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# taz.de -- Biosprit und Hunger: Schlechtes Regieren schafft Hunger
> Eine neue Studie untersucht die Auswirkungen von Raps und Zuckerrohr im
> Tank. Bioskraftstoff wirkt sich auf die Preise aus, ist aber nur ein
> Faktor von vielen.
Bild: Ohne Biokraftstoffe wären laut einer Studie die Weltmarktpreise für Roh…
Berlin taz | Einen Versuch zu ihrer Ehrenrettung hat die
Biokraftstoffindustrie unternommen. Ob sie wirklich verantwortlich zeichne
für hohe Lebensmittelpreise und Hunger in der Welt, wollte sie wissen. Also
haben der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) und die Union
zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen (Ufop) Michael Schmitz, Professor
für Agrarökonomie in Gießen, beauftragt, diese Fragen in einer Studie zu
beantworten.
Am gestrigen Donnerstag wurde sie in Berlin vorgestellt. Das Ergebnis: Der
Anbau von Biokraftstoffen wirkt sich auf die Preise an den Agrarmärkten
aus, aber nur als ein Faktor von vielen. Während in den vergangenen Jahren
ein steter Anstieg der Preise für Agrarrohstoffe zu verzeichnen gewesen
sei, habe die Volatilität, also die Schwankung der Preise, seit Ende der
50er Jahre nicht zugenommen, heißt es in der Studie.
Gäbe es keine Biokraftstoffe, lägen die Weltmarktpreise für Rohrzucker laut
der Berechnung von Schmitz heute um 21 Prozent niedriger, die für Ölsaaten
wie Raps oder Soja und Futtergetreide um 7 Prozent. Beim Reis - der als
Nahrungsmittel in vielen Ländern eine große Rolle spielt, aber nicht zur
Energieerzeugung genutzt wird - stellte Schmitz keinen Einfluss fest.
## Ernteausfälle und schlechtes Wetter
Allerdings verteuere die Nachfrage nach Zucker und Raps durch Autofahrer
die Agrarpreise nur dann, wenn andere Faktoren hinzukämen: etwa niedrige
Lagermengen oder Ernteausfälle durch schlechtes Wetter. Als zwei der
wichtigsten Faktoren nennt Schmitz den Ölpreis, der mit 123 Dollar pro Fass
gestern den höchsten Stand seit zehn Monaten erreichte, aber auch die sich
ändernden Essgewohnheiten etwa in China, wo mehr Fleisch verspeist werde.
Hohe Lebensmittelpreise seien, so Schmitz, nicht generell für den Hunger in
den armen Ländern verantwortlich. Hier müsse zwischen der städtischen und
der Landbevölkerung differenziert werden. Während Städter unter hohen
Preisen leiden, weil sie Nahrungsmittel kaufen müssten, könnten hohe Preise
den Bauern auf dem Land nutzen, weil sie ihnen ein höheres Einkommen
bescherten.
Allerdings nur dann, wenn sie an den Weltmarkt angebunden seien. Für
Schmitz trägt schlechtes Regieren die Hauptverantwortung für den Hunger.
Elmar Baumann, Geschäftsführer des Biokraftstoffverbandes, betonte, "Ethik"
sei ein wesentliches Thema bei der Beurteilung von Biokraftstoffen.
## Versachlichung der Debatte
"Wir werden keine Biokraftstoffe mehr herstellen, wenn sich die ethischen
Bedenken gegen sie wissenschaftlich untermauern lassen", so Baumann. Darum
sei das Problem Hunger so zentral. Mit der Studie wolle man zu einer
Versachlichung der Debatte beitragen, erklärte Stephan Arens vom Ufop.
Zu einer Bewertung von Biokraftstoffen als Teil eines Energiemixes im
Verkehrsbereich gehören aber auch andere Kriterien als die Frage, welchen
Anteil sie an der Lebensmittelknappheit haben.
Den Druck, den der Anbau von Energiepflanzen auf Wälder oder extensiv
genutzte Böden ausübt, den Energieaufwand, mit dem sie erzeugt, und die
Effizienz, mit der sie eingesetzt werden, behandelt die Studie nicht.
23 Feb 2012
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
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