# taz.de -- Preise für Nahrungsmittel: Weiterhin hoch und labil | |
> Biosprit und Spekulationen treiben die Preise für Agrar-Rohstoffe in die | |
> Höhe. Nun denken die G20-Staaten über eine Grenze für | |
> Spekulationsgeschäfte nach. | |
Bild: Gefragt und immer teurer: Mais. | |
BERLIN taz | Die Lebensmittelpreise werden auch in Zukunft auf hohem Niveau | |
stark schwanken. Zu diesem Schluss kommen die UN-Organisation für | |
Landwirtschaft (FAO), das Welternährungsprogramm und der Internationale | |
Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung in einem am Montag vorgestellten | |
Bericht. Möglicherweise würden die Preisschwankungen sogar noch zunehmen. | |
Das würde die Gefahr von Hunger in vielen Ländern erhöhen, denn wenn etwa | |
Getreide plötzlich viel teurer wird, können viele Arme nicht mehr genug zum | |
Essen kaufen. | |
Als Problem sehen die Experten unter anderem, dass immer mehr | |
Agrarrohstoffe zu Biosprit verarbeitet werden. Das erhöhe die Nachfrage | |
etwa nach Mais. Außerdem mache der Bedarf an Biotreibstoffen die Märkte für | |
Nahrungsmittelrohstoffe und die für Erdöl stärker voneinander abhängig. | |
"Wenn Ölpreise steigen, nimmt die Nachfrage nach Biosprit zu, so dass die | |
Preise für Lebensmittel zulegen. Weil die globalen Ölpreise historisch | |
betrachtet instabiler als Lebensmittelpreise sind, könnten auch die | |
Weltmärkte für Nahrungsmittel volatiler werden", schreiben die | |
UN-Fachleute. | |
Dazu komme, dass extreme Wetterereignisse wie Dürren häufiger passierten | |
als früher. Auch die gewachsenen Geschäfte bestimmter Investmentsfonds mit | |
Agrarprodukten könnten die Schwankungen erhöht haben. Diese These sei aber | |
sehr umstritten. | |
Dass die Preise langfristig steigen, liegt den Experten zufolge | |
beispielsweise am weltweiten Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum. Ein | |
weiterer Grund sei, dass mehr Finanzinvestoren mit Lebensmitteln | |
spekulieren. | |
## Grenze für Rohstoff-Spekulationen? | |
Mit diesem Problem wollen sich die Finanzminister der 20 wichtigsten | |
Industrie- und Schwellenländer (G20) auf ihrem Treffen ab Freitag in Paris | |
befassen. Sie diskutieren bisher vor allem über eine Obergrenze dafür, auf | |
wie viel von einem Rohstoff einzelne Investoren spekulieren dürfen. | |
Der Börsenexperte Dirk Müller, der für die Hilfsorganisation Misereor eine | |
Studie zur Spekulation mit Nahrungsmitteln geschrieben hat, hält solche | |
Obergrenzen jedoch für wirkungslos: "Die Vergangenheit hat gezeigt, dass | |
Unternehmen diese Maßnahmen durch Tochterunternehmen unterlaufen können", | |
sagte er der taz. Zudem hätten in den USA, wo es schon seit einigen Jahren | |
Positionslimits auf Termingeschäfte mit Rohstoffen gibt, einige Banken im | |
großen Stil eine "Bona Fide" genannte Ausnahmeregelung genutzt, die sie von | |
den Beschränkungen befreie. | |
## Experten fordern mehr Eigenkapitaleinsatz | |
Börsenexperte Müller plädiert stattdessen für höhere "Sicherheitsmargin", | |
also höheren Eigenkapitaleinsatz bei Rohstoffgeschäften am Finanzmarkt. | |
Bisher müssen Spekulanten zum Beispiel bei Mais lediglich sieben Prozent | |
vom Gesamtwert des Termingeschäfts hinterlegen. Der Rest wird ihnen als | |
Kredit zur Verfügung gestellt. Was eine höhere Eigenbeteiligung bringen | |
könnte, zeigt das Beispiel Silber: Im Mai entschied sich die New Yorker | |
Terminbörse Comex, die Margin für das Edelmetall von 6 auf 11 Prozent | |
anzuheben. Der Preis fiel schlagartig um 30 Prozent. | |
10 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
K. Grass | |
J. Maurin | |
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