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# taz.de -- Biokraftstoffe: Sonnen-Diesel im Schatten
> Die Firma Choren im sächsischen Freiberg ist insolvent. Nun wachsen
> Zweifel an der Kraftstoffherstellung mit Hilfe der Biomasseverflüssigung.
Bild: Stolz präsentiert Angela Merkel ein Fläschchen mit Sun-Diesel (Archivfo…
DRESDEN taz | Im April 2008 war Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit
großem Gefolge ins sächsische Freiberg gepilgert, um sich ein
"Schmuckstück" anzusehen, das in der Welt einmalig sei. Die Choren
Industries GmbH präsentierte eine Pilotanlage, die aus Holzabfällen und
Biomassen aller Art hochwertigen "Sun-Diesel" herstellen sollte.
Im Juli dieses Jahres platzte der Traum, Choren musste Insolvenz anmelden.
Und zwei Monate danach ist weiterhin fraglich, ob in Freiberg jemals
Biokraftstoff für den Markt produziert werden wird.
Ein MDR-Beitrag im ARD-Magazin "Plusminus" hatte Ende August auf
fragwürdige Hintergründe aufmerksam gemacht. Ein Sprecher des
Insolvenzverwalters Bruno M. Kübler bezeichnet ihn zwar als "pure
Sensationsmache", er bestätigt aber, dass Choren nie über den Stand einer
Demonstrationsanlage hinausgekommen ist.
18 Millionen Liter Sun-Diesel pro Jahr sollen immerhin produziert worden
sein. Doch weder dessen Herstellungskosten noch die Technologie erscheinen
momentan beherrschbar. Der Ölkonzern Shell stieg schon 2009 als
Gesellschafter wieder aus. Als ihm im Juli VW und Daimler folgten, war die
Insolvenz unvermeidlich. Rund 100 Millionen Euro wurden bislang investiert,
davon 30 Millionen Fördermittel.
Freiberg hätte der weltweit erste Standort werden können, an dem die
Massenproduktion von Biokraftstoffen der zweiten Generation gelingt. Bei
diesem Verfahren, der Biomasseverflüssigung (Englisch: Biomass to Liquid,
BtL), wird die gesamte Pflanze zur Kraftstoffgewinnung verwendet.
Doch dem Choren-Versuch liegen offenbar ökonomische Fehlkalkulationen
zugrunde. Die MDR-Recherchen machen gestiegene Holzpreise für die
derzeitige Unwirtschaftlichkeit solcher Anlagen mitverantwortlich.
Unbestritten ist auch, dass Holzabfälle und sonstige Biomasse nur begrenzt
zur Verfügung stehen, will man nicht gewaltige Flächen für Nutzpflanzen
anlegen.
## Engpässe überbrücken
Ein internes Papier des Insolvenzverwalters verbreitet dennoch Optimismus.
Industriell hergestellter BtL-Sprit würde nicht mehr als 1 bis 1,50 Euro je
Liter kosten. Eigene Anpflanzungen könnten Engpässe bei der
Rohstofflieferung überbrücken. Die ökologischen Vorteile von
BtL-Kraftstoffen würden auch den Markt überzeugen.
Zugeschrieben werden sie vor allem der Freiberger Carbo-V-Technologie. Aus
verdichteter Biomasse wird ein Synthesegas hergestellt, das wiederum zu
Kraftstoff verflüssigt wird, der mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren
kompatibel ist.
Fast vergessen ist, dass schon 2003 ebenfalls in Freiberg die damalige
Firma Future Energy ein ähnliches Verfahren vorstellte. Gemeinsam mit dem
Forschungszentrum Karlsruhe, heute KIT, entwickelten sie eine angeblich
marktreife Technologie.
Doch die Nachfolgefirma, die heute zum Siemens-Konzern gehört, hat diesen
Weg offenbar aufgegeben und verkauft inzwischen sehr erfolgreich auf der
Basis eines schon in der DDR entwickelten Flugstromvergasers
Kohleverflüssigungsanlagen vor allem nach Asien.
## Eine Pilotanlage
Die Firma forscht weiter an Biokraftstoffen und baut gerade für 60
Millionen Euro eine eigene Pilotanlage in Karlsruhe. Aber eben nur eine
Pilotanlage.
Der Choren-Insolvenzverwalter räumt ein, dass man für die komplexe
Technologie einen langen Atem brauche. Die Anlage in Freiberg habe ihre
grundsätzliche Funktionsfähigkeit bewiesen und böte gute Chancen, "binnen
weniger Monate einen stabilen Betrieb der Gasproduktion zu erreichen".
"Eine Insolvenz stellt noch nicht die ganze Technologie infrage", warnt
auch Joachim Fuchs vom KIT. Nun wird ein Investor gesucht, der 300
Arbeitsplätze rettet und vor allem an den Erfolg des Carbo-V-Verfahrens
glaubt.
## Sehr schlechter Wirkungsgrad
##
Der Biologe Stefan Klotz vom Umweltforschungszentrum Leipzig zieht hingegen
die Produktion von Biosprit generell in Zweifel. Die über die Photosynthese
in Biomasse gespeicherte Sonnenenergie werde nur mit einem Wirkungsgrad von
weniger als 1 Prozent genutzt. Dafür extra Pflanzen anzubauen und diese
anschließend zu verheizen sei eine "Sackgasse".
Wenn Öl und Kohle zur Neige gehen, wären Pflanzen sinnvoller als Basis
vieler hochmolekularer Kunststoffe einzusetzen.
12 Sep 2011
## AUTOREN
Michael Bartsch
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