# taz.de -- Staatsanwaltschaft fordert Freispruch: Justizposse um Jaques Chirac | |
> Ein fragwürdiger Prozess geht zu Ende. Der ehemalige französische | |
> Präsident Jacques Chirac wird wohl nicht wegen verschiedener Korruptions- | |
> und Finanzdelikte belangt. | |
Bild: Larger than life: Jaques Chirac vor einem Konterfei seiner selbst. | |
PARIS taz | Nur noch eine Formsache sind die Plädoyers für die Anwälte der | |
Verteidigung bis zum Verhandlungsschluss am Freitag im Prozess gegen den | |
früheren Staatspräsidenten Jacques Chirac und neun mitangeklagte ehemalige | |
Mitarbeiter. Die Staatsanwaltschaft hat für alle Angeklagten einen | |
umfassenden Freispruch verlangt. Das ist nur konsequent, denn die dem | |
Justizministerium untergeordnete Pariser Staatsanwaltschaft hatte diesen | |
Prozess nicht gewollt und die Einstellung des Verfahrens gefordert. Lange | |
war Chirac als Präsident aufgrund seiner Immunität für die Justiz | |
unangreifbar. Seit dem Ende seiner Präsidentschaft wurde wegen mehreren | |
Korruptions- und Finanzdelikten aus den Neunziger Jahren, als er | |
Bürgermeister von Paris war, gegen ihn ermittelt. | |
Im Regen steht damit die Untersuchungsrichterin, die aufgrund ihrer | |
langjährigen Ermittlungen im Gegenteil zum Schluss gekommen war, dass da | |
bis kurz vor Chiracs Wahl zum Staatspräsidenten 1995 ein eigentliches | |
System der Unterschlagung kommunaler Steuergelder zugunsten der | |
gaullistischen Partei und der Interessen der Stadtregierung organisiert | |
worden war. Zum selben Ergebnis waren freilich auch Journalisten gekommen, | |
die in diesen undurchsichtigen Affären von angeblichen Scheinjobs für | |
Parteifreunde und Sympathisanten recherchiert hatten. | |
Für die Vertreter der Anklage, die mehr wie Anwälte der Verteidigung | |
plädierten, gab es schlicht "kein mafiöses System". Zu den Anstellungen von | |
gaullistischen Parteifunktionären auf Kosten der Stadt Paris und ihren | |
"fiktiven" Aufgaben heißt es: "Es ist nicht ausreichend erwiesen, dass ihre | |
Arbeit ohne Nutzen für die Stadt Paris gewesen ist." | |
Dass Pariser Stadtangestellte in Chiracs ferner Wahlhochburg Corrèze im | |
Zentralmassiv tätig waren, wird als mögliche "Telearbeit" auf Distanz | |
akzeptiert. Und die Anstellungen ohne sichtbare Aktivität? Eine "Form von | |
Mäzenatentum", entschuldigt die Anklage lakonisch. Inkohärent war es nur, | |
dass sie in ihrem Großmut auch Straftaten unter den Teppich kehrte, für die | |
Chiracs rechte Hand, der heutige Außenminister Alain Juppé, 2004 zu einer | |
Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden war. Juppé sollte als Zeuge | |
aussagen, wurde aber davon befreit, weil er just am fraglichen Termin mit | |
Nicolas Sarkozy nach Libyen reisen musste. | |
21 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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