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# taz.de -- Schadstoffe in Pappkartons: Spaghetti al Petrolio
> Behörden warnen vor Recyclingkartons für Lebensmittel: Enthaltene
> Mineralölreste verdampfen und verunreinigen Reis oder Nudeln. Strengere
> Regeln soll es nicht vor 2015 geben.
Bild: Mit oder ohne Mineralölreste? Kochenden Spaghetti sieht man es nicht an.
BERLIN taz | Nudeln oder Reis, die in Recyclingkartons verpackt werden,
sind mit schädlichen Resten von Erdöl belastet. Davor warnt das
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Durch strenge Grenzwerte in einer
Mineralölverordnung will das Bundeslandwirtschaftministerium die
KonsumentInnen schützen. Dagegen wehren sich Kartonhersteller. Nun wird die
Verordnung überarbeitet - mit der können die VerbraucherInnen jedoch nicht
vor 2015 rechnen, so der Industrieverband Papier- und Folienverpackung.
Die Erdölreste stecken in der Pappe von Verpackungen. Dorthin gelangen sie
vor allem über die Zeitungen im Altpapiermix, deren Druckfarbe bis zu 30
Prozent aus Mineralöl besteht. Aus dem Lebensmittelkarton verdampft der
Stoff und schlägt sich auf den Nahrungsmitteln nieder. Ein von der
Weltgesundheitsorganisation WHO festgelegter Grenzwert wird dabei um ein
Vielfaches überschritten.
Dass Recyclingpappe Trockenlebensmittel verunreinigt, fand bereits 2009 der
Schweizer Chemiker Konrad Grob heraus. Das Ergebnis veranlasste schließlich
auch das Landwirtschaftsministerium, die Nahrung aus den Schachteln genauer
unter die Lupe zu nehmen. Das BfR wurde eingeschaltet. Auch die deutsche
Behörde gelangte zu alarmierenden Erkenntnissen: "Der Übergang von
Mineralöl auf Lebensmittel muss dringend minimiert werden."
Mineralöl besteht aus gesättigten und aromatischen Kohlenwasserstoffen. Die
gesättigten reichern sich in Milz, Leber und Lymphknoten an. Bei Tieren
ruft das nachweislich Entzündungen hervor. Was die Substanzen im
menschlichen Körper anrichten, ist noch unklar.
Die WHO hat einen Grenzwert für gesättigte Kohlenwasserstoffe im Essen
festgelegt. Danach dürfte jeder im Schnitt 0,6 Milligramm pro Tag davon zu
sich nehmen. Wissenschaftler Grob hatte aber 28 Milligramm in einem Kilo
Lebensmittel festgestellt, also mehr als das 40-Fache.
Noch unbekannter sind die aromatischen Anteile. BfR-Expertin Karla Pfaff:
"Da die Aromatenfraktion in der Lebensmittelkette eigentlich nicht
verwendet werden darf, gibt es bisher wenig Erkenntnisse darüber, was
passiert, wenn sie über die Nahrung in den Körper gelangen." Sie bestehe
aus tausend unerforschten Verbindungen. Von einigen wisse man, dass sie
krebserregend seien.
In dem ersten Entwurf einer Mineralölverordnung hatte das
Landwirtschaftsministerium den Grenzwert, den die WHO vorschlägt,
übernommen. Für die Aromaten gilt darin die Null-Toleranz-Grenze. Dies
kritisieren die Kartonhersteller: "Die vorgeschlagenen Werte sind weder
analytisch überprüfbar noch einhaltbar", meint Reinhardt Thiel vom Verband
Deutscher Papierfabriken. Das Landwirtschaftsministerium überarbeitet die
Verordnung derzeit. Ob die Werte aufgeweicht werden, verriet das
Ministerium auf taz-Anfrage nicht.
Während sich Industrie, Politik und VerbraucherschützerInnen über
Grenzwerte streiten, sind sich über die Ursache alle einig: Zeitungspapier.
Dies wird mit mineralölhaltiger Offsetfarbe bedruckt. Da Zeitungen
normalerweise nicht in Kontakt mit Nahrungsmitteln gelangen, dürfen sie
mehr Schadstoffe enthalten als Lebensmittelbedarfsgegenstände wie
Nudelpackungen. Würde das Mineralöl aus den Druckfarben durch pflanzliche
Stoffe ersetzt, wäre ein Großteil des Schadstoffs aus der Recyclingpappe
verschwunden.
Die Forderung danach stößt bei den Zeitungsverlegern aber auf
Unverständnis. Jörg Laskowski, Geschäftsführer des Bund Deutscher
Zeitungsverleger: "Selbst wenn wir Biofarben benutzen, die es noch nicht
einmal gibt, können wir allein das Problem nicht lösen." Die vorhandene
Recyclingmasse sei bereits verunreinigt. Die Verbraucherzentralen
empfehlen, Lebensmittel sofort umzufüllen oder auf Essen aus der
Recyclingpappe zu verzichten.
11 Oct 2011
## AUTOREN
Britta Veltzke
## TAGS
Geldscheine
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