weg, um sie zu stoppen, sind | |
öffentliche Treffen und Demonstrationen", betonte Oe. Beifall gab es auch | |
für Hubert Weiger, den Vorsitzenden des deutschen Bundes für Umwelt und | |
Naturschutz. | |
## 70 Prozent der Japaner gegen neue AKWs | |
Umfragen zufolge sind 70 Prozent der Japaner gegen neue AKWs, doch | |
Demonstrieren galt bisher als Sache von Extremisten. Die Anti-Atom-Proteste | |
geben ein anderes Bild ab: Unter den Teilnehmern sind viele Familien mit | |
Kindern sowie Senioren. "Ich war früher politisch passiv, aber nach einigen | |
Recherchen bin ich skeptisch geworden", begründete eine Hausfrau ihre | |
Teilnahme. Auch Hunderte von Bewohnern der Präfektur Fukushima marschierten | |
mit, oft von Passanten ermuntert. | |
Die Forderungen der Anti-AKW-Bewegung konzentrieren sich auf außerhalb | |
Entschädigungen von allen Bewohnern der Region um das AKW, die aus Sorge um | |
ihre Gesundheit wegziehen wollen. Bisher erhalten nur Anwohner in der | |
20-Kilometer-Zone und an einigen besonders verseuchten Stellen Zahlungen | |
von Tepco. Außerdem drängen die Aktivisten auf eine neue Energiepolitik. | |
"Der Einstieg in die erneuerbaren Energien, flankiert mit | |
Energiesparmaßnahmen, wird die Energiewende auch in Japan ermöglichen", | |
meinte Akiko Yoshida von Friends of the Earth. | |
Es ist eine Bewegung von unten: Die Polizei versuchte, wie schon früher, | |
Teilnehmer durch lange Wartezeiten und begrenzten Platz abzuschrecken. | |
Yomiuri Shimbun, die größte Tageszeitung des Landes, erwähnte die | |
Demonstration nur mit einer kleinen Meldung. Doch der Zulauf hält an. "Wir | |
stehen an einem Wendepunkt", meint der Politologe Minoru Morita.Es wachse | |
das Bewusstsein, dass man mit eigener Kraft und der Kraft der Gemeinschaft | |
auf die Beine kommen müssen. Als nächstes wollen die AKW-Gegner zehn | |
Millionen Unterschriften für einen Ausstieg aus der Atomkraft sammeln. | |
20 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Martin Fritz | |
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