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# taz.de -- Lebensmittelhilfe für Bedürftige: Schwarz-Gelb macht Europa hungr…
> Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, die bisherigen
> Lebensmittelhilfen der EU abzuschaffen. Mit denen werden auch Milchseen
> und Butterberge abgetragen.
Bild: Die Milchseen will Schwarz-Gelb nicht mehr nutzen.
BRÜSSEL taz | Die deutsche Bundesregierung will die EU-Lebensmittelhilfe
für Bedürftige im kommenden Jahr um mehr als 75 Prozent kürzen und danach
sogar ganz abschaffen. Gemeinsam mit fünf anderen Staaten blockiert
Deutschland die Auszahlung entsprechender Gelder, obwohl zurzeit rund 18
Millionen EU-Bürger auf diese Lebensmittel angewiesen sind. Unterstützt
werden die Deutschen von Großbritannien, Schweden, den Niederlanden,
Dänemark und der Tschechischen Republik.
"Für uns ist die Kürzung der europäischen Hilfe eine Katastrophe. Ich bin
richtig wütend. Das hat nichts mehr mit Solidarität zu tun", ärgert sich
Kathy Stinissen vom Roten Kreuz Belgien. In ihrem Land profitieren bisher
rund 224.000 Menschen von dem Programm.
Auch aus Frankreich kommt Protest. Der zuständige EU-Kommissar hat
ebenfalls wenig Verständnis für die deutsche Haltung: "Die Union erlebt
eine ihrer schwersten Wirtschaftskrisen seit Jahrhunderten. Deshalb sind
immer mehr Bürger auf solche Hilfen angewiesen", sagte der rumänische
EU-Landwirtschaftskommissar Dacian Ciolos.
Bisher kauft die Europäische Union jedes Jahr für rund 500 Millionen Euro
Lebensmittel auf, die von den europäischen Landwirten zu viel produziert
werden. So wurden nach und nach die berüchtigten Milchseen und Butterberge
abgetragen.
In der Praxis heißt das: Der Wert der überschüssigen Lebensmittel wird
ermittelt. Für diese Summe dürfen die sozialen Organisationen Lebensmittel
auf dem freien Markt einkaufen. Das ist mit 440.000 Tonnen jährlich
ungefähr die Hälfte dessen, was die Lebensmittelbanken insgesamt in der EU
verteilen.
## Deutschland sagt: das ist keine Agrarpolitik
Deutschland hat noch nie Gelder aus dem Programm abgerufen. "Die Versorgung
Bedürftiger ist die Aufgabe der Mitgliedstaaten und nicht der EU", sagte
Staatssekretär Robert Kloos, der die Bundesregierung gestern in Brüssel
vertrat. "Wir wehren uns gegen ein Programm innerhalb der Agrarpolitik, das
nichts mehr mit Agrarpolitik zu tun hat", erklärte er. "Wir sind für
Bedürftigenhilfe, aber nicht aus dem EU-Topf", sagte Kloos.
Der Streit über die Fortführung des Programms ist entstanden, weil nicht
mehr genügend Überschussware produziert wird. Die Lager sind weitgehend
leer geräumt. Für 2012 hat die EU-Kommission gerade mal einen Gegenwert von
überschüssigem Magermilchpulver und Getreide von rund 130 Millionen Euro
errechnet.
Nur dieses Geld kann nun auch verwendet werden. Deutschland und weitere
fünf Staaten blockieren Zahlungen, die darüber hinausgehen. Sie stützen
sich dabei auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs aufgrund einer
Klage der Bundesregierung, wonach Zukäufe vom freien Markt stark beschränkt
werden müssen.
## Deutschland reicht eine Minderheit, um das Programm zu kippen
Der EU-Kommissar Ciolos schlägt trotzdem vor, im Zeitraum 2014 bis 2020
rund 2,5 Milliarden Euro für das Programm zur Verfügung zu stellen.
Unterstützt wird er dabei von zahlreichen Mitgliedstaaten und dem
Europäischen Parlament. Wegen der Abstimmungsregeln im Ministerrat reicht
die Minderheit rund um Deutschland, um dem Programm spätestens 2013 den
Todesstoß zu versetzen.
Die polnische EU-Präsidentschaft will das Thema eventuell bei einem der
nächsten Treffen der Staats- und Regierungschefs thematisieren. Das Rote
Kreuz in Belgien bittet bereits um Spenden, um das EU-Loch zu stopfen.
20 Sep 2011
## AUTOREN
Ruth Reichstein
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